Mu­sik­schu­le macht sich le­bens­lang be­zahlt

Aus der For­schung

Kind in der Musikschule spielt die Querflöte
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Wer als Kind ein Mu­sik­in­stru­ment lernt, schult da­mit sein Ge­hirn für das gan­ze Le­ben. Das be­rich­ten For­scher der Uni­ver­si­ty of Kan­sas in der Zeit­schrift "Neu­ro­psy­cho­lo­gy". Erst­mals konn­ten sie die Fol­gen des Mu­si­zie­rens im Kin­des­al­ter auch für das Se­nio­ren­al­ter do­ku­men­tie­ren. Meh­re­re Ge­hirn­funk­tio­nen wer­den durch den In­stru­men­tal­un­ter­richt nach­hal­tig ver­bes­sert – und das gilt auch für Men­schen, die das In­stru­ment nach der Schul­zeit an den Na­gel hän­gen.

Die For­scher un­ter­such­ten 70 ge­sun­de Er­wach­se­ne zwi­schen 60 und 83 Jah­ren, die sie je nach mu­si­ka­li­scher Er­fah­rung in drei Grup­pen glie­der­ten. Der ers­te Teil von ih­nen hat­te län­ger als zehn Jah­re hob­by­mäs­sig ein In­stru­ment ge­lernt, der zwei­te we­ni­ger lan­ge, der drit­te gar nicht. Alle be­sa­ßen ähn­li­che Bil­dung und kör­per­li­che Ver­fas­sung und zeig­ten kei­ne De­menz-An­zei­chen. In ko­gni­ti­ven Tests schnit­ten die­je­ni­gen am bes­ten ab, die als Kind ein In­stru­ment ge­lernt hat­ten - be­son­ders wenn es um das räum­lich-vi­su­el­le Ge­dächt­nis, um Ob­jekt­be­zeich­nun­gen oder um die An­pas­sungs­fä­hig­keit an neue In­for­ma­tio­nen ging.

Als "sehr plau­si­bel" wer­tet Eck­art Al­ten­mül­ler, Di­rek­tor des In­sti­tuts für Mu­sik­phy­sio­lo­gie und Mu­si­ker­me­di­zin an der Hoch­schu­le für Mu­sik, Thea­ter und Me­di­en in Han­no­ver (http://www.immm.hmtm-han­no­ver.de), die Er­geb­nis­se. Schon frü­her konn­te Al­ten­mül­ler zei­gen, wie ex­trem kom­plex das Ge­hirn beim Mu­si­zie­ren ar­bei­tet und dass zahl­rei­che schnel­le Stra­te­gie­ent­schei­dun­gen nö­tig sind. "Die in der US-Stu­die be­ob­ach­te­ten Ef­fek­te könn­ten aber auch durch un­ter­stüt­zen­des El­tern­haus, durch Aus­dau­er und gu­tes Selbst­ma­nage­ment der Mu­sik­schü­ler be­ein­flusst sein", er­klärt der Ex­per­te.

Dass das ei­ge­ne Mu­si­zie­ren das Ge­hirn schult, konn­te der Han­no­ve­ra­ner Mu­si­ker­me­di­zi­ner auch in ei­ge­nen Stu­di­en zei­gen. "Mu­sik­stu­den­ten schnei­den beim vi­su­el­len Ge­dächt­nis oder bei Stra­te­gie­bil­dun­gen bes­ser ab als Kom­mi­li­to­nen aus der Me­di­zin oder Psy­cho­lo­gie. Zu­dem zei­gen Schlag­an­fall-Pa­ti­en­ten bei glei­chem Schä­di­gungs­aus­mass ge­rin­ge­re Aus­fäl­le, wenn sie frü­her mu­si­ziert ha­ben." Als wahr­schein­li­che Ur­sa­che nennt Al­ten­mül­ler bes­ser ver­netz­te Ge­hirn­zel­len, die Kom­pen­sa­tio­nen bei Aus­fäl­len von Tei­len des Ge­hirns er­leich­tern.

"Es zahlt sich im­mer aus, ein In­stru­ment ge­lernt zu ha­ben - und wenn es nur ein hal­bes Jahr Block­flö­te war", be­tont Al­ten­mül­ler. Als wich­tigs­te Be­rei­che­rung sieht der Ex­per­te die da­mit er­wor­be­ne emo­tio­na­le Kom­pe­tenz so­wie die Er­fah­rung, ein­mal Klang mit dem ei­ge­nen Kör­per er­zeugt zu ha­ben. "Wer zu­dem mit an­de­ren mu­si­ziert hat - etwa im Or­ches­ter - konn­te da­bei zu­dem ge­mein­schaft­lich an ei­nem ho­hen Ziel ar­bei­ten."

Ähn­li­ches be­rich­ten auch die US-For­scher. Je län­ger die von ih­nen be­ob­ach­te­ten Se­nio­ren als Kind In­stru­men­tal­un­ter­richt ge­nom­men hat­ten, des­to bes­ser schnit­ten sie bei den Ge­hirn­tests ab. Ein gleich gro­ßer Vor­teil zeig­te sich je­doch auch bei je­nen, die ihr In­stru­ment nach der Lern­pha­se nicht wie­der an­ge­rührt hat­ten. "Ins­ge­samt ent­schei­den vor al­lem die Dau­er des In­stru­men­ten­ler­nens so­wie auch das Ein­stiegs­al­ter", so Stu­di­en­lei­te­rin Pro­fes­sor Bren­da Han­na-Plad­dy - letz­te­res we­gen be­stimm­ter Zeit­fens­ter, in de­nen Kin­der­ge­hir­ne be­son­ders plas­tisch sind.

Al­ten­bur­ger warnt El­tern al­ler­dings da­vor, Kin­der zu früh zu ei­nem In­stru­ment zu dres­sie­ren. "Wich­tig ist es, die Ent­wick­lungs­sta­di­en zu be­rück­sich­ti­gen. Wer weit kom­men will, soll­te spä­tes­tens mit zehn Jah­ren mit ei­nem Streich­in­stru­ment oder Kla­vier be­gin­nen, bei Blas­in­stru­men­ten oder Schlag­zeug kann es auch spä­ter sein. Wer schon mit drei Jah­ren be­ginnt, macht an­fangs sehr lang­sa­me Fort­schrit­te, die Star­ter mit sechs Jah­ren schnell auf­ge­holt ha­ben. Für die Plas­ti­zi­tät des Ge­hirns oder die Ent­wick­lung ei­nes ab­so­lu­ten Ge­hörs bringt es je­doch Vor­tei­le."

Aus der For­schung: Han­na-Plad­dy B. , Mack­ay A.: Neu­ro­psy­cho­lo­gy 2011 (3), S. 378-86

Letzte Aktualisierung: 08.03.2021, BH