Fol­säu­re - wich­tig in je­der Le­bens­la­ge

In­ter­view mit Erich P. Mey­er

Diverse Gemüsesorten
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swiss­mom: Was ist Fol­säu­re und wo kommt sie vor?

Erich P. Mey­er: Fol­säu­re oder Vit­amin B9 ist ein Vit­amin der B-Grup­pe. Man kann sich ganz ein­fach mer­ken, wo Fol­säu­re vor­kommt. Die Be­zeich­nung Fol­säu­re stammt aus der la­tei­ni­schen Spra­che: "fo­lio" oder zu Deutsch "Blatt". Also al­les, was aus dem Bo­den wächst und Blät­ter hat, ent­hält Fol­säu­re. Dazu zäh­len Ge­trei­de, Ge­mü­se, Früch­te, Hül­sen­früch­te, Lin­sen, So­ja­spros­sen, Nüs­se usw. Wich­ti­ge Lie­fe­ran­ten für Fol­säu­re sind aber auch Le­ber und Hefe. 

swiss­mom: Fol­säu­re wird oft als Le­bens­vit­amin be­zeich­net. Was hat es mit die­ser Be­zeich­nung auf sich? 

Erich P. Mey­er: Die­se Be­zeich­nung hat ihre Be­rech­ti­gung, denn das le­bens­wich­ti­ge Vit­amin Fol­säu­re braucht je­der Mensch be­reits vor der Ge­burt, wäh­rend der Schwan­ger­schaft und wäh­rend des gan­zen Le­bens in der rich­ti­gen Men­ge, zum rich­ti­gen Zeit­punkt und in der op­ti­ma­len Do­sie­rung, Tag für Tag. Dies, da­mit die le­bens­lan­ge Zell­tei­lung mög­lichst feh­ler­frei ab­läuft.

Stif­tung Fol­säu­re

Erich P Meyer

Erich P. Meyer ist Geschäftsführer der Stiftung Folsäure Schweiz.

Die im Jahr 2000 gegründete Stiftung klärt die Bevölkerung über die Wichtigkeit der Folsäure auf, lanciert gemeinsam mit Partnern Folsäure-Produkte, organisiert Fachvorträge und unterstützt Jugendliche, die von den Folgen eines Folsäuremangels während der Schwangerschaft betroffen sind.

swiss­mom: Fan­gen wir beim Kin­der­wunsch an. War­um soll­te eine Frau, die sich ein Kind wünscht, be­reits vor der Kon­zep­ti­on mit der Fol­säu­re-Pro­phy­la­xe be­gin­nen? 

Erich P. Mey­er: Die­ser Zu­sam­men­hang ist ein­fach zu ver­ste­hen, wenn man sich ge­wahr wird, dass eine schwan­ger wer­den­de Frau den dop­pel­ten Be­darf an Fol­säu­re be­nö­tigt. Den Be­darf für sich sel­ber und den Be­darf für das neue Le­ben. Dar­um lau­tet die Emp­feh­lung des Bun­des­amts für Ge­sund­heit, dass eine Frau mit Kin­der­wunsch be­reits 3 Mo­na­te vor der Kon­zep­ti­on täg­lich 400 Mi­kro­gramm Fol­säu­re in Form ei­nes Mul­ti­vit­amins zu sich nimmt. Die­se Emp­feh­lung ist wirk­lich gut, denn meis­tens merkt eine Frau erst nach dem Aus­blei­ben der Mo­nats­blu­tung, dass sie schwan­ger ist. Der Ver­schluss des Neural­rohrs aber fin­det schon am 21. oder am 22. Tag der Schwan­ger­schaft statt. 
Ein Blick über die Lan­des­gren­zen zeigt uns Fol­gen­des: In über 90 Län­dern wird das Wei­zen­mehl be­reits in der Müh­le mit Fol­säu­re an­ge­rei­chert, so­dass in die­sen Län­dern alle Back­wa­ren und Bro­te eine Ex­tra­por­ti­on Fol­säu­re ent­hal­ten. So kann si­cher­ge­stellt wer­den, dass alle Men­schen ei­nen hö­he­ren Le­vel an Fol­säu­re er­hal­ten, dass das Ri­si­ko für Fehl­bil­dun­gen in der Schwan­ger­schaft um knapp 50 % ver­rin­gert wird und die Ri­si­ken für Herz-Kreis­lauf-Krank­hei­ten so­wie Schlag­an­fäl­le mas­siv ge­senkt wer­den. 

