Einlagerung von Nabelschnurblut - Das müssen Sie wissen
Nach der Geburt und der Durchtrennung der Nabelschnur können aus der Nabelschnur Blutstammzellen gewonnen, eingefroren und in Nabelschnurblutbanken aufbewahrt werden. Im Blut der abgetrennten Nabelschnur befindet sich eine hohe Konzentration sogenannter Stammzellen. Diese können bei der Behandlung von bestimmten Krankheiten wie Blutkrebs (Leukämie) eingesetzt werden.
- Was sind Stammzellen?
- Was ist eine Stammzellentherapie?
- Warum Stammzellen aus Nabelschnurblut?
- Wie wird eine Nabelschnurblut-Spende durchgeführt?
- Sendung von SRF Puls zur Nabelschnurblutspende
- Welche Spendeformen und Einlagerungsmöglichkeiten gibt es?
- Für wen und in welchen Therapiebereichen kommen Stammzellen aus Nabelschnurblut zum Einsatz?
- Wann sollte auf eine Nabelschnurblut-Spende verzichtet werden?
Was sind Stammzellen?
Stammzellen sind sozusagen Nachfahren der Zellen, die sich aus der befruchteten Eizelle durch Teilung gebildet haben. Die genaue Endbestimmung dieser Zellen ist noch nicht festgelegt. Je unreifer die Stammzellen sind, umso weniger festgelegt ist ihre Funktion. Deshalb können sich aus den frühesten Stammzellen noch Zellen verschiedenster Organe entwickeln; rote oder weisse Blutkörperchen, Muskeln, Nerven oder Knochen. Nach welchen Gesetzmässigkeiten das abläuft, wird derzeit überall auf der Welt erforscht.
Was ist eine Stammzellentherapie?
Bei dieser Therapie werden Stammzellen aus dem Knochenmark oder dem Blut transplantiert. Diese Behandlung wird bei Krankheiten des Blutes (z.B. Leukämie) und des Immunsystems oder zur Wiederherstellung des Blutsystems nach bestimmten Krebstherapien (hochdosierten Chemotherapien) eingesetzt. Man verwendet dafür entweder die körpereigenen Stammellen oder diejenigen eines geeigneten Spenders.
Eine Knochenmarkstransplantation hat gewisse Nachteile: Es muss immer ein möglichst geeigneter Spender gefunden werden, denn der Körper kann auf die fremden Stammzellen mit Abwehr reagieren. Bei fast der Hälfte der Patienten findet sich keinen geeigneten Spender. Ausserdem ist die Knochenmarkentnahme und -transplantation mit einem gewissen Risiko verbunden, und durch den Zeitverlust bis zur Entnahme kann es für den Patienten z.B. bei der akuten Leukämie bereits zu spät sein.
Warum Stammzellen aus Nabelschnurblut?
Stammzellen aus dem Nabelschnurblut haben im Gegensatz dazu einige Vorteile (siehe unten). Deshalb ist heute das Nabelschnurblut als Quelle von Stammzellen für die Transplantation wichtiger geworden.
Die Zellen der Nabelschnur sind befähigt, sich in die verschiedenen Arten von Blutzellen und Abwehrzellen des Immunsystems zu entwickeln; gleichzeitig können sie sich fast beliebig selbst vermehren. Man unterscheidet zwischen adulten und embryonalen Stammzellen. Die Nabelschnurstammzellen liegen irgendwo dazwischen. Sie können nicht mehr ohne weiteres jedes Gewebe bilden, aber sie sind andererseits noch besonders vital und flexibel, mehr als z.B. die Stammzellen des erwachsenen Knochenmarks.
In der Schweiz haben in den letzten Jahren gegen 100 Patienten eine Stammzellen-Transplantation aus Nabelschnurblut erhalten. Die meisten Empfänger sind Kinder mit Leukämien oder genetischen Erkrankungen, aber auch zunehmend Erwachsene. Das ist möglich, weil man inzwischen weiss, dass man typengleiche HLA-Spenden mischen kann und damit die notwendige Menge an Stammzellen, die es bei Erwachsenen braucht, erreichen kann. Die Heilungschancen sind abhängig von der betreffenden Krankheit und liegen insgesamt etwa bei 50 Prozent.
