Kinder kriegen - Warum tun wir uns das eigentlich an?

Kind mit Pasta verschmiertem Gesicht und Teller auf dem Kopf
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Neulich unterhielt ich mich mit einem jungen Mann, für den der Gedanke an eigene Kinder noch sehr fern ist. "Ich weiss nicht, ob ich mir das jemals antun will", meinte er. "Sieh dich doch bloss mal an. Der ganze Stress, den du mit deinem Nachwuchs hast. Die Müdigkeit, das Chaos, die Fremdbestimmung, all das Geld, das du ausgeben musst. Ich kann echt nicht verstehen, was daran so toll sein soll." Tja, was soll man da sagen? Es stimmt ja, dass Eltern sich mit der Familiengründung nicht nur unendlich viel Freude, sondern auch eine ganze Menge Anstrengendes einhandeln. So viel, dass die meisten sich zuweilen fragen, was sie bloss falsch gemacht haben, wo es bei ihnen doch so anders aussieht als bei der glücklichen Familie aus der Frühstücksflocken-Werbung.

"Nette" Überraschungen und durchwachte Nächte


Zum Beispiel, wenn man sich wochenlang auf ein Treffen mit einem lieben Menschen gefreut hat. Dann präsentiert der Jüngste ein paar Stunden vor der Abfahrt diesen herzigen kleinen Magen-Darm-Käfer, den er irgendwo aufgelesen hat - und schon sind die schönen Pläne im Eimer.

Oder wenn man nach einer durchwachten Nacht die müden Knochen zur Arbeit schleppt, wo die kinderlose Kollegin frisch ausgeschlafen übers ganze Gesicht strahlend berichtet, sie habe sich gestern bereits um halb neun aufs Ohr gehauen und die ganze Nacht selig geschlummert wie ein Baby. "Selig geschlummert wie ein Baby? Dass ich nicht lache!", knurrt die erfahrene Mutter vor sich hin, sagt das aber natürlich nicht laut, da sie nicht schuld daran sein will, wenn die Kollegin kinderlos bleibt. 

Wenn zusammen mit dem Informationsbrief über den Lausbefall an der Schule gleich noch die dazugehörigen Viecher geliefert werden, die sich trotz aller Behandlungen standhaft weigern, wieder zu verschwinden.

Natürlich beginnt wegen derartiger Kleinigkeiten niemand an seinem Lebensentwurf zu zweifeln. Dennoch könnte ich in einem solchen Moment auf die Frage, was am Familienleben so toll sein soll, bloss mit matter Stimme antworten: "Glaub mir, es ist das Schönste, was mir im Leben passieren konnte. Mir ist nur gerade entfallen, wie ich auf die hirnverbrannte Idee kommen konnte, mir das alles anzutun."

Mitten im Chaos das pure Glück


Darum ging ich eine Weile lang in mich, ehe ich die Frage des jungen Mannes beantwortete. Ich rief mir einige der unvergleichlichen Momente in Erinnerung, die mir das Leben mit Kindern beschert. Zum Beispiel die Episode, die sich neulich in unserer Küche abspielte: Ich total im Stress, weil ich mir mal wieder zuviel auf einmal vorgenommen hatte und darum zum reinsten Nervenbündel mutierte. Neben mir mein Jüngster, der mir kopfschüttelnd bei meinem Gehetze zuschaute und plötzlich mit einem schelmischen Grinsen auf dem Gesicht ein Lied anstimmte, das es in sich hatte: "Probier's mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit..." 

Ich erinnerte mich an das Mittagessen, bei dem sich zwei unserer Kinder ganz furchtbar in die Haare gerieten und die eine dem anderen an den Kopf warf: "Du kannst mich ja doch nicht ausstehen." Worauf der andere ganz erstaunt zurückgab: "Aber warum sollte ich dich nicht ausstehen können? Du bist doch meine einzige Schwester." So rührend war das, dass wir alle einen Moment lang verstummten.

Ich dachte an die vielen liebenswerten Eigenarten unserer Kinder, die den Alltag so bunt machen. Zum Beispiel an das zufriedene Murmeln, das einer unserer Söhne jeweils von sich gibt, wenn das Essen schmeckt. An die überschäumende Liebe, die jede Katze, die uns über den Weg läuft, zu spüren bekomm - ob es ihr nun passt oder nicht. An die Angewohnheit unseres Jüngsten, sich selber lauthals in den Schlaf zu singen. An so viele andere kleine Eigenheiten, die dafür sorgen, dass sie alle trotz der Ähnlichkeiten, die sie haben, so einzigartig sind.   

Als ich mir dann auch noch vor Augen führte, welch ein Privileg es ist, zu erleben, wie ein hilfloses Bündel Mensch innerhalb von wenigen Jahren zu einer eigenständigen Persönlichkeit heranreift, konnte ich dem jungen Mann aus voller Überzeugung antworten: "Stimmt, nichts fordert mich so sehr wie meine Kinder, nichts treibt mich so sehr an meine Grenzen. Es gibt aber auch nichts Schöneres, als an ihrer Seite zu sein, wenn sie immer mehr zum Erblühen kommen." 

Letzte Aktualisierung: 04.12.2017, TV