Höchs­te Zeit, schul­reif zu wer­den

Vater und Kinder malen
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Der Herbst hat Ein­zug ge­hal­ten und die Kin­der, die im Som­mer ih­ren ers­ten Kin­der­gar­ten- oder Schul­tag hat­ten, ha­ben nun zum ers­ten Mal Schul­fe­ri­en. Die meis­ten dürf­ten nu­del­fer­tig sein, aber ver­mut­lich auch ziem­lich glück­lich, denn nach den ers­ten Start­schwie­rig­kei­ten ha­ben sich die Kin­der an den neu­en All­tags­rhyth­mus ge­wöhnt. Zeit also, sich Ge­dan­ken zu ma­chen, wie es denn um die Schul­rei­fe von Mama und Papa steht. Ja­wohl, das ist ge­nau so ge­meint, wie es da steht, denn es sind bei­lei­be nicht nur die Kin­der, die ler­nen müs­sen, sich in ei­ner neu­en Welt zu­recht­zu­fin­den. Fällt es Ih­nen noch schwer, Ihr Kind je­den Mor­gen zie­hen zu las­sen? Dann nut­zen Sie doch die Herbst­fe­ri­en, um täg­lich die fol­gen­den Übun­gen zu ma­chen:

Ge­nies­sen Sie den Au­gen­blick

Las­sen Sie die ver­gan­ge­nen Wo­chen noch ein­mal Re­vue pas­sie­ren. Was hat Ihr Kind al­les an Schö­nem er­lebt? Hat es viel­leicht schon Fort­schrit­te ge­macht? Neue Freun­de ge­fun­den? Span­nen­de Ent­de­ckun­gen ge­macht? Freu­en Sie sich über die klei­nen Din­ge und ver­ges­sen Sie für ein­mal das Stu­di­um an der ETH, das Aus­land­se­mes­ter in Har­vard und den tol­len Chef­pos­ten, den Sie für Ihr Kind vor­ge­se­hen ha­ben. Das al­les kommt dann noch früh ge­nug. 

Üben Sie sich in Ge­duld

Manch­mal fällt es ja wirk­lich schwer, sich vor­zu­stel­len, wie das Kind sei­nen Weg vom Sing­spiel im Kreis in den Hör­saal der Uni fin­den kann. Wie das im­pro­vi­sier­te Rol­len­spiel im spä­te­ren Be­rufs­le­ben eine Rol­le spie­len soll. Wie aus die­sen wa­cke­li­gen Buch­sta­ben je der Best­sel­ler, der die Welt be­wegt, ent­steht. Sei­en Sie nicht so un­ge­dul­dig! Sie wis­sen doch, dass wah­re Grös­se Zeit braucht, um sich zu ent­fal­ten. Bei Ih­nen war das ja auch nicht an­ders und Sie wol­len mir doch nicht weis­ma­chen, Sie hät­ten im Kin­der­gar­ten schon Dif­fe­ren­ti­al­glei­chun­gen ge­löst.

Be­zwin­gen Sie den gros­sen Dra­chen

Es ist tat­säch­lich un­fair: Sie schen­ken ei­nem klei­nen Men­schen das Le­ben, sind über Jah­re sein ein und al­les und plötz­lich nimmt je­mand an­ders die zen­tra­le Rol­le in sei­nem Le­ben ein. Es soll so­gar Kin­der ge­ben, die ih­rer Mama ei­nes Ta­ges ganz un­ver­blümt ins Ge­sicht sa­gen, die Kin­der­gärt­ne­rin sei viel hüb­scher, net­ter und all­wis­sen­der als sie. Da kom­men na­tür­lich schnell ein­mal ne­ga­ti­ve Ge­füh­le auf, die Leh­re­rin kommt ei­nem vor wie der alte, böse Dra­che, der das un­schul­di­ge Kind­chen in sei­nen Kral­len hält. Be­zwin­gen Sie die­sen Dra­chen, in­dem Sie sich je­des Mal, wenn Sie an ihn den­ken, im De­tail aus­ma­len, wie er sein Le­ben lebt. Wie er sei­ne Ein­käu­fe tä­tigt, wie er sich - falls er wel­che hat - um sei­ne Kin­der küm­mert, Lek­tio­nen vor­be­rei­tet und sei­ne Woh­nung putzt. Ma­chen Sie die­se Übung so lan­ge, bis Sie er­kannt ha­ben, dass die Leh­re­rin auch nur ein Mensch ist, vor dem man sich nicht zu fürch­ten braucht. Viel­leicht ver­hilft Ih­nen die­se Übung gar dazu, den Mut auf­zu­brin­gen, um den gros­sen Dra­chen nach den Fe­ri­en bei ei­nem Schul­be­such von An­ge­sicht zu An­ge­sicht ken­nen zu ler­nen und mit ihm ei­ni­ge net­te Wor­te zu wech­seln. 

