Schwan­ger­schafts­dia­be­tes

Fast jede zehn­te Schwan­ge­re hat ei­nen er­höh­ten Blut­zu­cker­wert. Was be­deu­tet das und was kann man da­ge­gen tun?

Schwangere misst sich den Blutzzucker
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Ein Schwan­ger­schafts­dia­be­tes, auch Ge­sta­ti­ons­dia­be­tes ge­nannt, tritt in der zwei­ten Hälf­te der Schwan­ger­schaft wahr­schein­lich bei 5 bis 10 Pro­zent al­ler Schwan­ge­ren auf und ge­hört da­mit zu den häu­figs­ten Kom­pli­ka­tio­nen.

So ent­steht ein Schwan­ger­schafts­dia­be­tes


Die ge­nau­en Ur­sa­chen ei­nes Schwan­ger­schafts­dia­be­tes sind nicht be­kannt. Ex­per­ten ge­hen aber da­von aus, dass Schwan­ge­re grund­sätz­li­che we­ni­ger sen­si­bel auf In­su­lin re­agie­ren. Nor­ma­ler­wei­se sorgt das Hor­mon In­su­lin näm­lich da­für, dass der Zu­cker in die Zel­len trans­por­tiert wird, wo er als En­er­gie ver­wer­tet wird. Fehlt In­su­lin oder der Kör­per re­agiert nicht dar­auf, bleibt der Zu­cker im Blut und ver­ur­sacht ei­nen An­stieg des Blut­zu­cker­spie­gels. 

Ab der 20. Schwan­ger­schafts­wo­che wer­den die Zel­len grund­sätz­lich un­emp­find­li­cher ge­gen In­su­lin. Zu­sätz­lich pro­du­ziert der Kör­per gros­se Men­gen an Ös­tro­gen, Pro­ges­te­ron, Kor­ti­sol, Pla­zen­tal­ak­to­gen und Pro­lak­tin. Die­se Hor­mo­ne sind un­ter an­de­rem da­für zu­stän­dig, dass der Kör­per der Schwan­ge­ren für die Ent­wick­lung und das Wachs­tum des Kin­des En­er­gie zur Ver­fü­gung stellt.

Nor­ma­ler­wei­se kann eine Schwan­ge­re ge­nug In­su­lin pro­du­zie­ren, um den Blut­zu­cker­spie­gel aus­ge­gli­chen zu hal­ten. Bei ei­nem Schwan­ger­schafts­dia­be­tes ent­wi­ckelt sich aber, ähn­lich wie bei ei­nem Typ II-Dia­be­tes, eine Re­sis­tenz ge­gen In­su­lin.

Schwan­ge­ren mit ei­nem er­höh­ten Dia­be­tes­ri­si­ko


Bei Frau­en mit fol­gen­den Vor­aus­set­zun­gen be­steht ein er­höh­tes Ri­si­ko, dass sie an ei­nem Schwan­ger­schafts­dia­be­tes er­kran­ken: 

  • Al­ter über 30 Jah­re

  • Fäl­le von Dia­be­tes mel­li­tus in der Fa­mi­lie (El­tern oder Ge­schwis­ter)

  • Über­ge­wicht (BMI > 25)

  • Ge­sta­ti­ons­dia­be­tes in ei­ner vor­aus­ge­gan­ge­nen Schwan­ger­schaft

  • Vor­an­ge­gan­ge­ne Ge­burt ei­nes Kin­des, das über 4000 Gramm ge­wo­gen hat.

  • Frau­en afri­ka­ni­scher, asia­ti­scher oder la­tein­ame­ri­ka­ni­scher Her­kunft

  • Wie­der­hol­te Fehl­ge­bur­ten 

War­um ist ein Dia­be­tes in der Schwan­ger­schaft so ge­fähr­lich?


Wenn ein Schwan­ger­schafts­dia­be­tes nicht gut ein­ge­stellt wird, be­steht Ge­fahr für das Kind und auch die Mut­ter. Ein kon­stant er­höh­ter Blut­zu­cker­wert der Mut­ter kann sich beim Kind so aus­wir­ken:

  • Ein be­reits zu Be­ginn der Schwan­ger­schaft er­höh­ter Blut­zu­cker kann schlimms­ten­falls zu an­ge­bo­re­nen Fehl­bil­dun­gen, zum Bei­spiel am Herz, füh­ren.