swiss­mom: Wird das Brot in der Schweiz auch mit die­sem Le­bens­vit­amin an­ge­rei­chert? 

Erich P. Mey­er: Das ist lei­der nicht der Fall - es gibt da­für in der Schweiz kei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge. Dar­um ha­ben Ma­ria Wal­li­ser und ich be­reits im Jah­re 2000 die Stif­tung Fol­säu­re Schweiz ge­grün­det, da­mit die Be­völ­ke­rung über die Vor­tei­le der Fol­säu­re in­for­miert wird und Le­bens­mit­tel auf frei­wil­li­ger Ba­sis mit Fol­säu­re an­ge­rei­chert wer­den. 

swiss­mom: Im­mer wie­der hört man, dass Fol­säu­re auch für Män­ner mit Kin­der­wunsch wich­tig ist. War­um ist das so? 

Erich P. Mey­er: Fol­säu­re ist auch für die Qua­li­tät und die Quan­ti­tät der Sper­mi­en ein wich­ti­ger Fak­tor. Und aus zahl­rei­chen Stu­di­en weiss man, dass sich die Qua­li­tät der Sper­mi­en in den letz­ten Jah­ren ver­rin­gert hat. 

swiss­mom: Was emp­feh­len Sie ei­ner Frau, die über­ra­schend schwan­ger ge­wor­den ist und dar­um nicht be­reits 3 Mo­na­te vor der Emp­fäng­nis ein Fol­säu­re-Prä­pa­rat ein­ge­nom­men hat? 

Erich P. Mey­er: Zu­erst ein­mal freu­en Sie sich über die­ses wun­der­ba­re Er­eig­nis und ge­hen Sie un­ver­züg­lich zu Ih­rem Arzt, Gy­nä­ko­lo­gen oder Apo­the­ker und las­sen Sie sich be­ra­ten. Man wird Ih­nen ein Fol­säu­re-Mul­ti­vit­amin­prä­pa­rat emp­feh­len und die­ses soll­ten Sie dann un­ver­züg­lich und täg­lich zu sich neh­men. 

swiss­mom: Den meis­ten Frau­en mit Kin­der­wunsch dürf­te be­kannt sein, dass die Fol­säu­re-Vor­sor­ge das Ri­si­ko von Neural­rohr­de­fek­ten (Spi­na Bi­fi­da) mi­ni­miert. Gibt es auch noch an­de­re Ri­si­ken, die mit Fol­säu­re ver­rin­gert wer­den? 

Erich P. Mey­er: Dank un­se­rer In­for­ma­ti­ons­kam­pa­gne ken­nen heu­te über 75% der Be­völ­ke­rung das Vit­amin Fol­säu­re. Den­noch neh­men nur 6 von 10 Frau­en mit Kin­der­wunsch recht­zei­tig ein Fol­säu­re-Prä­pa­rat ein und ein Gross­teil der Schwan­ger­schaf­ten er­gibt sich un­ge­plant. Das Wis­sen ist zu ei­nem gros­sen Teil vor­han­den, aber das Le­ben läuft nicht nach Plan ab. Und da sich das Neural­rohr be­reits am 21. oder am 22. Tag der Schwan­ger­schaft schliesst (oder eben nicht), kann die Be­deu­tung der Vor­sor­ge nicht ge­nug be­tont wer­den. 
Die früh­zei­ti­ge Fol­säu­re-Prä­ven­ti­on senkt aber auch das Ri­si­ko von Tu­mo­ren im Zen­tral­ner­ven­sys­tem bei Neu­ge­bo­re­nen und die Ri­si­ken von Früh- oder Fehl­ge­bur­ten. Es gibt auch Hin­wei­se dar­auf, dass Fol­säu­re hilft, Lip­pen-Kie­fer-Gau­men­spal­ten, an­ge­bo­re­ne Herz­feh­ler, Down-Syn­drom oder Harn­weg­fehl­bil­dun­gen zu re­du­zie­ren. 

