Geburtshäuser in der Schweiz

Interview mit Franziska Zumbrunn

Hebamme betreut die Schwangere

swissmom: Was genau kann man sich unter einem „Geburtshaus“ vorstellen?

Franziska Zumbrunn: Ein Geburtshaus ist eine Institution die von Hebammen gegründet und geleitet wird. Es werden Frauen und Paare von Anfang der Schwangerschaft an bis zur Stillzeit begleitet. Die Angebote sind sehr breit angelegt und gehen von Beratungen vor der Schwangerschaft, Schwangerschaftskontrollen, Geburtsvorbereitungskurse, Geburtshausgeburten, Hausgeburten, Wochenbett- und Stillberatungen bis hin zur Nachkontrolle, Rückbildungskursen und vielen weiteren Angeboten. Es gibt Geburtshäuser die ambulante Betreuungen anbieten und solche die stationäre und ambulante Betreuungen anbieten. Bei einer ambulanten Geburt gehen die Familien nach ca. 6h nach hause und werden da von einer Hebamme weiter betreut. Bei einer stationären Geburt haben die Familien die Möglichkeit bis zu fünf Tage im Geburtshaus zu verbringen. Geburtshäuser gibt es schon seit rund 100 Jahren. Sie werden ständig erweitert und ausgebaut, sowie den aktuellsten Standards angepasst. 

Zur Person

Interview mit Franziska Zumbrunn, Dipl. Hebamme HF seit 1996. Zwei Jahre in einem Kantonsspital tätig. Freiberuflich tätig seit 1999 in einem Geburtshaus und bei Hausgeburten. Gründung und Leitung des eigenen Geburtshauses ambra in Wittinsburg BL seit 2004. Aktuell im Masterstudium Salutophysiologie für Hebammen. In einer Partnerschaft lebend. Fünf Kinder zwischen 16 und drei Jahren.

swissmom: Wie viele Geburtshäuser gibt es denn in der Schweiz? 

Franziska Zumbrunn: Aktuell sind 19 Geburtshäuser der IGGH-CH (Interessengemeinschaft der Geburtshäuser der Schweiz) angeschlossen. Es gibt jedoch noch einige wenige kleine Häuser mehr.

swissmom: Und wie findet man am besten eines in der Nähe?

Franziska Zumbrunn: Einerseits gibt es die IGGH als Seite im Internet unter www.geburtshaus.ch. Dort finden sich die Geburtshäuser nach Kantonen angeordnet. Dazu gilt jedoch zu sagen, dass auch ausserkantonal wohnende Frauen in einem anderen Kanton gebären dürfen. Wir haben immer wieder Frauen aus verschiedenen Kantonen sowie aus dem Ausland, die sich unser Haus aussuchen. Andererseits ist die ‚Mund-zu-Mund’ Werbung ein sehr wichtiger Faktor. Wenn jemand sich gut betreut fühlte, gibt man diese Erfahrung auch gerne an andere weiter.

swissmom: In welcher Schwangerschaftswoche beginnt die Betreuung der Schwangeren im Geburtshaus? Und deckt Sie auch das Wochenbett nach der Geburt ab?

Franziska Zumbrunn:  Die Häuser bieten sehr unterschiedliche Dienstleistungen an. Bei uns steht schon das Angebot, sich vor der Schwangerschaft zu informieren, zur Verfügung und die werdenden Eltern können die Schwangerschaftskontrollen von Beginn bis Ende Schwangerschaft bei uns machen. Einige Häuser bieten die Kontrollen erst zu einem späteren Zeitpunkt an. Im Wochenbett besuchen die Hebammen die Wöchnerin und das Neugeborene die ersten zehn Tage. Auch drei Stillberatungen gehören zum Angebot. Diese Betreuung ist durch die Krankenkasse in der Grundversicherung gedeckt. Weitere Besuche bei medizinischen Indikationen können auch angeboten werden.

swissmom: Kann jede Schwangere sich für die Geburt in ein Geburtshaus begeben?

Franziska Zumbrunn: Frauen können im Geburtshaus gebären, wenn das Baby in einer Schädellage liegt, es eine Einlingsschwangerschaft ist und das Baby nicht zu früh kommt. Des Weiteren sollte die Schwangere grundsätzlich gesund sein. Nicht jedes Geburtshaus hat den gleichen Aufnahmekatalog. Es lohnt sich, bei den einzelnen Häusern nachzufragen, um das passende Angebot zu finden.

swissmom: Wie läuft eine Geburt in einem Geburtshaus normalerweise ab? Und wer ist alles anwesend?

Franziska Zumbrunn: Eine Geburt im Geburtshaus verläuft grundsätzlich physiologisch. Das heisst sie verläuft ohne Interventionen. Es stehen der Gebärenden verschiedenste Möglichkeiten zur Verfügung, Wehen zu verarbeiten. Die Hebammen haben ein grosses Fachwissen und bieten alternative Unterstützung an. Nebst dem gibt es die Möglichkeit der medikamentösen Unterstützung, falls nötig. Anwesend sind die werdenden Eltern, die betreuende Hebamme, in den meisten Häusern eine zweite Hebamme im Hintergrund. Auch sind ältere Geschwister oder Freunde der Eltern (falls gewünscht) willkommen. In einigen Häusern kann auch ein Arzt zur Geburt dazu gerufen werden. Dies ist jedoch nur in seltenen Situationen nötig.

swissmom: Welche Möglichkeiten zur Schmerzregulierung stehen im Geburtshaus zur Verfügung?

Franziska Zumbrunn: Unsere Erfahrung zeigt, dass eine kontinuierliche Betreuung durch die Hebamme, welche das Vertrauen in der Schwangerschaft schon aufgebaut hat, die beste Unterstützung bietet. Natürlich besteht das Angebot auch aus: Akupunktur, Homöopathie, Aromatherapie, Schüsslersalze, Massagen, Wickel und Bäder. Auch können wir auf  schulmedizinische  Medikamente zurückgreifen.

swissmom: Was wird gemacht, wenn während der Geburt unvorhergesehene Komplikationen auftreten?

Franziska Zumbrunn: Grundsätzlich kündigen sich Komplikationen durch Vorboten an. Wenn eine dieser Komplikationen eintritt, wird die Frau umgehend in ein Spital eingewiesen. Nach der Behandlung im Spital, kann die Wöchnerin zu uns ins stationäre Wochenbett zurückkehren, und sich erholen (Nicht in allen Häusern möglich).

swissmom: Werden die Kosten, welche vor, während und nach der Geburt im Geburtshaus entstehen, von der Grundversicherung abgedeckt?

Franziska Zumbrunn: Die stationäre Leistung wird in vielen Geburtshäusern von Krankenkassen und Kanton bezahlt. Im Geburtshaus ambra ist dies seit 2012 der Fall. Das heisst das Geburtshaus ist auf der kantonalen Spitalliste. Somit haben wir den definitiven Leistungsauftrag. Die ambulanten Leistungen werden von den Krankenkassen aus der Grundversicherung bezahlt. Diese Leistungen beinhalten Schwangerschaftskontrollen, diverse Blutentnahmen und Abstriche, Herztonkontrollen, diverse Medikamente, Geburtsleistungen, das ambulante Wochenbett, die Nachkontrolle und Stillberatungen. 

Letzte Aktualisierung: 31.10.2019, CH