Übertragung
Wenn der errechnete Geburtstermin deutlich überschritten wird: Wie geht es dem Baby? Ab wann wird die Geburt eingeleitet?
Eine normale Schwangerschaft dauert, berechnet nach dem 1. Tag der letzten Regelblutung, im Mittel 280 Tage oder 40+0 Schwangerschaftswochen (SSW). Mehr als 40 Prozent aller Geburten finden jedoch später statt, wobei in vielen Fällen einfach der Geburtstermin nicht genau berechnet werden konnte. In den ersten 14 Tagen nach dem errechneten Termin (von 40+1 bis 41+6 SSW) spricht man von einer Terminüberschreitung, nach 14 Tagen (also nach 42 abgeschlossenen Wochen oder 294 Tagen) von einer Übertragung.
Eine echte Übertragung kommt heutzutage selten vor, weil aufgrund der frühen Ultraschall-Untersuchung um die 12. Schwangerschaftswoche der Geburtstermin genauer bestimmt werden kann und Schwangerschaften nach dem Termin besonders engmaschig überwacht werden.
Wieso kommt es zu einer Übertragung?
Warum einige Schwangerschaften den Geburtstermin deutlich überschreiten, ist umstritten. Faktoren wie das Alter, die ethnische Herkunft, wie oft eine Frau schon geboren hat (Übertragung ist häufiger bei Erstgebärenden) und ein hoher Body-Mass-Index der Schwangeren werden als mögliche mütterliche Einflussfaktoren diskutiert. Beim Kind könnten das Geschlecht (Knaben werden häufiger übertragen), die Erbanlagen und die Wachstumsgeschwindigkeit Einfluss auf die Schwangerschaftsdauer haben. Interessant ist zudem, dass den väterlichen Genen eine bedeutende Rolle zukommt. Ein Partnerwechsel scheint das Wiederholungsrisiko (ca. 30 bis 40% für nachfolgende Schwangerschaften) zu verringern.
Massnahmen zur Wehenstimulation
In den meisten Spitälern wird sieben bis zehn Tage nach dem errechneten Termin eine Geburt mit Medikamenten eingeleitet. Dazu werden heutzutage normalerweise Prostaglandine in Gel- oder Zäpfchenform in die Vagina eingeführt (Zervixreifung). Dieser Wirkstoff sorgt dafür, dass der Muttermund allmählich weich wird und sich erweitert, und stimuliert gleichzeitig die Kontraktionen der Gebärmutter. Wenn der Muttermund bereits etwas eröffnet ist, funktioniert die ältere Methode zum Auslösen der Wehen durch eine Blasensprengung und/oder eine intravenöse Gabe von Wehenhormon (Oxytozin) für gewöhnlich gut.
Beruhigend ist, dass aufgrund neuer Studien nach einer Weheneinleitung kein erhöhtes Risiko für eine notfallmässige Kaiserschnittentbindung besteht. Auch gibt es nicht mehr vaginal-operative Entbindungen (zum Beispiel mit Hilfe von Geburtszangen oder Saugglocken).
Warum ist eine Wehenanregung notwendig?
Grund für das medizinische Einschreiten ist das Risiko, das mit einer Übertragung einher gehen kann. In einigen Schwangerschaften kommt es zu einer Funktionseinschränkung des alternden Mutterkuchens, also eine sogenannte Plazentainsuffizienz. Als Folge davon kann die Versorgung des Babys mit Sauerstoff und Nährstoffen vermindert sein.
Untersuchungen bei Überschreiten des Geburtstermins
Hinweise auf einen solchen Zustand liefern unter anderem
eine reduzierte Fruchtwassermenge, gut erkennbar bei der Ultraschalluntersuchung,
eine unzureichende Blutzufuhr zum Kind, erkennbar durch eine Doppleruntersuchung oder ein CTG, das ohne Wehenbelastung durchgeführt wird = non-stress-test
oder ein zu langsames Wachstum des Babys in der Gebärmutter, ebenfalls erkennbar in der vorgeburtlichen Wachstumskurve (Ultraschall).
Bei einer normalen Plazentafunktion wiederum kann das ungeborene Kind weiterwachsen, was möglicherweise zu einem höheren Geburtsgewicht des Kindes führt. Schwere Neugeborene verursachen jedoch häufiger Komplikationen unter der Geburt. Die Bestimmung des kindlichen Gewichtes mittels Ultraschall ist allerdings immer noch oft sehr ungenau und Geburtseinleitungen aufgrund des kindlichen Gewichtes daher umstritten.
Überschreitet die Schwangerschaft den errechneten Geburtstermin, wird sie regelmässiger überwacht:
37+0 bis 39+6 Schwangerschaftswochen: Bei komplikationslosen Schwangerschaften gibt es keinen Anlass zur Geburtseinleitung. Bei einem mütterlichen Alter von über 40 Jahren kann ab 39+0 SSW eine Geburtseinleitung angeboten werden.
40+0 bis 40+6 Schwangerschaftswochen: Am errechneten Geburtstermins wird noch einmal festgestellt, ob tatsächlich eine risikoarme Schwangerschaft vorliegt. Hierzu ist eine Ultraschallkontrolle mit fetaler Gewichtsschätzung und die Bestimmung der Fruchtwassermenge sinnvoll, damit eine intrauterine Wachstumsretardierung des Kindes nicht übersehen wird. Ist hier alles in Ordnung und zeigt sich keine akute Gefährdung von Mutter und Kind, kann bis 40+6 SSW abgewartet werden. Allerdings wird eine Kontrolle alle 3-4 Tage empfohlen, bei dem unter anderem die kindlichen Herztöne mit dem CTG abgehört und aufgezeichnet werden.
41+0 bis 41+6 Schwangerschaftswochen: Ab 41+0 SSW sollte eine Geburtseinleitung angeboten werden, ab 41+3 SSW ist sie zu empfehlen. Möchte die werdende Mutter nach Aufklärung und Beratung noch bis zum Ende der 41. Woche (also 41+6 SSW) warten, ist das ärztlich vertretbar. Bedingung: Keine absehbaren Risiken, CTG-Untersuchung und Messung der Fruchtwassermenge alle zwei Tage - oder sogar jeden Tag.
Ab 42+0 Schwangerschaftswochen: Nun ist eine Beendigung der Schwangerschaft durch Weheneinleitung oder einen Kaiserschnitt auch bei bisher unkompliziertem Verlauf nicht mehr zu vermeiden, um Mutter und Kind nicht zu gefährden.