Vorteile der Nabelschnurblut-Stammzellen:
Nabelschnurblut kann nach der Geburt und nach Abnabelung schmerzfrei und ohne Risiko für Mutter und Kind gewonnen werden.
Nach Überprüfung von Qualität, Keimfreiheit und Gewebstyp des Nabelschnurblutes kann dieses tiefgefroren und in flüssigem Stickstoff über Jahre gelagert werden.
Die Anzahl potentieller Spender ist fast unbegrenzt gross; insbesondere können auch Bevölkerungsgruppen mit seltenen Gewebstypen, welche in Knochenmarksspenderegistern untervertreten sind, als Spender eingeschlossen werden.
Das Nabelschnurblut-Transplantat aus einer Nabelschnurblutbank ist (im Gegensatz zu Stammzellen von einem Spender aus Knochenmark) jederzeit abrufbar.
Abstossungsreaktionen durch immunologisch aktive Zellen des Spenders im Transplantat (sogenannte "Graft-versus-host Krankheit"), kommt bei Nabelschnurblut im Gegensatz zu Knochenmark seltener und in geringerem Schweregrad vor, weil die kindlichen Zellen im Nabelschnurblut unreifer sind und daher weniger befähigt sind, eine Abwehrreaktion auszulösen.
Nachteile der Nabelschnurblut-Stammzellen:
Die begrenzte Menge der Zellen im Nabelschnurblut, so dass meist nur Kinder und nur selten Erwachsene transplantiert werden können.
Die Kosten der Entnahme und Einlagerung in die öffentliche Nabelschnurblutbank sind hoch (Gesamtkosten rund 7400.- pro eingelagerte Spende), weshalb in den öffentlichen Banken in der Schweiz nur Nabelschnurblutspenden mit hohem Stammzellgehalt eingelagert werden. Dies bedeutet, dass das Nabelschnurblut nur in 20% der Geburten als Spende eingelagert werden kann, auch wenn die Eltern die Einlagerung wünschen und es spenden möchten.
Wie wird eine Nabelschnurblut-Spende durchgeführt?
Die Nabelschnurblut-Spende ist einfach und unkompliziert. Die Entnahme nach der Geburt ist für Mutter und Kind völlig schmerzfrei und risikolos. Das Nabelschnurblut kann bei jeder Geburt gewonnen, typisiert und eingelagert werden.
Nach der Geburt des Kindes bleibt eine gewisse Menge kindliches Blut in der Plazenta und in der Nabelschnur zurück. Dieses Restblut muss gleich nach der Durchtrennung der Nabelschnur unter möglichst sterilen Bedingungen abgenommen werden. Eine geschulte Hilfsperson füllt das Nabelschnurblut kurz nach der Abnabelung in einen sterilen Beutel. So können sich Arzt und Hebamme weiterhin auf die Betreuung von Mutter und Kind konzentrieren. Das übliche Vorgehen bei und nach einer Geburt wird nicht geändert. Aufbewahrt wird die Probe in Flüssigkeitsstoff bei ca. –200 Grad Celsius. Im Bedarfsfall werden die Zellen einfach wieder aufgetaut.
Sendung von SRF Puls zur Nabelschnurblutspende
Welche Spendeformen und Einlagerungsmöglichkeiten gibt es?
Nabelschnurblut wird heute in unterschiedlichen Einrichtungen („Nabelschnurblut-Banken“) aufbewahrt. Man unterscheidet dabei zwischen öffentlichen Institutionen (öffentliche Nabelschnurblut-Banken) und privaten Anbietern (private Nabelschnurblut-Banken). Bei beiden Einlagerungsmethoden bestehen Vor- und Nachteile.
Öffentliche Nabelschnurbank / Fremdspende
In öffentlichen, sogenannten allogenen Nabelschnurblutbanken wird Nabelschnurblut anonym eingelagert. Die Zuteilung erfolgt nach medizinischen Kriterien über ein weltweites Datennetzwerk, in welchem alle eingelagerten Nabelschnurblutspenden registriert sind. Diese Stammzellen sind für alle Patientinnen und Patienten zugänglich, welche sie benötigen und bei der Typisierung möglichst übereinstimmen - Spender selbst haben kein exklusives Anrecht darauf. Es besteht allerdings die Möglichkeit, nach der Einlagerung das Nabelschnurblut zurück zu erhalten, wenn zu einem späteren Zeitpunkt in der Familie des Spenders Bedarf entstehen sollte und das entsprechende Nabelschnurblut noch in der Bank eingelagert ist. Möglich ist auch eine Familienspende, wenn ein Kind bereits an Leukämie erkrankt ist und die Mutter ein weiteres Kind erwartet.
