Fol­säu­re­man­gel in der Schwan­ger­schaft

Schwan­ge­re ha­ben ei­nen deut­lich er­höh­ten Be­darf an Vit­amin B9, der über die Er­näh­rung kaum ge­deckt wer­den kann.

Apothekerin berät Schwangere
©
iStock

Das B-Vit­amin Fol­säu­re (Vit­amin B9) wird schon gleich nach der Be­fruch­tung bei der Ein­nis­tung der Ei­zel­le ge­braucht. Die Zell­neu­bil­dung läuft ab jetzt auf Hoch­tou­ren. Für Auf­bau und Re­pa­ra­tur der Nu­kle­in­säu­ren, also der Erb­infor­ma­ti­on, ist ein aus­rei­chend ho­her Fol­säu­re­spie­gel im Blut der wer­den­den Mut­ter sehr wich­tig ist. Frau­en mit nied­ri­gem Fol­säu­re­spie­gel ha­ben häu­fi­ger Fehl­ge­bur­ten. Fol­säu­re för­dert aus­ser­dem die Bil­dung der ro­ten und weis­sen Blut­kör­per­chen und den Auf­bau des Kno­chen­ge­rüsts und der in­ne­ren Or­ga­ne.

Neural­rohr­de­fek­te durch Fol­säu­re­man­gel


Fol­säu­re wird beim Kind aber vor al­lem für die ge­sun­de Ent­wick­lung des Ge­hirns, des Rü­cken­marks und der Wir­bel­säu­le be­nö­tigt. Die­se Or­ga­ne des Zen­tra­len Ner­ven­sys­tems ent­ste­hen in den ers­ten Wo­chen der Em­bryo­nal­ent­wick­lung (zwi­schen dem 23. und 28. Tag nach der Be­fruch­tung) aus dem so­ge­nann­ten Neural­rohr. Fol­säu­re­man­gel kann zu ei­nem feh­ler­haf­ten Ver­schluss des Neural­rohrs füh­ren, wie z.B. bei der Spi­na bi­fi­da, dem of­fe­nen Rü­cken oder Rü­cken­marks­bruch. An­de­re Fach­be­grif­fe für ver­schie­de­ne Neural­rohr­de­fek­te sind (Mye­lo-)Me­nin­go­ze­le, En­ze­pha­lo­ze­le und An­en­ze­pha­lie. Die­se Fehl­bil­dun­gen sind im wei­te­ren Ver­lauf der Schwan­ger­schaft nicht mehr zu re­pa­rie­ren. Un­ter­schied­lich schwe­re Be­hin­de­run­gen, v.a. in Form von Läh­mun­gen, kön­nen die Fol­ge sein, ab­hän­gig da­von, wel­che Tei­le der Wir­bel­säu­le be­trof­fen sind und wie gross der De­fekt ist.

Spalt­bil­dun­gen im Ge­sichts­be­reich, z.B. Lip­pen-Kie­fer-Gau­men­spal­ten, und an­ge­bo­re­ne Herz­feh­ler kom­men un­ter Vit­amin­man­gel eben­falls häu­fi­ger vor. Da Fol­säu­re eine wich­ti­ge Rol­le in der frü­hen Hirn­ent­wick­lung spielt, er­staunt es nicht, dass in ei­ner nor­we­gi­schen Stu­die die Kin­der von Müt­tern, die in der Schwan­ger­schaft Fol­säu­re ein­nah­men, deut­lich sel­te­ner Sprach­ent­wick­lungs­stö­run­gen zeig­ten.

In der Schweiz kommt ei­nes von 1000 bis 3000 Neu­ge­bo­re­nen mit ei­nem Neural­rohr­de­fekt auf die Welt. Fach­leu­te mei­nen, dass min­des­tens die Hälf­te die­ser Kin­der mit der ent­spre­chen­den Fol­säu­re-Pro­phy­la­xe ge­sund ge­bo­ren wer­den könn­te. Al­ler­dings kann das al­les nicht al­lein durch Fol­säu­re-rei­che Er­näh­rung ge­lin­gen. Emp­foh­len wird vom BAG die Zu­fuhr von etwa 0,4 mg Fol­säu­re pro Tag, be­gin­nend ei­nen Mo­nat vor der Zeu­gung und min­des­tens bis zum Ende des ers­ten Schwan­ger­schafts­drit­tels. Die Fol­säu­re kann als Ein­zel­vit­amin oder in Ver­bin­dung mit an­de­ren Vit­ami­nen und Mi­ne­ral­stof­fen in ei­nem spe­zi­ell für die Schwan­ger­schaft be­stimm­ten Prä­pa­rat ein­ge­nom­men wer­den. 

Üb­ri­gens tut auch der wer­den­den Mut­ter eine er­höh­te Fol­säu­re­zu­fuhr gut - und dies durch­aus auch noch nach dem ers­ten Schwan­ger­schafts­drit­tel: Fol­säu­re kann eine Blut­ar­mut (An­ämie) ver­mei­den und lang­fris­tig das Ri­si­ko für Darm­krebs und Blut­hoch­druck sen­ken. 

Be­ach­tet wer­den soll­te bei der Do­sie­rung, dass be­stimm­te Me­di­ka­men­te die Fol­säu­re­auf­nah­me hem­men. Dazu ge­hö­ren Tri­me­tho­prim (in Kom­bi­na­ti­on mit Sul­fa­me­th­o­xazol ein be­lieb­tes An­ti­bio­ti­kum), Sul­fa­sa­la­zin (ein ent­zün­dungs­hem­men­des Mit­tel bei der Be­hand­lung von Mor­bus Crohn und Co­li­tis ul­ce­ro­sa) und das Im­mun­sup­pres­si­vum Me­tho­trex­at (ur­sprüng­lich ein Zy­to­sta­ti­kum, das zu­neh­mend bei Au­to­im­mun­erkran­kun­gen ein­ge­setzt wird), aus­ser­dem  An­ti­epi­lep­ti­ka wie Car­ba­ma­ze­pin, Phe­ny­toin, La­mo­tri­gin, Primi­don, Val­pro­in­säu­re oder Phe­no­bar­bi­tal so­wie der Li­pid­sen­ker Cho­le­s­ty­ra­min.

Vi­deo


In­ter­view mit Prof. Dr. Berth­lod Ko­letz­ko zum The­ma Fol­säu­re:

Letzte Aktualisierung: 09.02.2023, BH

Mehr zum The­ma

Ak­tu­el­les

kurz&bündigkurz&bündig
6/5/2023
Frau mit Schmerzen auf dem Sofa

Jede 5. Schwei­ze­rin lei­det wäh­rend der Pe­ri­ode an sehr star­ken Schmer­zen

Zwei von zehn Frau­en ge­ben an, wäh­rend der Pe­ri­ode an so star­ken Schmer­zen zu lei­den, dass sie auf ei­ner Schmerz­ska­la …

Neu­es­te Ar­ti­kel

Unsere Partner