Vater werden

Interview mit René Schütz

Vater und Baby krabbeln aufeinander zu
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swissmom: Viele Schwangere besuchen Kurse, die werdenden Väter begleiten Sie ein- bis zweimal dorthin. Dabei ändert sich das Leben eines werdenden Vaters auch sehr. Wie sind Sie auf die gute Idee gekommen, einen Kurs für werdende Väter (www.vaterwerden.ch) anzubieten?

René Schütz: Durch meine eigenen zweifachen Erfahrungen als werdender Vater und viele Gespräche mit anderen Vätern wurde mir klar, dass Männer normalerweise jeder für sich, typisch einzelkämpferisch, Vater werden. Ich wollte eine Art Forum kreieren, das es ermöglicht, dass sich unterschiedlichste Männer mit dem gemeinsamen Plan, Vater zu werden, treffen, kennenlernen und austauschen können.
Ausserdem sind wir Männer Meister im Verdrängen: Wir wissen zwar rationell, dass wir bald Vater werden, aber die allermeisten Männer unternehmen erst mal nichts, lesen kaum ein Buch zum Thema. Hier wollte ich ansetzen: Wir Männer besuchen heutzutage Kochkurse und alle möglichen Weiterbildungen. Ausgerechnet diesen wichtigen Schritt ins Vatersein machten die meisten Männer bis anhin völlig unvorbereitet: Auf einmal ist das Baby da und der frischgebackene Vater ist heillos überfordert und der Mutter im Wochenbett kaum eine grosse Hilfe. Sich als Mann aktiv auf seine neue Rolle als Vater vorzubereiten, schafft erst die nötigen Voraussetzungen, ein egalitärer Elternteil zu werden.

Zur Person

René Schütz

René Schütz ist 1969 geboren. Seit zwei Jahren lebt er in Zürich, vorher Bern. Er ist Vater von zwei Kindern. Seine Berufe sind: Lehrer, Hortleiter und Hausmann.

swissmom: Während der Bauchumfang einer Schwangeren zunimmt, sieht man einem werdenden Vater nichts an. Mental ändert sich jedoch für den zukünftigen Familienvater viel. Was beschäftigt werdende Väter?

René Schütz: ‚Schwangere‘ Männer haben mit einem grossen Paket von Erwartungen und Verantwortungen umzugehen. Unsicherheiten und Glücksgefühle wechseln sich ab und sorgen für Verwirrung. Plötzlich ist man(n) mit einem Katalog von grossen Fragen konfrontiert, die übermächtig zu werden scheinen:  

  • Bin ich der riesigen Verantwortung gewachsen?

  • Bin ich erwachsen genug, um Vater zu werden?

  • Wird sich nun mein ganzes Leben verändern?

  • Kann ich dem Kind genügend Sicherheiten bieten?

  • Wie wird sich die Beziehung zu meiner Partnerin verändern?

  • Werde ich ein guter Vater sein?

swissmom: Sie haben Ihre Kurse in vier Hauptbereiche aufgeteilt. Der erste Block behandelt den Rollenwechsel vom Mann zum Vater. Viele junge Väter nehmen sich vor, eine aktive Rolle als Vater inne zu haben. Was können Sie den Männern für Tipps geben?

René Schütz: Grob zusammengefasst auf den Punkt gebracht: Je mehr Zeit man(n) sich für den Säugling nimmt, desto tiefer wird die Beziehung zum Kind werden. Ich möchte, dass sich Männer auf ihr Baby einlassen. Erst durch gelebte Verwandtschaft kann das "fremde Wesen Baby" zum vertrauten eigenen werden. Dies ist für viele schwierig, da dafür im traditionellen Rollenverständnis des Mannes kein Platz ist. Meines Erachtens können wir Männer genau da einen wichtigen emanzipatorischen Schritt machen!

swissmom: Auch auf die Geburt aus der Perspektive des werdenden Vaters wird ausführlich eingegangen. Was muss sich ein werdender Vater hinsichtlich der Geburt für Fragen stellen?

René Schütz: Als wichtig erachte ich vor allem den Punkt, dass sich Männer bewusst werden, dass Väter erst seit ein paar Jahrzehnten im Gebärsaal bei der Geburt anwesend sind. Lange Zeit war dies alles eine reine Frauendomäne.  Heute sind die Väter dabei und oft völlig überfordert, da typisch männliche Attribute wie Souveränität, Entschlossenheit und Aktivität im Gebärsaal plötzlich sekundär sind. Männer stehen meistens relativ hilflos da und versuchen sich in irgendeiner Form nützlich zu machen. 
Der Vater ist tatsächlich nicht besonders wichtig während der Geburt. Er kann zwar anwesend sein, aber er muss Vertrauen in die Profis (Hebamme, Ärzte) haben. Männer können lernen, dass sie mit ihren Ängsten betreffend der Geburt nicht allein sind. Sie sollten auch dazu stehen können, dass sie unsicher sind und unter Umständen auch den Gebärsaal verlassen dürfen, ohne dass dies als Desinteresse verstanden werden könnte.
Allerdings: Allzu oft spricht man bloss über Problemgeburten, die sich endlos hinziehen. Da vergisst man gerne, dass die allermeisten Geburten relativ unkompliziert über die Bühne gehen.
Was man(n) bei einer Geburt definitiv wieder lernt, ist Staunen und das bescheidene Dastehen vor einem Wunder.

