Das Cou­va­de-Syn­drom

Bauchvergleich in der Schwangerschaft
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Ex­per­ten nen­nen das Phä­no­men "Cou­va­de-Syn­drom" (vom fran­zö­si­schen cou­ver = brü­ten) oder "Män­ner­kind­bett", und die Schät­zun­gen über sei­ne Häu­fig­keit sind sehr un­ter­schied­lich: 11 bis 79 Pro­zent der wer­den­den Vä­ter sol­len wäh­rend der Schwan­ger­schaft ih­rer Part­ne­rin ty­pi­sche Schwan­ger­schafts­sym­pto­me ent­wi­ckeln. Sie neh­men an Ge­wicht und vor al­lem Bauch­um­fang zu, kla­gen über Übel­keit,  Schwin­del, Kopf- und Rü­cken­schmer­zen,  Stim­mungs­schwan­kun­gen, Ma­gen­bren­nen und Ver­dau­ungs­stö­run­gen – ganz ähn­lich den Be­schwer­den, un­ter de­nen die wer­den­den Müt­ter lei­den. In ei­ner bri­ti­schen Stu­die an fast 300 Män­nern ver­schlim­mer­ten sich die Sym­pto­me wäh­rend der Schwan­ger­schaft und gip­fel­ten im letz­ten Schwan­ger­schafts­drit­tel, um nach der Ge­burt lang­sam nach­zu­las­sen. Im Durch­schnitt nahm ein wer­den­der Va­ter 4 Ki­lo­gramm an Ge­wicht zu!

Die na­he­lie­gends­te Er­klä­rung für die­ses Phä­no­men wäre der ver­än­der­te Le­bens­rhyth­mus des Paa­res in der Schwan­ger­schaft. Par­al­lel zum er­höh­ten Ka­lo­ri­en­be­darf und Heiss­hun­ger der Schwan­ge­ren wird die kör­per­li­che Ak­ti­vi­tät, an­fangs be­dingt durch Mü­dig­keit, spä­ter durch of­fen­sicht­li­che Ein­schrän­kun­gen, re­du­ziert - und der wer­den­de Va­ter macht die­se Ent­wick­lung meist mit, bis hin zu nächt­li­chen Ge­la­gen vor dem Kühl­schrank.

For­scher fan­den zu­dem her­aus, dass sich auch die männ­li­che Hor­mon­si­tua­ti­on bei ei­ner Schwan­ger­schaft der Part­ne­rin ver­än­dert. Der Grund da­für wird in weib­li­chen Se­xu­al­lock­stof­fen, den Phe­ro­mo­nen, ver­mu­tet, die von der schwan­ge­ren Frau aus­ge­sen­det wer­den und beim Mann das „Brut­pfle­ge­ver­hal­ten“ aus­lö­sen.

Wie auch im­mer: Noch heu­te wer­den bei Na­tur­völ­kern in vie­len Tei­len der Welt die Sym­pto­me und Ge­fühls­ver­än­de­run­gen wäh­rend Schwan­ger­schaft, Ge­burt und Wo­chen­bett ri­tu­ell aus­ge­lebt. Da­bei ahmt der Va­ter bei­spiels­wei­se die Ge­burts­we­hen sei­ner Frau nach, zieht sich de­ren Klei­der an oder liegt ge­gen Ende der Schwan­ger­schaft nur noch im Bett. Bei all dem wer­den ver­schie­de­ne Ri­tua­le (wie Ein­schrän­kun­gen des Spei­se­plans und Ar­beits­be­schrän­kun­gen) voll­zo­gen, die dem Wohl des Kin­des die­nen sol­len, aber auch den be­son­de­ren Sta­tus des Va­ters in der Dorf­ge­mein­schaft an­er­ken­nen.

