„Ja!“ – Ich will!"


Nein, ich habe nicht geheiratet. Ich bin ohnehin keine überzeugte Jasagerin. Und Heirat kein Thema. Denn Pepe ist weg. Und mit ihm die flüchtige Chance, vor den Traualtar zu treten.

Aber Pepe und ich, wir haben einen Sohn. Zwanzig Monate alt. Für Pepe kein Grund zu bleiben. Doch das ist ein anderes Kapitel.

Pepes Sohn, Juanito, ist ein Jasager. Mit  „ja“ sagt er alles. Alles, was er den lieben langen Tag – und glauben Sie mir, Juanitos Tage sind sehr, sehr lang – will.

„Ja!“ Bestimmt und kurz. Er antwortet auf eine Frage. Klar und deutlich.

„Ja! Ja! Ja!“ Im Staccato, heiser, fordernd, weinerlich, begleitet von energischen Gesten: Juanito will was haben: Die Tasse, die Milch, die Zahnbürste, die Hundebürste, meinen Haargummi, die Katze, ganz egal. Er will’s haben. Sofort! „Ja! Ja! Ja!“

„Jaajaa“: Juanito spielt, ist ganz zufrieden, plaudert mit seiner Giesskanne und den Blumen, redet auf sein Spielzeug ein. „Jaajaa“, sanft und gut gelaunt lehnt er sich an Hund Akim an, vergisst für eine Weile, was das Leben sonst noch zu bieten hätte. Meine Chance, schnell im Büro zu verschwinden, ein paar Pendenzen zu erledigen. Doch oh Schreck! Drei, vier Minuten. Und Juanito steht fordernd neben mir: „Ja! Ja! Ja!“

Aha, verstehe. Juanito will meinen Stuhl erobern und selber in die Tasten greifen. Nein! Und nochmals nein!

Manchmal hat Juanito Besuch von Mädchen in seinem Alter. Die reden ständig: Auto, Lampe, Büsi, Wauwau, Milch, Blume, Mami, Papi und so weiter. Das sagt jedes Kind. Wenigstens Mama. Nur Juanito beharrt seit Wochen auf seinem Ja.

Ich steh dann etwas blöd da, fordere Juanito auf: „Sag mal Auto!“ – „Ja.“

„Sagst du mal Lampe?“ – „Ja.“

Okay, ich blamier mich bloss – und tröste mich mit der Wissenschaft. Die besagt, dass sich im Alter von 22 Monaten ein Zeitfenster öffnet, in welchem Kinder Sprache am besten lernen. Juanito hat also noch Zeit.

Pepe – er kommt Juanito regelmässig besuchen – sagt: „Pah, wen wundert’s, dass diese Mädchen schon alle reden? Das sind die weiblichen Plappergene! Juanito ist eben ein Mann, der hat’s nicht nötig, ständig zu palavern.“

Pepe schaut ganz ernst dabei. Und Juanito steht verständnisvoll daneben, deutet ein Nicken an und sagt: „Jaaa!“

Nun, ich trage es mit Fassung: Aber manchmal denke ich: Hätte Pepe ein paar „Plappergene“ mehr, dann hätten wir vielleicht frühzeitig über das eine oder andere Problem reden können. Und Pepe wäre jetzt noch bei uns. Und das wiederum würde Juanito bestimmt sehr bejahen!

Verena Zürcher ist freie Journalistin und Autorin und lebt zusammen mit ihrem Sohn im Emmental. Homepage: www.landverlag.ch.

Letzte Aktualisierung: 11.08.2016, VZ