Be­zwin­gen Sie den klei­nen Dra­chen

Wenn es Ih­nen ge­lun­gen ist, den gros­sen Dra­chen zu be­zwin­gen, ist der klei­ne Dra­che dran. Die­se fie­se Ner­ven­sä­ge, die Ih­rem Au­gen­stern tag­täg­lich das Le­ben schwer macht. Auch hier hilft es, sich erst ein­mal zu sa­gen, dass auch der klei­ne Dra­che nur ein Mensch ist. Auch wenn es Ih­nen un­ge­mein schwer fällt, ma­len Sie sich aus, wie sehr sich sei­ne El­tern über die An­kunft die­ses klei­nen Mons­ters ge­freut ha­ben, wie zart und un­schul­dig es war, als es noch nicht in der Lage war, Ih­rem Spröss­ling die wüs­tes­ten Be­lei­di­gun­gen an den Kopf zu wer­fen. Wenn Sie es ge­schafft ha­ben, den klei­nen Dra­chen auf sei­ne rea­le, mensch­li­che Grös­se zu schrump­fen, wird es Zeit für den nächs­ten Schritt: La­den Sie ihn zum Spie­len ein. Im bes­ten Fall spie­len die Kin­der wun­der­bar mit­ein­an­der und Sie er­ken­nen, dass das Gspän­li gar nicht so schlimm ist, wie sie ge­dacht hat­ten. Im zweit­bes­ten Fall geigt es zwar wirk­lich nicht zwi­schen den Kin­dern, aber Sie ha­ben im­mer­hin Ge­le­gen­heit, den Gast auf sein Ver­hal­ten an­zu­spre­chen. Im schlimms­ten und für Sie schmerz­haf­ten Fall wer­den Sie fest­stel­len, dass Ihr Au­gen­stern durch­aus sei­nen Bei­trag zum Kon­flikt leis­tet und sie wer­den da­mit le­ben müs­sen, dass auch Ihr Kind kein En­gel ist. 

Üben Sie sich dar­in, den Mund zu hal­ten

Ihr Kind kann schon so viel und doch ist das Re­sul­tat sei­ner Ar­beit sel­ten per­fekt. Da wird man ja wohl ein we­nig nach­bes­sern dür­fen, nicht wahr? Nein, darf man eben nicht, denn so­lan­ge das Kind sein Bes­tes gibt, ist das längst gut ge­nug. Las­sen Sie also Ih­ren Nach­wuchs wäh­rend der Fe­ri­en nach Her­zens­lust bas­teln, zeich­nen, schrei­ben, schnei­den, ba­cken, kle­ben und kne­ten und üben Sie sich dar­in, es nicht an­dau­ernd zu kor­ri­gie­ren und hel­fend ein­zu­grei­fen. In der Schu­le in­ter­es­siert es näm­lich kei­nen, wie gut die Mama oder der Papa das al­les könn­te, die wol­len nur wis­sen, wie das Kind vor­an­kommt.  

