Berufswahl


Fragt man Kleinkinder nach ihren Berufswünschen, so heisst es meist „Tierärztin“ oder „Kranführer“. Das ist normal. Etwas krank ist es dagegen, wenn sich Eltern und Angehörige bereits bei einem Zweijährigen Gedanken über die künftige Karriere machen. Bei Juanito ist das so. Alles was er tut, wird kommentiert, als Berufswunsch ausgelegt: Er hilft gerne kochen, ergo wird er Koch. Aber er kann’s auch gut mit unseren Tieren, verabreicht dem Hund meisterlich die möglichsten und unmöglichsten Dinge – also vielleicht doch Tierarzt?

Juanitos prä-, voll- und postpubertierenden Schwestern dagegen befürchten, Juanito könnte, nach unserem Umzug aufs Land, Bauer werden. „Wäh!“, tönt es dann, zumal er neustens heiss auf Traktors und Motorsägen ist. Die Mädels sähen ihren kleinen Schatz aber lieber als Rapper oder Rocker. Apropos: Juanito mag Musik. Das wiederum lässt Pepe träumen, träumen davon, dass sein Söhnchen mal Musiker wird. Das gefiele mir auch. Aber über den Stil sind Pepe und ich uns nicht einig: „Er wird Jazzer oder Blueser“, sagt Pepe stolz und stellt sich vor, wie sein Filius morgens um vier Uhr in einem verrauchten Lokal noch mal so richtig loslegt. „Aber“, stichelt Pepe, „ich weiss wohl, dass du einen Kammermusiker heranziehen möchtest – damit er abends um zehn Uhr auch wirklich im Bett ist.“

Neulich, als ich mit Juanito unterwegs war und er ziemlich viel palaverte, trat ein älterer Herr zu uns und sagte: „Der wird mal Politiker – er redet viel und keiner hört zu.“ Aha! Nun ja, mein Kollege dagegen hat herausgefunden, dass Juanito jetzt, im Alter von 25 Monaten, bereits Sätze mit drei Wörtern bildet. „Wenn ich das richtig sehe“, sagt der Kollege, der Pädagoge ist, „reicht das wohl aus, um die Matura zu machen.“ Ich bin ziemlich baff. Aber der andere lässt nicht locker: „Klar, du willst mir jetzt entgegnen, dass dein Sohn mal das tun kann, worauf er Lust hat. Klar, dir wird es bestimmt egal sein, ob er Arzt oder Physiker wird.“

So ein Schwachsinn! Juanito soll wirklich mal selber entscheiden, ohne Druck, ohne Dünkel! Wobei, neulich, als der Fernseher lief, geriet ich in leichte Panik. Juanito, der ansonsten ausser Pingu nichts wahrnimmt, was aus der Röhre kommt, liess sich ob der Übertragung eines Skispringens völlig faszinieren. Eine halbe Stunde quengelte er, befahl, sofort Skier zu kaufen und kletterte schliesslich auf die Truhe, streckte die Arme nach hinten und sprang. Autsch! Aber er weinte nicht. Er stand vor den Fernseher, zeigte auf die Helme seiner Helden und erklärte: „Nid aua!“

Darf Juanito mal wirklich machen, was er will? Grad zweifle ich, denn was, wenn diese Begeisterung anhalten sollte? Würde ich wirklich gutheissen, wenn Juanito zum untergewichtigen Skispringerbürschchen mutieren würde? – Eher nicht. Darum besuche ich bald einen Fussballmatch mit ihm – wenn schon Sportler, dann Profikicker. Das wäre lukrativer – und anständig essen dürfte er auch!

Letzte Aktualisierung: 11.08.2016, VZ