Die rosa Phase


Ich war als Kind ein richtiger „Rüedu“. Die Häuptlingsfeder von unserem Hahn, die ich jeweils auf dem Kopf trug, konnte nicht gross genug, der selber gebastelte Speer mit Nagelspitze nie lang genug sein. Und ich gebe es gleich zu. Als ich in Erwartung war, habe ich mir ganz heimlich einen Jungen gewünscht. Weil ich immer etwas Mühe hatte mit diesem rosa Prinzesschen-Püppchen-Getue kleiner Mädchen.

Tja, und nun? Nein, es hat bestimmt nichts damit zu tun, dass Goja statt Bürstenschnitt Hippielook trägt. Das rede ich mir jedenfalls ein. Aber beschäftigen tut mich die ganze Sache schon. Denn mein Sohn schwebt momentan auf einer rosa Wolke, taucht in rosa Gründe ab und benimmt sich zunehmend wie eine in rosa Tüll gehüllte Prinzessin. Ob das die Strafe ist für meine Buben-Wünsche während der Schwangerschaft?

So richtig aufgefallen ist mir Gojas Neigung aber erst, als ich mit ihm gemeinsam einen Wunschzettel für die anstehenden Feierlichkeiten kreiert habe. Da bei Goja Geburtstag und Weihnacht sehr nahe zusammenliegen, war ich der Ansicht, dass es sich lohnen würde, seine tausend Wünsche etwas zu sammeln und mit mütterlich-pädagogischem Gespür auch etwas zu lenken.

Aber oha Lätz, ich habe meine Rechnung ohne den Wirt, sprich den Sohn gemacht. Zielstrebig hat er aus vielen Spielzeugkatalogen seine Herzenswünsche herausgerissen, ich habe sie mit der Schere bearbeitet und schliesslich auf ein buntes Papier geklebt. Was ich als Endresultat in den Händen heilt, hat mich, gelinde gesagt, schockiert: Es war einmal mehr eine rosa Wolke. Ein rosarotes Puppenkleid, ein rosaroter Prinzessinnen-Töff, nicht ganz billig und ziemlich kitschig. Ein rosarotes Kajütenbett für Puppen, grad knapp noch akzeptabel. Den Hammer aber lieferte mein Kleiner, der ja überhaupt kein Badefan ist, mit dem letzten grossen Wunsch: Ein rosa Barbie-Wohnmobil mit Swimmingpool! Selbstverständlich mit entsprechend klapperdürrer Barbie im rosa Bikini.

Ich legte den Wunschzettel etwas zerknirscht zur Seite und hoffte, dass der Kleine alles bald wieder vergessen würde und hegte insgeheim die Absicht, dem Sohn heimlich ein Lottino, ein Leiterlispiel, einen Wasserfarbkasten oder ein Buch zu wünschen. Doch bald schon meldete sich sein Gotti an, um mit ihm und mir die Wünsche zu besprechen. Flugs holte der Bursche seinen Zettel aus der Verbannung hervor und redete massiv auf seine Gotte ein. Fazit: Das rosa Puppenbett wird wohl unumgänglich sein.

Weil ich keinen anderen Ausweg mehr sah, packte ich Goja sodann ein und fuhr mit ihm ins Spielzeuggeschäft und platzierte ihn ziemlich absichtlich vor Lastwagen, Mähdreschern und Kompanie. Natürlich sprang der Kleine an, natürlich will er jetzt auch einen Betonmischer, einen Mähdrescher, einen Kran und eine anständige Lok haben. Doch – und das kann nur Strafe sein: Zu oberst auf dem Geschenkberg soll Barbies rosarote Karosse stehen!

Pepe, der seinen vier Kindern grundsätzlich keinen Wunsch abschlagen kann, findet das alles ganz normal und ich ahne, dass er am 3. Dezember mit Barbie im Schlepptau bei uns aufkreuzen wird. Meine Befürchtung, Papa Pepe könnte Sohnemann schon wieder eine seiner geliebten Plastikknarren schenken, haben sich damit wohl zerschlagen. Stellt sich nur noch die Frage, welches das kleinere Übel ist: Eine badende, rosa Barbie-Tusse oder ein durchgeknallter Westernheld.

Letzte Aktualisierung: 11.08.2016, VZ