Danke, Frau „Toxi“!


Nun, wer Kinder hat, kennt das wohl. Oder vielleicht gibt es ja Mütter, die schlicht ein paar „Aufpasser-Gene“ mehr haben als ich und darum jetzt bloss mitleidig die Schultern zucken, wenn ich schreibe: Juanito hat mir einen gehörigen Schreck eingejagt! So richtig, meine ich!

Es ist Abend, Juanito steht in seinem Schlaf-Kampfanzug im Gang, verabschiedet sich ins Bad. Kein Problem, er wird, so denke ich, aufs WC klettern, seine Zahnbürste packen und versuchen, ganz viel Paste aus der Tube zu drücken. Das liebt er. Nun gut, ich lass mir Zeit und werde nicht einmal hektisch, als das Telefon klingelt. „Alles im grünen Bereich“, richte ich meiner Freundin aus: „Juanito putzt Zähne!“

Plötzlich schreit er, weint. Ich lasse den Hörer sausen, denn Juanito weint selten. Ergo muss was ziemlich Schreckliches passiert sein. Als ich ins Bad schaue, trifft mich beinahe der Schlag. Juanito hat’s tatsächlich geschafft, via WC und Lavabo auf die hohe, schmale Ablage beim Fenster zu klettern. Und was steht dort verbotenerweise? WC Reiniger und Entkalker. Mein Herz stockt. Juanito hält den WC-Reiniger in den Händen, schreit. Sein Gesicht ist klebrig, aus seinem Mund strömt – so meine ich zumindest – eine gehörige Putzmittelfahne. Erst auf den zweiten Blick sehe ich, dass der WC-Reiniger ja einen Sicherheitsverschluss hat. Aber der Entkalker, der nicht. Der hat eine Sprühvorrichtung. Und auf so was steht Juanito. Und klar hat mein kleiner Welteroberer damit gegen das Fenster, die Fliesen und das Lavabo gesprüht –  und gegen sich selber.

Oh Gott, ich versuche, mich an alles zu erinnern, was ich mal gelernt habe: Ruhe bewahren (leichter gesagt als getan), Gesicht mit klarem Wasser waschen, Mund spülen, Wasser zu trinken geben, Röte der Zunge kontrollieren. Alles okay, trotzdem bin ich froh, dass Pepe grad jetzt anruft, um Juanito wie gewohnt eine gute Nacht zu wünschen. Schnell weiss Pepe über das Unglück Bescheid, beruhigt, rät aber trotzdem, das Toxikologische Institut anzurufen – zur Beruhigung. Und schwups, gibt er die Nummer durch (044 251 51 51). Drei Töchter (Pepe hat schon früh Vaterpflichten wahrgenommen) scheinen auch hier Spuren hinterlassen zu haben. Aber ich zögere. Was werden die von mir denken? Bald zwanzig Uhr und ich müsste gestehen, dass mein zweijähriger Sohn mit Entkalker das Bad putzt statt im Bett Schäfchen zu zählen.

Ich rufe trotzdem an. Die ruhige, sympathische Frauenstimme am anderen Ende fragt, entwarnt, lobt sogar mein Vorgehen.

Lange noch sinne ich darüber nach, bin ehrlich gesagt auch ziemlich verblüfft. Innerhalb von knapp 30 Sekunden hat diese Frau es geschafft, einer ziemlich panischen Mutter einen Felsbrocken vom Herzen zu nehmen. Dafür hätte sie einen Orden verdient, zumindest aber grossen Dank.

Ja, und übrigens: Das Putzmittel steht mittlerweile so hoch, dass selbst ich aufs Klo klettern muss, um es in die Hände zu kriegen. Wer weiss schon, was meinem Minibergsteiger und Putzteufelchen sonst noch alles einfällt.

Letzte Aktualisierung: 11.08.2016, VZ