Grossmutters „Konzert“-Buch 


Es war schon mal ein Thema an dieser Stelle: Unser Sohn kocht und backt gerne. Und je älter er wird, desto mehr Routine entwickelt er dabei. Eier ausschlagen klappt schon fast perfekt, mit dem Handrührgerät hantieren ebenso. Noch lieber „liest“ Goja „Konzert“-Bücher. Naja, „Konzert“ und „Rezept“, das tönt sehr ähnlich.

Nun, eines dieser Bücher ist ein ganz besonderes Schmuckstück. Es ist das liebste Ding, das ich aus Mutters Nachlass habe. Ihr Hauswirtschaftsbuch. Entstanden in den Jahren 1942 bis 1944. Mitten in den Kriegsjahren also, in einer Zeit, da Gojas Grosi als Teenager unterwegs war und sich in der gestrengen Schule auf das Leben einer anständigen Ehefrau und Mutter vorbereitete.

Zeitlebens hat meine Mutter dieses Heft weitergeführt, hat neue Rezepte ausprobiert und sie, wenn sie die Rezepte erwähnenswert fand, in ihr altes, schwarzes Heft eingetragen. Tolle Rezepte, die ich gerne verwende. Angetan haben es mir auch die Menüpläne. Nein, nicht zum Nachkochen. Das wäre mir viel zu anstrengend. Denn da stehen lauter Vier- und Fünfgänger, allesamt aus frischen, selbstangebauten, saisongerechten Lebensmitteln hergestellt. Aber ich finde es einfach schön, diese Dinge zu lesen, zu staunen, wie es möglich war, mit zehn Kindern am Schürzenbändel auch noch immer lauter gesundes Zeug zu pflanzen und zu kochen.

Der absolute Hit in diesem Hauswirtschaftsheft ist das Kapitel über die Babypflege. Da heisst es etwa: „Mit dem ersten Tag fängt die Erziehung des Säuglings an“. Hier ist zu noch erwähnen, dass das Wort Erziehung unterstrichen ist… Wenn ich Goja betrachte, muss ich eingestehen, dass ich diese Regieanweisung wohl verpasst habe.

Danach folgen Abhandlungen zum Kinderbettchen, zur Babypflege und zur Kleidung des Säuglings. Etwas später kommt die „Kostenberechnung einer Säuglingsaussteuer“: Tja, was soll ich sagen, spartanisch, das trifft dieses Kapitel auf den ersten Blick wohl am besten, und das Resultat des Budgets mutet an wie ein Witz: 198 Franken und 50 Rappen. Mehr durfte die Babyausstattung damals nicht kosten.

Wenn ich aber in diesem wunderbaren Sammelsurium weiterblättere, stosse ich auf das „durchschnittliche Jahreseinkommen einer vierköpfigen Familie“, es beläuft sich auf 4000 Franken! Für die Säuglingsaussteuer gingen also 5% dieses Einkommens drauf. Rechnen Sie selber! So sehr geknausert hat man schon vor über 60 Jahren nicht, wenn es um das Wohl des Babys ging. Denn, wie heisst es so schön in Grossmutters „Konzert“-Buch: „Jede Mutter hat die Pflicht, ihr Kindlein durch gute Pflege und Ernährung körperlich und geistig gesund zu halten.“

Letzte Aktualisierung: 11.08.2016, VZ