In un­se­rer „zi­vi­li­sier­ten“ Ge­sell­schaft hin­ge­gen mö­gen die Ur­sa­chen des Cou­va­de-Syn­droms in un­be­wuss­ten Ängs­ten (z.B. Zu­kunfts­sor­gen) oder ag­gres­si­ven Ge­füh­len des wer­den­den Va­ters lie­gen. Das Kind wer­de mög­li­cher­wei­se als Ri­va­le an­ge­se­hen, an das der wer­den­de Va­ter sei­ne Part­ne­rin zu ver­lie­ren be­fürch­tet. Wer als Kind ei­nen Man­gel an müt­ter­li­cher Zu­wen­dung er­fah­ren hat, ent­wick­le manch­mal ag­gres­si­ve Ge­füh­le ge­gen das Kind wie auch ge­gen die Mut­ter, die un­be­wusst mit der ei­ge­nen Mut­ter iden­ti­fi­ziert und für die neue Si­tua­ti­on ver­ant­wort­lich ge­macht wird. Die­se Ge­füh­le wür­den die Be­trof­fe­nen oft mit ei­ner über­en­ga­gier­ten Hal­tung kom­pen­sie­ren: Sie be­tei­li­gen sich emo­tio­nal und af­fek­tiv ganz be­son­ders und sind über alle Mas­sen be­sorgt. Zu of­fen feind­se­li­gem Ver­hal­ten kom­me es hin­ge­gen nur sel­ten, etwa bei be­reits be­stehen­der psy­chi­scher Er­kran­kung des wer­den­den Va­ters, wie Angst­stö­run­gen oder De­pres­sio­nen.

Psych­ia­ter ge­hen tie­fen­psy­cho­lo­gisch beim Cou­va­de-Syn­drom so­gar da­von aus, dass Män­ner ins­ge­heim eine Art „Ge­bärneid“ heg­ten.  Sie füh­len sich in ih­rem Nar­ziss­mus ge­kränkt, weil sie nicht in der Lage sind, ein Kind zu ge­bä­ren und nei­gen aus die­sem Grund zu par­al­le­len Be­schwer­den - als woll­ten sie sa­gen "Schaut her, auch hier ent­wi­ckelt sich et­was!".

Auf neu­ro­lo­gi­scher Ebe­ne lässt sich das Phä­no­men der „Par­al­lel­schwan­ger­schaf­ten“ laut dem Wie­ner Ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gen Ha­rald Wer­neck mög­li­cher­wei­se auch mit den erst seit ei­ni­gen Jah­ren er­forsch­ten Spie­gel­neu­ro­nen er­klä­ren. Die­se Ner­ven­zel­len im Ge­hirn lös­ten beim Be­trach­ter qua­si spie­gel­bild­lich die­sel­ben Hand­lun­gen aus, die er ge­ra­de be­ob­ach­tet. Am Bei­spiel des Cou­va­de-Syn­droms wür­de dies be­deu­ten, dass das Ner­ven­sys­tem ei­nes Man­nes, der die Schwan­ger­schafts­be­schwer­den sei­ner Frau wahr­nimmt, die ent­spre­chen­den Emp­fin­dun­gen au­to­ma­tisch auch im ei­ge­nen Kör­per in Gang setzt.

Glück­li­cher­wei­se sind die psy­cho­so­ma­ti­schen Sym­pto­me bei den be­trof­fe­nen Män­nern kaum be­las­tend. Nur schät­zungs­wei­se 20 Pro­zent von ih­nen wen­den sich mit ih­ren Be­schwer­den an ei­nen Arzt. Meist ist ih­nen be­reits ge­hol­fen, wenn ver­mit­telt wer­den kann, dass ihre kör­per­li­chen Sym­pto­me nur ein Aus­druck ih­rer be­son­de­ren emo­tio­na­len Be­tei­li­gung an Schwan­ger­schaft, Ge­burt und die künf­ti­ge Va­ter­rol­le sind. Vor al­lem be­son­ders mit­füh­len­de Män­ner nei­gen zu sol­chen „Par­al­lel­schwan­ger­schaf­ten“.

Al­les an­de­re als gut sei für Män­ner mit Cou­va­de-Syn­drom üb­ri­gens die Teil­nah­me an den üb­li­chen Ge­burts­vor­be­rei­tungs­kur­sen

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