Die öffentliche Nabelschnurblutbank wird durch SVK (Schweizerischer Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer) und H+ (Die Spitäler Schweiz) über Abgaben bei bezahlten Stammzelltransplantationen finanziert. Die Gesamtkosten pro eingelagerte Spende belaufen sich auf rund 7400.-.
Fremdspenden von Nabelschnublut-Stammzellen werden aktuell in folgenden Frauenkliniken durchgeführt: Bern, Basel und Genf, am Kantonsspital Liestal sowie in Lugano und Locarno. Das Blut wird in den Nabelschnurbanken in Basel und Genf aufbewahrt.
Die hauptsächlichen Vorteile der Fremdspende sind:
Sie ist für die Eltern kostenlos..
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Stammzellen tatsächlich für einen fremden Patienten verwendet (transplantiert) werden, beträgt bei der öffentlichen Nabelschnurblutbank in der Schweiz immerhin 2-3%.
Die hauptsächlichen Nachteile der Fremdspende sind:
Die Spende ist ausschliesslich an den oben genannten Geburtskliniken möglich.
Bei 80% der Geburten kann die Nabelschnurblutspende nicht eingelagert werden, obwohl die Eltern eine Fremdspende wünschen und diese geplant ist. Grund dafür ist, dass viele Spenden den hohen Stammzellgehalt nicht erreichen, welcher von den öffentlichen Banken aus ökonomischen Überlegungen gefordert wird. Oder es bestehen bestimmte Krankheiten bei der schwangeren Frau selbst oder in deren Familie.
Die Eltern müssen auf das Anrecht auf die Zellen verzichten, was relevant werden könnte, wenn das Kind selbst oder ein anderes Familienmitglied zu späterem Zeitpunkt an einer der betreffenden Krankheiten erkranken sollte. Familiäre Spende (gerichtet):
Unter einer gerichteten Spende versteht man die Nabelschnurblutspende für ein erkranktes Geschwisterkind oder einen anderen Verwandten ersten Grades, der bereits an einer Krankheit leidet, die durch eine Stammzelltransplantation potentiell geheilt werden kann. Das Nabelschnurblut kann nun „gerichtet“ eingelagert, also „reserviert“, werden. Dies ist insofern medizinisch sinnvoll, da die Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung der Gewebemerkmale bei Verwandten vergleichsweise hoch ist. Besteht eine Übereinstimmung, erfolgt eine für die Eltern kostenfreie Einlagerung. Die Anmeldung zu einer gerichteten Nabelschnurblutspende wird in der Regel über den betreuenden Onkologen oder Geburtshelfer vorgenommen.
Privatspende (Private Einlagerung, Familien-Banking)
Eine weitere Möglichkeit ist die Eigen- oder Privatspende von Nabelschnurblut, bei der die Stammzellen bei der Geburt für das Kind selbst in einer privaten, sog. autologen, Nabelschnurblut-Bank eingelagert werden. Sie stehen dann zur Verfügung, falls das Kind oder oder ein anderes Familienmitglied zu einem späteren Zeitpunkt im Leben erkrankt und die Stammzellen benötigt. Die private Firma schliesst mit Ihnen einen Vertrag über die Lagerung der Blutprobe ab. Die Kosten für die private Spende müssen durch die Eltern selbst getragen werden. Kostenpunkt: ca. 3000 bis 5000 Franken. Bis jetzt hat man über 20 Jahre Erfahrung mit der Kryokonservierung.
Die hauptsächlichen Vorteile der Privatspende sind: Das Nabelschnurblut kann in jeder Geburtsklinik der Schweiz entnommen und in einer privaten Bank eingelagert werden. Die Nabelschnurblut-Stammzellen können in über 90% der Fälle eingelagert werden, da die Mindestmenge an enthaltenen Stammzellen deutlich kleiner ist als bei der Fremdspende (aus medizinischen Gründen werden bei der Eigenspende weniger Stammzellen benötigt).
