Gesundes Zahnfleisch und Zähne in der Schwangerschaft

Interview mit Dr. med. Dr. med. dent. Catharine Weber-Dürr

Schwangere benutzt Zahnseide
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swissmom: Warum müssen besonders Schwangere ihr Zahnfleisch gut pflegen?

Dr. med. Dr. med. dent. C. Weber: Schwangere Frauen sind durch die hormonelle Umstellung besonders anfällig für Entzündungen des Zahnfleisches und des Zahnhalteapparates (Parodontitis). Bereits bestehende Parodontalerkrankungen werden durch eine Schwangerschaft verschlimmert. Durch Parodontitis steigt das Risiko für eine Frühgeburt. Das zu früh geborene Kind kann eine verzögerte körperliche Entwicklung und eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten zeigen.

Zur Person

Dr. Catherine Weber-Dürr

Catherine Weber-Dürr ist Zahnärztin und Ärztin. Als Spezialistin für Parodontologie betreut sie ihre PatientInnen in einer Gemeinschaftspraxis mit ihrem Gatten. Sie ist Mutter einer kleinen Tochter.

swissmom: Was bewirkt Parodontitis? Können Sie den swissmom LeserInnen den Unterschied zwischen Parodontose und Parodontitis kurz erklären? Diese Begriffe werden bei Laien oft vermischt. Wer leidet daran?

Dr. med. Dr. med. dent. C. Weber: Unter Parodontitis (Parodontose ist das in der Umgangssprache häufiger verwendete Synonym) versteht man eine Entzündung des Zahnhalteapparates. Ausgelöst wird sie durch Bakterien, die sich in der Zahnplaque befinden. Zahnplaque ist eine Schicht aus Nahrungsresten und Bakterien, die sich bei ungenügender oder falscher Mundhygiene an Zähnen und Zahnfleisch anlagert. Die Bakterien bilden Giftstoffe, die im Zahnfleisch eine Entzündung verursachen. Das Zahnfleisch rötet sich, schwillt an und blutet beim Zähneputzen. In der Folge bilden sich Zahnfleischtaschen, die mit der Zahnbürste nicht mehr gereinigt werden können. Zahnfleisch und Kieferknochen werden abgebaut und die Zähne beginnen zu wackeln. Dieser Prozess verläuft meistens völlig schmerzlos und unbemerkt. Die Krankheit kann bis zum Zahnverlust führen. 

swissmom: Wie sollen Schwangere ihr Zahnfleisch pflegen?

Dr. med. Dr. med. dent. C. Weber: Schwangere Frauen müssen besonders auf eine gründliche Pflege der Zähne und – genauso wichtig - der Zahnzwischenräume achten. Die Zähne sollten mehrmals täglich mit einer fluoridierten Zahnpaste gebürstet und die Zahnzwischenräume einmal täglich mit Zahnseide oder einer Interdentalbürste gereinigt werden, um Zahnplaque gar nicht erst entstehen zu lassen.  Ein häufiger Fehler ist, dass bei Zahnfleischbluten die Mundhygiene unterlassen wird, um die Gewebe zu schonen.  

swissmom: Soll eine Frau anfangs Schwangerschaft einen Zahnarzt/Zahnärztin aufsuchen?

Dr. med. Dr. med. dent. C. Weber: Auf jeden Fall. Noch besser ist, bereits bei bestehendem Kinderwunsch die Mundgesundheit kontrollieren zu lassen, da eventuell nötige Behandlungen zu diesem Zeitpunkt noch problemlos durchgeführt werden können. Leidet die Patientin beispielsweise an einer Parodontitis,  kann die Krankheit durch professionelle Zahnreinigung und Säuberung der Zahnfleischtaschen geheilt werden. Häufig ist die tägliche Zahnzwischenraumhygiene für die Patienten schwierig. Es ist aber wichtig, sich bereits vor der Schwangerschaft eine richtige und effiziente Technik anzueignen. Der Zahnarzt oder die Dentalhygienikerin können Schwachstellen der Mundhygiene erkennen und mit der Patientin die richtige Technik üben. Auf jeden Fall sollte aber vor oder zu Beginn der Schwangerschaft eine professionelle Zahnreinigung in der Zahnarztpraxis durchgeführt werden, um Zahnstein und Zahnplaque zu entfernen, die mit Zahnbürste und Zahnseide nicht mehr erreicht werden können. 

swissmom: Anfangs Schwangerschaft erbrechen viele Schwangere. Wie können die Zähne nach dem Erbrechen gepflegt werden?