  • Es kommt häu­fi­ger zu Fehl- oder Früh­ge­bur­ten, un­ter an­de­rem we­gen ei­ner er­höh­ten Frucht­was­ser­men­ge, die ei­nen ver­früh­ten Bla­sen­sprung aus­lö­sen kann.

  • Die ver­mehr­te Zu­cker­zu­fuhr über die Na­bel­schnur löst beim Un­ge­bo­re­nen eine Über­funk­ti­on der Bauch­spei­chel­drü­se und da­mit ei­nen Über­schuss an In­su­lin aus, was zu ei­nem deut­li­chen Wachs­tums­schub führt. Dies ist des­halb be­denk­lich, weil Kin­der mit solch ei­ner Ma­kro­so­mie bei ei­ner va­gi­na­len Ge­burt Kom­pli­ka­tio­nen bis hin zum Ge­burts­still­stand aus­lö­sen kön­nen.  

  • Es kommt häu­fi­ger zu Atem­pro­ble­men nach der Ge­burt, da die Lun­gen trotz über­durch­schnitt­li­chen Grös­se und Ge­wicht nicht aus­ge­reift sind.

  • Ge­rin­nungs­stö­run­gen und er­höh­te Bi­li­ru­bin­wer­te kön­nen auf­tre­ten.

Für die Ent­bin­dung soll­ten sich wer­den­de Müt­ter mit Ge­sta­ti­ons­dia­be­tes (GDM) des­halb ein Spi­tal mit an­ge­schlos­se­ner Kin­der­kli­nik aus­su­chen. Ein gut ein­ge­stell­ter Schwan­ger­schafts­dia­be­tes mit ei­nem ge­schätz­ten Kinds­ge­wicht im Nor­mal­be­reich ist je­doch kein Grund für eine Ge­burts­ein­lei­tung oder ei­nen Kai­ser­schnitt.

Ein Schwan­ger­schafts­dia­be­tes ist nicht – wie dies bei Frau­en mit vor­be­stehen­dem Dia­be­tes mel­li­tus der Fall ist – mit ei­nem er­höh­ten Ri­si­ko für Neural­rohr­de­fek­te (of­fe­ner Rü­cken oder Spi­na bi­fi­da) ver­bun­den. Der Grund ist wahr­schein­lich, dass sich das Neural­rohr beim Em­bryo schon sehr früh schliesst und die Ent­ste­hung ei­ner Spi­na bi­fi­da da­von ab­hängt, wie lan­ge der Blut­zu­cker schon er­höht ist.

Auch für die Mut­ter ist ein nicht gut be­han­del­ter Schwan­ger­schafts­dia­be­tes ge­fähr­lich:

  • Die Ent­ste­hung ei­nes Blut­hoch­drucks wird be­güns­tigt.

  • Eine Eklamp­sie oder das HELLP-Syn­dorm sind bei Frau­en mit ei­nem Ge­sta­ti­ons­dia­be­tes häu­fi­ger.

  • Grös­se­re An­fäl­lig­keit für Harn­wegs­in­fek­te

  • Stark er­höh­ter Blut­zu­cker kann zu ei­nem hy­per­gly­kä­mi­schen Koma füh­ren.

Ei­nen Schwan­ger­schafts­dia­be­tes er­ken­nen


Bei Ih­rer ers­ten Schwan­ger­schafts­kon­trol­le wird der Nüch­tern­blut­zu­cker­wert be­stimmt. Er soll­te un­ter 5,1 mmol/L (un­ter 92 mg/dl) lie­gen. Aus­ser­dem wird über­prüft, ob Zu­cker (Glu­co­se) im Urin vor­han­den ist. Die Urin­un­ter­su­chung kann bei je­der wei­te­ren Vor­sor­ge­un­ter­su­chung wie­der­holt wer­den, al­ler­dings ist die­ser Test nach neue­ren Er­kennt­nis­sen nicht sehr aus­sa­ge­kräf­tig. Bei auf­fäl­li­gen Wer­ten wird der Ver­dacht dann durch wei­te­re Tests ab­ge­klärt. Auch wenn die Ul­tra­schall­un­ter­su­chung be­son­ders viel Frucht­was­ser oder ein sehr gros­ses Kind zeigt, muss ge­nau­er un­ter­sucht wer­den.

