Mein Spiegel


Spieglein, Spieglein an der Wand… Nein, nein, ich bin nicht die Schönste im ganzen Land! Wie auch? Zu schwabbelig der Bauch, zu gross die Nase, zu hängend die Schlupflieder. Eine Durchschnittsfrau halt, gut vierzig Jahre alt und den süchtig machenden Genüssen des Lebens nicht abgeneigt. Das hinterlässt Spuren. Und das finde ich eigentlich ganz okay, denn mein Leben macht meistens Spass!

Es ist also nicht der Spiegel im Bad, der mir jeden Morgen einen kalten Schauder über den Rücken jagt. Ich hatte ja jetzt schon viele Jahre Zeit, mich an diesen Anblick zu gewöhnen. Das Spieglein, das ich meine, heisst Goja, ist bald vier Jahre alt und nicht auf den Mund gefallen. Das hat er – wie so vieles – nicht gestohlen. Wobei Pepe sagt, dass Goja bestimmt nicht sein Mundwerk habe; er, Pepe, habe seines ja noch. (Das sagt er übrigens bei allen "schlechten" Eigenschaften, die seine Kinder aufweisen.)

Nun gut, Goja ist mein Spiegel und manchmal nehme ich mit Entsetzen zur Kenntnis, wie ich offenbar sein muss, wie ich – ich kanns nicht leugnen – bin!

Laut. Deutlich. Spontan. Grosszügig, oft auch naiv. Ungeduldig zuweilen. Lehrerhaft manchmal. Masslos. Geniesserisch. Chaotisch. Dann wieder sanft wie ein Lämmlein. Recht kreativ. Sprachgewandt. Aber die Sprache deftiger als die eines Holzfällers, die Manieren weit von denjenigen des edlen Schneewittchens entfernt.

Wenn Sohnemann zur Hochform aufläuft, tönt es zuweilen so, dass ich es hier gar nicht erst zu wiederholen getraue. Und oft schon habe ich völlig baff gefragt: „Wo um Gottes willen hat du das wieder gehört?“ Meist folgt die Antwort ohne Zögern: „Das hast du gesagt.“

Ich versuche mich dann zu erinnern. Und werde fündig. Sämtliche Rückansichten einschlägig bekannter Tiere entfallen mir nämlich beim Auto fahren. Auf der Strasse – so finde ich – verkehren lauter Leute, die einen wahnsinnig machen können. Sie fahren immer und überall 65, bremsen, bleiben stehen, blinken links – und biegen rechts ab. Oder sie halten mitten im Kreisel an und winken freundlich. Mann, das nervt! Und das sage ich auch, ohne daran zu denken, dass hinten ein aufmerksamer Passagier sitzt. Doch der hört mit. Und Tage später spricht er plötzlich von „dumme Chüeh, blöde Tussis u alte Lööline“ und was weiss ich noch allem.

Nun gut, ich gelobe, wie schon so oft, Besserung! Denn als ich Sohnemann kürzlich nach einer Debatte um Fernsehkonsum und Mittagessen verschmähen und frechen Sprüchen klopfen für eine Weile ins Zimmer wies, trottete er recht gelassen die Treppe hoch, summte wohl noch ein Liedchen dazu, ging ins Zimmer, schloss die Tür und sagte seufzend zu seinem Teddy: „Ach, die Frou trybt mi no i Wahnsinn!“

So kann es ja einfach nicht weitergehen! Darum, liebe Autofahrerinnen und Autofahrer, haltet euch gefälligst an die Verkehrsregeln!

Letzte Aktualisierung: 11.08.2016, VZ