Ler­nen Sie den Schul­weg ken­nen

Er­in­nern Sie sich noch dar­an, wie Sie vor den Som­mer­fe­ri­en mit Ih­rem Kind den Weg zur Schu­le oder zum Kin­der­gar­ten ge­übt ha­ben? Ge­nau die­se Übung ma­chen Sie jetzt noch ein­mal, dies­mal ein­fach un­ter an­de­ren Vor­zei­chen. Las­sen Sie sich von Ih­rem Kind zei­gen, wie gut es in der Lage ist, die Ge­fah­ren zu meis­tern. Hö­ren Sie zu, wie es Ih­nen er­klärt, was es vom Be­such des Ver­kehrs­in­struk­tors al­les in Er­in­ne­rung be­hal­ten hat. Stau­nen Sie, wie meis­ter­haft es das Ge­lern­te um­set­zen kann. Ge­hen Sie je­den Tag ein Stück we­ni­ger weit mit, bis Sie es schaf­fen, Ih­rem Kind be­reits am Gar­ten­tor Tschüss zu sa­gen. Sie krie­gen das hin, auch wenn es sich jetzt noch un­vor­stell­bar an­hört. 

Be­rei­ten Sie sich auf den La­ter­nen­um­zug vor

Schon bald nach den Herbst­fe­ri­en wird die Ein­la­dung zu die­sem An­lass kom­men und das ver­un­si­chert Sie na­tür­lich. Un­men­gen von Kin­dern, Dun­kel­heit, Käl­te? Kann das gut ge­hen? Wer­den Sie Ih­ren Schatz je wie­der fin­den? Um den La­ter­nen­um­zug un­be­scha­det zu über­ste­hen, ma­chen Sie sich be­reits jetzt da­mit ver­traut, wie leicht sich ein Kind in im Auge be­hal­ten lässt, wenn es eine leuch­ten­de La­ter­ne mit sich trägt. Kau­fen Sie ihm ei­nen bil­li­gen Lam­pi­on und ma­chen Sie je­den Abend nach dem Ein­dun­keln ge­mein­sam ei­nen kur­zen Spa­zier­gang. Ver­grös­sern Sie je­den Abend die Di­stanz zwi­schen sich und dem Kind und stau­nen Sie, wie weit die La­ter­ne sicht­bar bleibt. Auf die­se Wei­se trai­niert wer­den Sie es nicht nö­tig ha­ben, sich am Um­zug an die Fer­sen der Kin­der zu hef­ten und da­durch das wun­der­schö­ne Bild der sich durch die Dun­kel­heit schlän­geln­den Lich­ter emp­find­lich zu stö­ren. Sie wer­den sich ganz cool mer­ken, ob Ihr Kind ei­nen Flie­gen­pilz, ein Igel­chen oder ein Po­ké­mon ge­bas­telt hat und es dann sou­ve­rän wie­der beim Schul­haus in Emp­fang neh­men, wenn Sie die Grup­pe mit den ent­spre­chen­den La­ter­nen im Ge­tüm­mel aus­fin­dig ge­macht ha­ben. 

Las­sen Sie bloss das Gras in Ruhe 

Wie oft muss man es Ih­nen denn noch sa­gen? Das Gras wächst wirk­lich nicht schnel­ler, wenn man dar­an zieht. Erst wenn Ihr Kind reif ist für ei­nen Schritt, wird es die­sen auch si­cher und zu­ver­sicht­lich ge­hen kön­nen. Also gön­nen Sie sich und Ih­rem Kind die schul­freie Zeit und kom­men Sie bloss nicht auf die Idee, mit ihm zwi­schen­durch ein we­nig zu pau­ken, da­mit es nach den Herbst­fe­ri­en bes­ser mit­kommt. 

Fan­gen Sie an, zu träu­men

Klar, die gros­se Frei­heit ist es noch nicht, aber im­mer­hin ha­ben Sie schon wie­der ein paar Stun­den, die ganz Ih­nen al­lei­ne ge­hö­ren. Ma­len Sie sich aus, was Sie in die­sen Stun­den al­les an­stel­len könn­ten und freun­den Sie sich all­mäh­lich mit dem Ge­dan­ken an, dass Sie nicht mehr rund um die Uhr die ein­zi­ge wich­ti­ge Be­zugs­per­son für Ihr Kind sind. Es gibt ein Le­ben nach der Klein­kind­pha­se und auch das kann ganz schön sein. 

Letzte Aktualisierung: 03.10.2016, TV