Seit 2009 wird von der Schwei­ze­ri­schen Ge­sell­schaft für Gy­nä­ko­lo­gie und Ge­burts­hil­fe (gy­né­co­lo­gie su­is­se) emp­foh­len, bei al­len Schwan­ge­ren in der 24. bis 28. Schwan­ger­schafts­wo­che ei­nen Zu­cker­be­las­tungs­test, ei­nen so­ge­nann­ten ora­len Glu­ko­se-To­le­ranz­test oGTT, durch­zu­füh­ren.

Als ers­tes wird der Nüch­tern Blut­zu­cker­wert ge­mes­sen, dann trinkt die Schwan­ge­re eine Zu­cker­lö­sung aus 250 bis 300 Mil­li­li­ter Was­ser mit 75 Gramm Glu­ko­se in­ner­halb von 5 Mi­nu­ten. Nach ei­ner und zwei Stun­den wird er­neut der Blut­zu­cker­wert be­stimmt. Die Grenz­wer­te zur Dia­gno­se eins Schwan­ger­schafts­dia­be­tes sind:

  • Nüch­tern Blut­zu­cker ≥ 5.1 mmol/L

  • Blut­zu­cker nach ei­ner Stun­de ≥ 10 mmol/L

  • Blut­zu­cker nach zwei Stun­den ≥ 8.5 mmol/L

Auch wenn nur ei­ner die­ser drei Wer­te die Kri­te­ri­en er­reicht, ge­nügt dies für die Dia­gno­se ei­nes Schwan­ger­schafts­dia­be­tes.

So wird ein Schwan­ger­schafts­dia­be­tes be­han­delt


Durch eine Er­näh­rungs­um­stel­lung kön­nen 85 Pro­zent der Fäl­le für län­ge­re Zeit sehr gut be­han­delt wer­den. Be­glei­tet wer­den Schwan­ge­re da­bei idea­ler­wei­se von ei­ner Dia­bets­be­ra­te­rin. Die­se wird Sie auch im Um­gang mit ei­nem Blut­zu­cker­mess­ge­rät schu­len, da­mit Sie Ih­ren Wert re­gel­mäs­sig über­prü­fen kön­nen.

Auch re­gel­mäs­si­ge Be­we­gung lässt die Kör­per­zel­len bes­ser auf das kör­per­ei­ge­ne In­su­lin an­spre­chen. Wenn Sie zum Bei­spiel täg­lich eine hal­be Stun­de zü­gig spa­zie­ren, kann sich dies be­reits po­si­tiv aus­wir­ken.

Erst wenn Diät und Be­we­gung kei­ne Wir­kung zei­gen, muss In­su­lin ge­spritzt wer­den. Das ist etwa bei ei­nem Vier­tel der Frau­en mit Ge­sta­ti­ons­dia­be­tes er­for­der­lich. So­bald die Ge­burt be­ginnt, also die We­hen ein­set­zen, muss das In­su­lin so­fort ab­ge­setzt wer­den. An­dern­falls kann es bei Mut­ter und Kind zu ei­ner schwe­ren Un­ter­zu­cke­rung kom­men.

Ora­le An­ti­dia­be­ti­ka (z.B. Met­formin) sind in der Schwan­ger­schaft erst seit Fe­bru­ar 2022 zu­ge­las­sen, aber nur für Frau­en mit Typ-2-Dia­be­tes-mel­li­tus, die das Me­di­ka­ment be­reits ein­neh­men und in der Schwan­ger­schaft wei­ter neh­men wol­len oder als Al­ter­na­ti­ve zum In­su­lin oder auch in Kom­bi­na­ti­on mit In­su­lin. Denn eine Met­formin-Mo­no­the­ra­pie reicht oft nicht - in 46 % der Fäl­le braucht die Schwan­ge­re nach drei Wo­chen zu­sätz­lich In­su­lin. Aus meh­re­ren Stu­di­en ist be­kannt, dass nach ei­ner Be­hand­lung mit Met­formin die Neu­ge­bo­re­nen im Durch­schnitt we­ni­ger Ge­wicht ha­ben.