swissmom: Die erste Zeit zu Hause ist für viele Paare eine grosse Herausforderung. Haben Sie gute Tipps, wie ein Mann die frischgebackene Mutter unterstützen kann?

René Schütz: Väter sollten daheim so viele praktische Aufgaben übernehmen wie nur möglich: Wickeln in der Nacht; am Morgen früh mit dem Baby spazierengehen, damit die Mutter ein paar Stunden ihre Ruhe hat, etwas Feines zum Frühstück mitbringen, einkaufen, kochen, putzen usw. Und all dies nicht nur an den Wochenenden! Das bedeutet, dass Väter versuchen sollten, in der ersten Zeit mit Baby möglichst Teilzeit zu arbeiten oder gar einige Wochen unbezahlten Urlaub zu nehmen. 

swissmom: Und umgekehrt, wie kann eine junge Mutter mithelfen, dass Vater und Kind auch eine tiefe Beziehung aufbauen können?

René Schütz: Die symbiotische Mutter/Kind - Beziehung kann beim Vater tatsächlich Eifersucht und Ohnmachtsgefühle auslösen. Es ist äusserst wichtig, dass die Mutter dem Vater das nötige Vertrauen entgegenbringt, ihm das Kind anzuvertrauen. Viele Mütter trauen den Vätern immer noch zu wenig zu! 

swissmom: Kann auch ein Vater, der viel arbeitet, ein guter Vater sein?

René Schütz: Natürlich kann er das, es ist jedoch sehr schwierig, die Balance zwischen Familie, Arbeit, Hobbies und altem Freundeskreis zu finden. Ein Vater der viel arbeitet muss halt Hobbies und Freundeskreis für eine gewisse Zeit zurückstecken, da er neben der Familie und dem Beruf dafür kaum noch Zeit finden wird. 
Kleine Ausflüge des Vaters mit dem Baby allein stärken das Selbstvertrauen ungemein und vertiefen die Beziehung.

swissmom: Aus einem Liebespaar wird ein Elternpaar mit Kind. Die Gefühlswelt wird auf die Probe gestellt. Was muss der Mann dazu tun, um die Beziehung aufrecht zu erhalten, damit Fokus nicht auf das Kind, sondern auch auf die Partnerin bestehen bleibt?

René Schütz: Fast alles Spontane, das Schwung in die Beziehung brachte, fällt mit einem Baby daheim auf einmal weg. Vater wie Mutter sind gefordert, sich in Geduld zu üben und gewisse Freiräume zu schaffen. Zeit zusammen, ohne das Baby, wird zu einem extrem seltenen und kostbaren Gut. Der Vater kann z.B. organisieren, dass Nachbarn, Grosseltern oder der Götti ab und zu hüten. Nach einigen Wochen oder Monaten kann das Elternpaar wieder mal zusammen einen gemeinsamen Abend verbringen. Oder das Kind geht in die Krippe und beide Eltern nehmen sich mal einen Tag frei, um gemeinsam etwas zu unternehmen, statt arbeiten zu gehen!
In diesen Momenten ist es sinnvoll, bewusst alle Themen rund ums Kind für einige Stunden auszuklammern und mal wieder nur auf den Partner zu fokussieren. Im familiären Alltag ist es wichtig, den Partner nicht nur als Elternteil, sondern auch als die eigenständige, attraktive Person wahrzunehmen, die er vorher war!

swissmom: Kind, Partnerin, der alte Freundeskreis, Beruf und Hobbies: Gibt es da Strategien, wie man(n) alles unter einen Hut bringen kann?

René Schütz: Diese Dinge unter einen Hut zu bringen, ist mit einem kleinen Kind keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern ein Prozess der viel Arbeit an sich selbst und an der Partnerschaft abverlangt.  Die wichtigsten Stichworte in diesem Zusammenhang sind: Organisation, Disziplin, Geduld, Zeitmanagement, aber auch viel Toleranz und Verständnis.

Kontaktadresse: René Schütz gibt Kurse für werdende Väter, Informationen erhält Mann unter www.vaterwerden.ch oder telefonisch unter der Telefon Nummer: 043 244 88 90. 

Letzte Aktualisierung: 05.05.2020, swissmom-Redaktion