Dr. med. Dr. med. dent. C. Weber: Da die Zähne bei jedem Erbrechen einer hohen Säurekonzentration aus dem Magen ausgesetzt sind, kann dabei mit der Zeit der Zahnschmelz ernsthaft angegriffen werden. Gefahren für den Zahnschmelz drohen dadurch, dass sich der Speichel, der normalerweise die Zähne natürlich schützt, in der Schwangerschaft qualitativ und quantitativ verändert: Speichelmenge und Speichel-pH sinken, der Speichel wird dickflüssiger und begünstigt die Plaquebildung. Um den Zahnschmelz zu schützen, sollten die Zähne nie direkt nach dem Erbrechen geputzt werden, da der Zahnschmelz durch die Säure aufgeweicht ist. Der Mund soll nach dem Erbrechen gründlich mit Wasser und anschliessend mit einer fluoridierten Mundspüllösung ausgespült werden. 

swissmom: Sollen Schwangere fluoridiertes Kochsalz zu sich nehmen? Was soll eine Schwangere unternehmen, die eine salzarme Diät halten muss?

Dr. med. Dr. med. dent. C. Weber: Die prophylaktische Wirkung von Fluorid ist vor allem für die Zähne der Schwangeren wichtig. Dabei ist der Gebrauch einer fluoridierten Zahnpaste von ausschlaggebender Bedeutung. Der Fötus baut einen Teil des systemisch aufgenommenen Fluorids in die entstehenden Milchzähne ein. Es ist aber wichtig zu wissen, dass die bleibenden Zähne des Fetus erst nach der Geburt und bei einem bestimmten Reifungsgrad Fluorid verwerten können. Dafür ist aber wiederum vor allem das lokale Fluoridangebot im Mund durch fluoridierte Zahnpaste wichtig. Fluoridiertes Kochsalz ist nicht die einzige Fluoridquelle, die einer Schwangeren zur Verfügung steht. Für die systemische Versorgung des Körpers mit Fluorid können neben anderen fluoridreichen Nahrungsmittel zum Beispiel natürlicherweise fluoridreiche Mineralwasser genutzt werden. Dank Fluoriden kann eine wirksame Karieshemmung erzielt werden. Sie härten den Zahnschmelz und erhöhen die Säureresistenz. Sie sorgen für die Remineralisation der Zähne, also die Einlagerung von Mineralien aus dem Speichel in vorher durch Säureangriffe demineralisierten Schmelzbereichen.

swissmom: Welche Regeln gilt es auch für die Schwangerschaft zu beachten, damit die Zähne gesund bleiben?

Dr. med. Dr. med. dent. C. Weber: Aufgrund der Tendenz von Schwangeren, häufig kleine, oft zuckerhaltige Lebensmittel zu sich zu nehmen, ist das Risiko von Karies nicht zu unterschätzen. Eine ausgewogene Ernährung ist auch für die Zähne wichtig. Auf zuckerhaltige Zwischenmahlzeiten sollte möglichst verzichtet werden. Die oben beschriebenen Richtlinien zur Gesunderhaltung des Zahnfleisches sollten optimal befolgt werden. Zudem ist es besser, lieber einmal zu oft zum Zahnarzt zu gehen. Die Mundhygiene kann so mit einfachen Hilfsmitteln optimal an die entsprechende Situation angepasst werden.  

Für weiterführende Informationen zum Thema „Parodontitis in der Schwangerschaft“ hat die Schweizerische Gesellschaft für Parodontologie in Zusammenarbeit mit der meridol Forschung eine Broschüre erarbeitet, die kostenlos bezogen werden kann (www.parodontologie.ch).
Kontaktadresse: Dr. med. Dr. med. dent. Catherine Weber – Dürr, Röschenzstr. 6-8, 4242 Laufen, E-Mail: zahnarzt-weber@bluewin.ch 

Letzte Aktualisierung: 03.08.2016, swissmom-Redaktion