Und was ist mit dem Dia­be­tes nach der Ge­burt?


Der Schwan­ger­schafts­dia­be­tes ver­schwin­det nor­ma­ler­wei­se schon kurz nach­dem die Pla­zen­ta aus­ge­stos­sen wird. Bei man­chen Frau­en bleibt die Stoff­wech­sel­stö­rung je­doch auch noch nach der Ge­burt be­stehen und bei 30 bis 50 Pro­zent al­ler Müt­ter kommt es in­ner­halb von fünf bis zehn Jah­ren nach der Ge­burt zu ei­nem ech­ten Dia­be­tes mel­li­tus vom Typ I oder II – in­ter­es­san­ter­wei­se häu­fi­ger nach der Ge­burt ei­nes Mäd­chens. 

Das le­bens­lan­ge Ri­si­ko von Dia­be­tes ist da­mit ins­ge­samt fast sie­ben Mal hö­her als bei Frau­en, die kei­nen Schwan­ger­schafts­dia­be­tes hat­ten. Fach­leu­te emp­feh­len des­halb Blut­zu­cker­kon­trol­len mit ei­nem ora­len Glu­ko­se­to­le­ranz­test im Wo­chen­bett, nach der Still­zeit und da­nach alle ein bis zwei Jah­re.

Frau­en, die an Schwan­ger­schafts­dia­be­tes er­kran­ken, ha­ben zu­dem laut ei­ner Stu­die des Mount Si­nai Hos­pi­tal und der Uni­ver­si­ty of To­ron­to in den fol­gen­den Jah­ren ein dop­pelt so ho­hes Ri­si­ko ei­ner Herz-Kreis­lauf-Er­kran­kung.     

FAQHäu­fi­ge Fra­gen zum The­ma

Wahr­schein­lich soll ein Zu­cker­be­las­tungs­test (ora­ler Glu­ko­se­to­le­ranz­test, oGTT) durch­ge­führt wer­den. Ihr Nüch­tern­blut­zu­cker wird zu­nächst be­stimmt. Die­ser Nüch­tern­zu­cker soll­te un­ter 5,1 mmol/l (92 mg/dl) lie­gen. Dann müs­sen Sie auf nüch­ter­nen Ma­gen (letz­te Mahl­zeit vor 22 Uhr) Zu­cker­was­ser (75g …
Nein, zu­nächst noch nicht. In der Schwan­ger­schaft funk­tio­nie­ren die Nie­ren et­was an­ders und hal­ten Zu­cker (Glu­ko­se) nicht mehr so gut zu­rück. Die so­ge­nann­te Schwan­ger­schafts-Glu­ko­surie fin­det man bei etwa ei­ner von sie­ben Schwan­ge­ren, ohne dass ein Schwan­ger­schafts­dia­be­tes vor­liegt. An­de­rer­seits …
Nach der Ge­burt wer­den Sie wahr­schein­lich zu­nächst ein­mal kei­ne Blut­zu­cker­pro­ble­me ha­ben. Trotz­dem soll­te man Ih­ren Blut­zu­cker­spie­gel ge­le­gent­lich kon­trol­lie­ren. Es ist in­zwi­schen er­wie­sen, dass etwa Hälf­te der Frau­en mit Ge­sta­ti­ons­dia­be­tes in­ner­halb von zehn Jah­ren ei­nen Typ-II-Dia­be­tes (den sog. …
Schwan­ge­re mit Ge­sta­ti­ons­dia­be­tes kön­nen oft schon mit ei­ner un­kom­pli­zier­ten Er­näh­rungs­um­stel­lung er­folg­reich be­han­delt wer­den. Was Sie bei der Diät be­ach­ten müs­sen, wird Ihr Frau­en­arzt, Ihre Frau­en­ärz­tin oder eine Di­ät­be­ra­te­rin/Er­näh­rungs­be­ra­te­rin ge­nau mit Ih­nen be­spre­chen. Die wich­tigs­te …

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Letzte Aktualisierung: 18.01.2023, BH / KM

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