swiss­mom: War­um ist es kaum mög­lich, den dop­pel­ten Be­darf an Fol­säu­re in der Schwan­ger­schaft durch ge­sun­de Er­näh­rung zu de­cken? 

Erich P. Mey­er: Das hat meh­re­re Grün­de. Wie wir be­reits be­spro­chen ha­ben, be­nö­tigt der Kör­per ei­ner schwan­ger wer­den­den Frau plötz­lich den dop­pel­ten Be­darf an Fol­säu­re, um den zu­sätz­li­chen Be­darf für das in ihr ent­ste­hen­de neue Le­ben zu de­cken. Und das ist durch eine noch so aus­ge­wo­ge­ne Er­näh­rung prak­tisch nicht zu de­cken, zu­mal sich un­se­re Er­näh­rungs­ge­wohn­hei­ten nicht nur zu un­se­rem Vor­teil ent­wi­ckelt ha­ben. Wenn Sie dazu Wei­te­res wis­sen möch­ten, emp­feh­len wir je­der Frau mit Kin­der­wunsch ein ver­tief­tes Ge­spräch mit ei­ner eid­ge­nös­sisch di­plo­mier­ten Er­näh­rungs­be­ra­te­rin, da­mit die Er­näh­rungs­ge­wohn­hei­ten der be­tref­fen­den Per­son ana­ly­siert und ent­spre­chen­de Emp­feh­lun­gen aus­ge­ar­bei­tet wer­den kön­nen.

swiss­mom: Fol­säu­re und Hy­per­ak­ti­vi­tät des Kin­des - wel­cher Zu­sam­men­hang be­steht hier? 

Erich P. Mey­er: Neue­re Un­ter­su­chun­gen ge­ben uns Hin­wei­se auf ei­nen mög­li­chen Zu­sam­men­hang zwi­schen ei­nem tie­fen Fo­lat­spie­gel in der Früh­schwan­ger­schaft ei­ner spä­te­ren Hy­per­ak­ti­vi­tät des Kin­des. Schwe­di­sche Stu­di­en zei­gen auf, dass Ju­gend­li­che mit ei­nem ho­hen Fol­säu­re­spie­gel im Durch­schnitt bes­se­re Schul­no­ten ha­ben. 

swiss­mom: Was soll­ten All­er­gi­ker zum The­ma Fol­säu­re wis­sen? 

Erich P. Mey­er: Eine Un­ter­su­chung am Johns-Hop­kins-Spi­tal in Bal­ti­more (USA) hat ge­zeigt, dass Pa­ti­en­ten mit ei­nem ho­hen Fo­lat­spie­gel im Blut ei­nen ge­rin­ge­ren IgE-An­ti­kör­per-Wert auf­wei­sen. Sie lei­den da­mit sel­te­ner an All­er­gi­en oder Atem­pro­ble­men und sind auch we­ni­ger an­fäl­lig für Asth­ma

swiss­mom: Wo lie­gen die Zu­sam­men­hän­ge zwi­schen Herz-Kreis­lauf-Krank­hei­ten und Fol­säu­re? 

