Ach, du heilige Zeit!


Dezember-Kinder kennen das: Geburtstagsgratulanten, Nikolaus und Christkind drücken sich die Türklinke in die Hand und am Ende weiss man gar nicht mehr so recht, wo einem der Kopf steht. Aber wer im Dezember geboren ist, hat danach ein ganzes Jahr Flaute und ganz viel Zeit, um sich vom Stress zu erholen.

Juanito ist auch ein Dezember-Kind. Und so haben Pepe, seine drei Töchter, Juanito, seine Paten, ich und ein paar ältere Damen aus der Nachbarschaft am 3. Dezember ausgiebig gefeiert. Das erste Mal in seinem Leben realisierte Juanito Sinn und Zweck von Geschenken und wühlte alsbald wie eine Maus in all den farbigen Papieren und Kartons, klatschte, gluckste und rief begeistert: „goja“, was so viel heisst wie „ich“ oder „ich auch“.

Kaum war wieder etwas Ruhe eingekehrt und der Schokoladekuchen verdaut, hagelte es Klaussäcke. Und auf einmal wurde der sonst so vorlaute Bub für kurze Zeit leise, als er in der Stadt den bärtigen Mann erspähte. Erst daheim begann er sich über die Bescherung zu freuen und eine Weile befürchtete ich, dass der Kleine, der normalerweise ein guter Allesesser ist, gänzlich zum Schleckmaul mutieren könnte. Zumal ich mir einbildete, dass eine „anständige“ Mutter in der Adventszeit wenigstens einmal Guetzli zu backen hat. Und natürlich durfte Juanito, der sich immer mehr zu einem grossen Mond-Anbeter entwickelt, mit einem entsprechenden Förmli Teig ausstechen – und die Teigreste stibitzen.

Ja, so naschten wir uns durch die Adventszeit. Ich packte derweil die Geschenke für meine fünf Patenkinder ein und hatte meine Mühe, „Klein-Goja“ zu erklären, dass diese für andere Kinder bestimmt seien. Aber schliesslich standen Götti und Gotte erneut vor der Tür. Juanito konnte sein Glück kaum fassen.

Der eigentliche Weihnachtstag aber war der Höhepunkt: Juanito platze fast vor Vorfreude und Aufregung, bis Pepe seine Kinder und mich endlich in die Stube liess und wir die Geschenke auspacken und das Tannenbäumlein, welchem Pepe mit viel Liebe zu besonderem Glanz verholfen hatte, bewundern durften. Juanito, offenbar gegen jegliche Form von Stress in der heiligen Zeit gefeit, zeigte nicht den Hauch von Müdigkeit, fischte, als Pepe die Weihnachtsgeschichte vorlas, behände einen Prospekt aus dem Altpapier, setzte sich neben seinen Papi und trug uns mit monotoner Stimme seinen eigenen Text vor, sang beherzt mit, wühlte erneut in Geschenken und schlug sich das Bäuchlein abermals voll. Und immer wieder hörten wir sein neues Lieblingswort: „goja!“.

Tja, und ich hocke nun da, blicke auf einen „irren“ Dezember zurück. Denn, so ganz nebenbei sind wir kurz vor Weihnacht auch noch umgezogen. Und ich wünschte mir, ein Dezember-Kind zu sein. Dann wäre jetzt Flaute. Und das Chaos um mich herum nur ein böser Traum.

Letzte Aktualisierung: 11.08.2016, VZ