Die sieben W


Es ist nun schon eine kleine Ewigkeit her, dass ich die ersten Gehversuche im Journalismus gemacht habe. Und bald, nach ersten kuriosen Selbstversuchen, hat man mir auf der Redaktion erläutert, mit welcher Hilfestellung ein Artikel am besten aufzubauen sei. Von den sieben W war die Rede, einige davon sind mir bis heute in Erinnerung geblieben: Wo? Wann? Was? Wer? Wie? Warum? Den letzten habe ich wohl vergessen.

Nun, es ist in der Tat so, dass sich mit Hilfe dieser Frageworte ein anständiger, aussagekräftiger Artikel schreiben lässt, dass eine Kürzestnachricht eigentlich nur von diesen Worten lebt: „LANGNAU: Gestern Vormittag kam es in der Emmentaler Gemeinde zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen einer Mutter und ihrem vierjährigen Sohn. Der Junge war der Ansicht, dass er unmittelbar vor dem Mittagessen ein Eis kriegen müsste. Die Mutter wehrte sich vehement, plädierte für eine gesunde, ausgewogene Ernährung und buxierte das tobende Kind schliesslich in ihr Auto.“

Heute, Jahre später also, beginne ich erst zu begreifen, wie kindlich Journalismus eigentlich ist. Nein, nicht kindisch! Das vielleicht manchmal auch. Aber vor allem kindlich. Denn seit Goja das Fragen entdeckt hat, gehen bei mir erst so richtig die Lichter an; ich begreife endlich, welche Fragen wirklich von Bedeutung sind.

Wo wohnt der Götti? Wann darf ich in die Spielgruppe? Was ist ein Planet? Wer hat meine Schokolade aufgegessen? Wie macht man Kerzen? Warum darf ich nicht fernsehen?

Ja, genau so tönt es bei uns. Von morgens bis abends, und selbst kurz vor dem Einschlafen wird die ganze Zimmereinrichtung ins Visier genommen: Wie macht man Vorhänge? Wie macht man Lampen? Wie macht man Türen? Und so weiter und so fort. Das ist ja alles ganz normal. Nur: Haben Sie sich schon mal überlegt, was Sie antworten würden, wenn Ihr Kind abends um zehn Uhr noch fragt: „Warum sind Heuschrecken grün?“

Ich gestehe: Ich bin schon aufgestanden, habe den Computer eingeschaltet und bei Google nachgeschaut. Denn das ist alleweil besser, als dem Kind die Lust aufs Fragen mit der Antwort „Ich weiss es nicht“ zu nehmen, als seine Neugier so im Keim zu ersticken.

Ja, Google sein Dank! Und schon sind wir wieder beim Journalismus: Neulich habe ich gelesen, dass es in den Zeitungen von Fehlern wimmelt, weil die Journalisten zu viele Infos aus dem Netz abschreiben. Infos, die womöglich mal falsch erfasst worden sind und seither ebenso falsch weitergegeben werden.

Ich hoffe bloss, dass die Antwort, warum Heuschrecken grün sind – sollte ich sie jemals finden – richtig sein wird. Denn Fachleute sagen: Falsche oder zu komplizierte Antworten sind fürs Kind ebenso schlecht wie ein ständiges, unengagiertes „Ich weiss es nicht!“

P.S. Falls jemand die Antwort mit den Heuschrecken kennt: Bitte melden!

Letzte Aktualisierung: 11.08.2016, VZ