Erich P. Mey­er: Mit­ver­ant­wort­lich für die Ver­kal­kung der Ar­te­ri­en ist das Stoff­wech­sel­pro­dukt Ho­mo­zystein, das nur mit Hil­fe der Vit­ami­ne B6, B12 und Fol­säu­re (B9) um­ge­wan­delt wer­den kann. Es deu­tet vie­les dar­auf hin, dass mit ei­ner aus­rei­chen­den Fol­säu­re-Ver­sor­gung das Ri­si­ko ei­ner Herz-Kreis­lauf­erkran­kung ver­min­dert wer­den kann. Die bes­te Prä­ven­ti­on ist und bleibt aber selbst­ver­ständ­lich ein ge­sun­der Le­bens­wan­del. 

swiss­mom: Gibt es auch Hin­wei­se auf ei­nen Zu­sam­men­hang mit De­pres­sio­nen? 

Erich P. Mey­er: De­pres­sio­nen sind die häu­figs­te see­li­sche Er­kran­kung im Al­ter. Sie ent­ste­hen in der Re­gel aus dem Zu­sam­men­wir­ken meh­re­rer Fak­to­ren, wo­bei Bo­ten­stof­fe eine zen­tra­le Rol­le spie­len. Und hier kommt die Fol­säu­re ins Spiel - denn für die Bil­dung die­ser Bo­ten­stof­fe braucht es ins­be­son­de­re die B-Vit­ami­ne wie Fol­säu­re. 

swiss­mom: Man spricht viel von "Bet­ter Aging" - Was ist das und wel­che Rol­le spielt die Fol­säu­re da­bei? 

Erich P. Mey­er: Im Al­ter ver­lang­samt sich der Zel­ler­neue­rungs­pro­zess. Wie wir ganz am An­fang be­tont ha­ben, fin­det die Zell­tei­lung bei al­len Men­schen Tag für Tag in un­ter­schied­li­chem Mas­se statt, wozu ge­nü­gend Fol­säu­re be­nö­tigt wird. Dem Le­bens­vit­amin Fol­säu­re kann des­halb zu Recht eine ganz na­tür­li­che Anti-Aging-Wir­kung at­tes­tiert wer­den. 

swiss­mom: Wür­den Sie auf­grund der zahl­rei­chen po­si­ti­ven Wir­kun­gen der Fol­säu­re al­len Leu­ten emp­feh­len, täg­lich ein Fol­säu­re-Prä­pa­rat ein­zu­neh­men?

Er­win P. Mey­er: Rich­tig ist, dass die Fol­säu­re ei­nen star­ken, ja, le­bens­wich­ti­gen Bei­trag zu ei­nem ge­sun­den Le­ben leis­tet. Das be­deu­tet aber nicht, dass wir nun alle je­den Tag eine Fol­säu­re­ta­blet­te ein­neh­men soll­ten. Wich­tig ist vor­ab eine aus­ge­wo­ge­ne und na­tür­li­che Er­näh­rung, reich an Voll­korn­pro­duk­ten, Früch­ten, Ge­mü­se, Hül­sen­früch­ten, Fisch und wert­vol­len, kalt­ge­press­ten Pflan­zen­ölen so­wie viel Be­we­gung. Dazu ge­hört auch ein Ver­zicht auf Rau­chen und ein mass­vol­ler Um­gang mit Al­ko­hol, vor al­lem vor und wäh­rend der Schwan­ger­schaft und Still­zeit. Bei Kin­der­wunsch emp­fiehlt das Bun­des­amt für Ge­sund­heit die Ein­nah­me ei­nes Fol­säu­re-Mul­ti­vit­amin­prä­pa­ra­tes be­reits 3 Mo­na­te vor der Emp­fäng­nis. Wenn Sie eine ver­tief­te Be­ra­tung wün­schen, emp­feh­len wir Ih­nen ein Ge­spräch mit Ih­rem Haus­arzt, Gy­nä­ko­lo­gen, Apo­the­ker oder ei­ner di­plo­mier­ten Er­näh­rungs­be­ra­te­rin. 

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