Vorgeburtliche Untersuchungen des Kindes (Pränataldiagnostik)

Informationsblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (gynécologie suisse) für Schwangere

Schwangere beim Arztgespräch
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Wir freuen uns, dass Sie schwanger sind und von unserem Team betreut werden möchten. Sie müssen im Laufe der Schwangerschaft einige wichtige Entscheidungen treffen, bei denen wir Sie gerne unterstützen und die nötigen Informationen zur Verfügung stellen möchten. Zu entscheiden ist beispielsweise, ob und welche vorgeburtlichen Untersuchungen und welche Impfungen durchgeführt werden sollen, oder wo und wie die Geburt stattfinden soll. Bereits der Ultraschall stellt eine vorgeburtliche Untersuchung des Kindes dar; zudem stehen heute verschiedene Untersuchungen im Blut der Mutter sowie Untersuchungen von Fruchtwasser bzw. Mutterkuchen des ungeborenen Kindes zur Verfügung.

Information und Recht auf Nichtwissen


Um wirklich frei und in Kenntnis der wichtigen Punkte entscheiden zu können, sollten Sie sich umfassend informieren. Dafür stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung; zusätzlich können Sie auch die unabhängige Informations- und Beratungsstelle Ihres Wohnsitzkantons zu Rate ziehen. Natürlich können Sie nach erfolgter Aufklärung sämtliche vorgeburtlichen Untersuchungen des Kindes ablehnen, denn Sie haben das „Recht auf Nicht-Wissen“ – sei es ganz auf Untersuchungen zu verzichten, sei es nur einen Teil der technisch möglichen Analysen durchzuführen. Sie haben sogar das Recht, das Resultat einer schon durchgeführten Untersuchung nicht zu erfahren.

Zweck und Aussagekraft der Untersuchungen


Vor jeder vorgeburtlichen Untersuchung werden Sie über deren Zweck und Aussagekraft informiert, ebenso über die Möglichkeit von Folgemassnahmen (wie z.B. Fruchtwasserpunktion). Für solche Folgemassnahmen wäre in jedem Fall eine erneute Aufklärung und schriftliche Einwilligung von Ihnen nötig. Wichtig zu wissen ist, dass keine vorgeburtliche Untersuchung Ihnen ein gesundes Kind garantieren kann. Für sämtliche Untersuchungen des kindlichen Erbgutes ist von Gesetzes wegen Ihre schriftliche Zustimmung nötig. Die Übernahme der Kosten durch Ihre Grund- oder Zusatzversicherung, sowohl für die Untersuchung als auch für mögliche Folgemassnahmen, muss ebenfalls besprochen werden.

Unerwartete Ergebnisse


Häufigkeit und Art der untersuchten kindlichen Störungen hängen zumeist von Ihrem Alter und von Ihrer Vorgeschichte ab. In jedem Fall muss aber damit gerechnet werden, dass unerwartete und unerwünschte Ergebnisse auftreten, die mit physischen und psychischen Belastungen einhergehen. Es ist gesetzlich verboten, Eigenschaften zu untersuchen, die keinen Zusammenhang mit der Gesundheit des ungeborenen Kindes haben.

Konsequenzen für das ungeborene Kind


Bei der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle macht die Natur häufig Fehler, welche zu einer fehlerhaften Anlage des Erbmaterials (Chromosomen) führen. Die Häufigkeit dieser Fehler hängt stark vom Alter der Mutter ab. Wird eine fehlerhafte Anlage wie z.B. die Trisomie 21 (Down-Syndrom) festgestellt, so verfügen wir derzeit über keine Mittel zur effektiven Behandlung; die Untersuchung dient also nicht dazu, Ihrem ungeborenen Kind zu helfen. Bei anderen Problemen des ungeborenen Kindes, wie gewissen behandelbaren Fehlbildungen, ist es hingegen von entscheidender Wichtigkeit, dass das Problem schon früh erkannt wird, um bereits während der Schwangerschaft therapeutische Massnahmen zu ergreifen und/oder die Geburt entsprechend zu planen.

Bedenkzeit und Widerruf


Nach erfolgter Aufklärung steht Ihnen eine angemessene Bedenkzeit zu, bevor Sie entscheiden, ob eine vorgeburtliche Untersuchung durchgeführt wird. Auch wenn Sie einer vorgeburtlichen Untersuchung des Kindes schon zugestimmt haben, können Sie Ihre Zustimmung jederzeit widerrufen.

Abbruch der Schwangerschaft und Alternativen


Bei auffälligen Ergebnissen ist in jedem Fall eine erneute Beratung über die Bedeutung der festgestellten Störung und über mögliche Massnahmen zur Vorbeugung und Behandlung angezeigt, allenfalls unter Beizug von weiteren Fachpersonen. Falls eine schwerwiegende unheilbare Störung festgestellt wird, werden Sie vielleicht über einen Abbruch der Schwangerschaft nachdenken. Sie haben ein Anrecht darauf, über Möglichkeiten des Schwangerschaftsabbruchs und über Alternativen dazu beraten sowie auf Vereinigungen von Eltern behinderter Kinder und auf Selbsthilfegruppen hingewiesen zu werden.

Freie Entscheidung


Jegliche Beratung muss gemäss Gesetz nicht-direktiv sein, d.h. Sie werden nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt oder in Ihrem freien Entschluss beeinflusst. Die Beratung richtet sich nach Ihren individuellen und familiären Bedürfnissen. Ihr Ehegatte/Partner soll nach Möglichkeit - und nur mit Ihrem Einverständnis - in die vorgeburtliche Beratung mit einbezogen werden.

Alle diese Informationen sollen Ihnen die Freude an Ihrer Schwangerschaft auf keinen Fall nehmen! Bedenken Sie, dass die allermeisten Kinder völlig gesund zur Welt kommen. Wir freuen uns darauf, Sie durch diese spannende Phase zu begleiten.

Ihre Frauenärztin/Ihr Frauenarzt

Dieses Informationsblatt wurde erstellt durch die Kommission Qualitätssicherung der gynécologie suisse / Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und entspricht den aktuellen Empfehlungen zum Zeitpunkt der Erstellung.
Bern, 12. Juli 2017

Letzte Aktualisierung: 23.04.2020, BH