Die hauptsächlichen Nachteile der Privatspende sind: Die Kosten müssen durch die Eltern selbst getragen werden.Die Wahrscheinlichkeit, dass die Stammzellen später beim Kind selbst oder einem Familienmitglied Verwendung finden und transplantiert werden, ist zur Zeit klein, geschätzt 0.05 – 0.1 %. Sollten in Zukunft jedoch weitere Krankheiten dazukommen, die mittels Stammzellen behandelt werden können, wird diese Wahrscheinlichkeit grösser. Heute laufen in verschiedenen Bereichen bereits klinische Studien, beispielsweise bei Herzkrankheiten, Multiple Sklerose, schweren Autoimmunkrankheiten, kindliche Zerebralparese oder anderen degenerativen Krankheiten
Hybride Spende (gemischte Spende)
Ab Juli 2020 führt die Frauenklinik Bern gemeinsam mit dem SRK und der privaten Nabelschnurblutbank Swiss Stem Cell Biotech (SSCB) ein vom BAG bewilligtes PilotprojekT zur Hybriden Spende (gemischte Spende) durch. Diese hat das ideale Ziel einer Kombination, welche private Vorsorge in der Familie und öffentliches Engagement für Patienten verbindet. Bei der Hybridspende wird das Nabelschnurblut nach der Geburt zunächst für den Eigengebrauch eingelagert (wie bei einer privaten Nutzung zahlen die Eltern hierfür die Kosten, allerdings in reduziertem Umfang). Zusätzlich aber wird – wie bei einer öffentlichen Spende – HLA typisiert (Gewebseigenschaften) und die Spende im öffentlich zugänglichen Stammzellspendenregister der Schweiz anonym aufgeführt. Sollten sich die gefrorenen Zellen als ideales Transplantat für einen Patienten irgendwo weltweit herausstellen, so haben die Eltern die Möglichkeit, das Nabelschnurblut Blut ihres Kindes freizugeben und die Kosten für Entnahme und Einlagerung zurückzuerhalten. Hybridbanken solcher Art bestehen heute zum Beispiel in England und Deutschland. Wenn das Pilotprojekt erfolgreich ist, wird die Möglichkeit der Hybridspende (hybride Einlagerung) bald schweizweit möglich werden.
Für wen und in welchen Therapiebereichen kommen Stammzellen aus Nabelschnurblut zum Einsatz?
Stammzellen aus dem eigenen Nabelschnurblut bieten bei einer späteren Stammzelltransplantation den Vorteil, dass es körpereigene Zellen wären. Somit würden Abstossungsreaktionen von vorneherein ausgeschlossen. Bei gewissen Erkrankungen ist aber das eigene Blut als Quelle nicht geeignet, weil z.B. die Erkrankung schon bei der Geburt in den Zellen angelegt war. Es ist auch möglich, die Nabelschnurstammzellen bei Familienmitgliedern (Verwandte ersten Grades) einzusetzen. Denn für alle erstgradigen Verwandten, also Geschwister und Eltern, besteht biologisch eine hohe Chance, dass sich die Zellen des Kindes und des Empfängers vertragen. Aber selbst wenn die Stammzellen weder für den Eigenbedarf noch für nahe Verwandte gebraucht werden, sondern bei einem HLA-kompatiblen "Fremden" eingesetzt werden, kommt es im Gegensatz zur Knochenmarkspende viel seltener zu einer Abstossungsreaktion, weil die kindlichen Zellen im Nabelschnurblut unreifer sind - ein grosser Vorteil!
Weitere Krankheiten, bei denen eine Stammzelltherapie möglicherweise in Zukunft helfen kann, sind Herzkrankheiten, Multiple Sklerose, Autoimmunerkrankungen, kindliche Zerebralparese und andere degenerative Krankheiten. Hierzu gibt es viele internationale klinische Studien, deren Ergebnisse abgewartet werden müssen.
Wann sollte auf eine Nabelschnurblut-Spende verzichtet werden?
Das Sammeln von Nabelschnurblut kann in folgenden Situationen nicht ratsam sein:
bei Frühgeburten
bei Mehrlingen
bei Not-Kaiserschnitten
wenn die Mutter potenziell gefährliche Medikamente einnehmen muss
wenn Mutter oder Vater nachweislich übertragbare Infektionskrankheiten aufweisen.