Ohne Preis kein Fleiss?


„Geld für gute Noten!“ Die Schlagzeile, welche in den letzten Wochen die Runde machte, schlug ein wie eine Bombe. Da soll in einer Klasse im bernischen Wiedlisbach tatsächlich ein „Bonus-System“ für Schüler eingeführt werden. Freilich nur als Versuch. Aber schon alleine die Idee lässt vielen die Galle hochsteigen. Nicht zuletzt nach den unsäglichen Diskussionen rund um Top-Banker und ihren horrenden Boni.

Ist es wirklich so, dass der einzige Weg, Kinder zu fördern, über den Geldsäckel führen muss? Ich wollte das erst nicht wahrhaben. Und plötzlich wurde mir fast schmerzlich bewusst, dass „Belohnungen“ ein fester Bestandteil der Erziehung sind, nicht nur in der Tierdressur.

Wenn ich meinen Sohn so betrachte, so fällt mir auf, dass er schon ganz gut verhandeln kann; dass ich meine Erziehung nur zu oft an Versprechen knüpfe: „Wenn du jetzt die Zähne schön putzen tust, dann erzähle ich dir noch eine Geschichte.“ Oder: „Wenn du jetzt artig wartest, kriegst du nachher ein Traubenzucker.“ Und umgekehrt läuft die Sache dann so ab: „Goja, räumst du bitte deine Legos in den Korb?“ – „Ja, gut, aber kriege ich dann neue? Ich möchte unbedingt noch das Lego-Feuerwehrauto haben.“

So geht das oft, unser Haushalt gleicht zuweilen einem orientalischen Basar, da wird gehandelt und gefeilscht. Natürlich geht es nie um Geld. Dazu ist der Junge noch zu klein. Aber was ist, wenn er größer wird, zur Schule geht? Ich mag mir das gar nicht ausmalen.

Und plötzlich wird mir ganz mulmig. Wie war das, vor bald 30 Jahren? Wenn meine Eltern mir etwas befahlen. „Was gibst du mir, wenn ich es tue?“ Ja, das war in einem gewissen Alter meine Standartfrage. Meine Eltern, mit ihren zehn Kindern, mochten gar nicht darauf reagieren, wenn die Jüngste meinte, Leistung sei nur gegen Bezahlung zu erbringen. Sie ignorierten meine Einwände. Aber meine älteren Geschwister, schon viel vernünftiger, begannen irgendwann an Stelle meiner Eltern zu antworten: „Du kannst eine Ohrfeige haben.“ Und irgendwann begriff ich, dass das Leben so nicht funktionieren kann. Ohrfeige habe ich freilich nie gekriegt, aber auch kein Geld für gute Noten.

Die waren bei mir allerdings rar, sehr rar sogar. Und ich denke, dass ich in einem gewissen Alter einfach nicht in der Lage gewesen wäre, in der Schule zu brillieren. Das kam erst später, als ich den Sinn des Lernens erkannte. Wie froh bin ich, dass mich meine Eltern nicht mit einem „Lohnsystem“ zum Erfolg geprügelt haben. Nur so war es möglich, meine Kindheit in vollen Zügen zu geniessen.

Letzte Aktualisierung: 11.08.2016, VZ