Europas längstes Wochenbett für Schweizer Mütter

Aus der Forschung

Paar mit Neugeborenem im Spital
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Schweizerinnen nehmen den Begriff „Wochenbett“ ganz wörtlich. Nach der Entbindung verbringen sie noch fast eine Woche (6,5 Tage) im Spital. Das ist zusammen mit den Frauen in der Slowakei (6,4 Tage) ein Spitzenplatz in Europa. In den Nachbarstaaten Deutschland und Österreich dauert der Spitalaufenthalt nur 5,5 bzw. 5,4 Tage, in Frankreich 5,1 und in Italien nur 4,2 Tage. Am schnellsten verabschieden sich die britischen Mütter aus der Entbindungsklinik, nämlich schon nach durchschnittlich 2 Tagen.

Als Grund für die Spitzenposition der Schweiz werden die vielen Kaiserschnitte vermutet, immerhin 25% aller Geburten. Dies kann es jedoch nicht allein sein, denn trennt man die Schnittentbindungen von den normalen Geburten, bleiben die Schweizerinnen immer noch länger als alle anderen Europäerinnen im Spital. Mögliche weitere Gründe: In der Schweiz ist der Anteil älterer Erstgebärender relativ hoch. Ausserdem hat das Stillen einen höheren Stellenwert bekommen und die frisch entbundenen Mütter geniessen die intensive Betreuung und Beratung.

Sicher aber spielt auch noch eine Rolle, dass bei den hohen Schweizer Versicherungsprämien ein möglichst umfassendes Leistungspaket erwartet wird. Die Krankenkassen zahlen bei einer normalen Entbindung fünf  Tage, bei einem Kaiserschnitt sieben Tage Spitalaufenthalt. Auch wenn die Betreuung rund um die Uhr für viele Mütter sehr angenehm ist, folgt dann oft ein harter Übergang, wenn sie daheim plötzlich ganz auf sich allein gestellt sind. Der Schweizerische Hebammenverband fordert deshalb schon seit langem, die letzten Wochenbettage durch zunächst engmaschige, dann langsam auslaufende Hausbetreuung zu ersetzen.

Aus der Forschung: NZZ am Sonntag, 16.4.06

Letzte Aktualisierung: 04.05.2021, BH