Fluchen und Schimpfen – Die andere Seite des kindlichen Spracherwerbs

Junge schaut grimmig

„Du bist eine blöde Kuh!“ - „Und du ein Gaggifudi!" Das sind die harmloseren Ausdrücke. Die derberen Fluchwörter aus der Fäkal- und Vulgärsprache, wie der Dauerbrenner „Arschloch“, folgen bald. Wenn Eltern so etwas aus einem niedlichen kleinen Kindermund hören, zucken sie zusammen und sind erst einmal entsetzt.

Eltern können und wollen das meist nicht tolerieren und noch weniger akzeptieren. Sie schämen sich dafür und stellen sich die Frage, wo das Kind das wohl aufgeschnappt haben könnte und wie sie darauf richtig, kindgerecht und vor allem nachhaltig reagieren sollten. Laut schimpfen? Das Kind bestrafen? Darüber lachen oder es einfach ignorieren? Welches ist die beste Strategie?

Schimpfwörter gehören zur Kindheit


Obwohl die meisten Eltern alles daran setzen, dass ihr Kind keine unschönen Wörter und Ausdrücke verwendet, haben sie kaum eine Chance, das gänzlich zu vermeiden. Denn Fluchen gehört nun mal zur Kindheit. Spätestens im Kindergartenalter, möglicherweise aber auch schon viel früher, werden Eltern mit dem neuen Spracherwerb ihres Nachwuchses konfrontiert.

Kleine Kinder verwenden die heftigen Kraftausdrücke noch ganz unbefangen, ohne Hintergedanken. Und ohne sich an den Wert- und Normsystemen der Erwachsenenwelt zu orientieren, welche uns Erwachsenen verbieten, mit solchen Worten um uns zu werfen. Unsere dauernden Ermahnungen wie „Scheisse sagt man nicht“ prallen deshalb meist unbeachtet und unverstanden an den kleinen Wortakrobaten ab.

Berücksichtigen Sie deshalb immer, dass die Art und Weise, wie wir Erwachsenen mit der Sprache umgehen, wie und wann wir fluchen dürfen, was wir als tolerierbar empfinden und was absolut nicht akzeptabel ist, ein jahrelanger Lernprozess ist. Um soziale Normen zu verinnerlichen, braucht es viel Zeit und Übung. Diese Zeit müssen wir unseren Kindern geben. Seien Sie geduldig und erwarten Sie nicht von Ihrem Kind, dass es nach der ersten Ermahnung schon versteht, weshalb man „Scheisse“ nicht in jeder Situation sagen darf.

Warum sind Schimpfwörter für Kinder so faszinierend?


Kinder brennen darauf, Wörter, die sie auf dem Spielplatz, in der Kinderkrippe oder im Kindergarten aufgeschnappt haben, an den Erwachsenen und anderen Kindern auszuprobieren und ihre Reaktion zu testen. Sie entdecken dabei die Macht der Sprache und spielen damit. Das ist auch richtig und durchaus sinnvoll.

Schimpfwörter eröffnen Kindern eine neue Welt. Die Sprache gibt ihnen ein Mittel, sich abzugrenzen und die Grenzen des Gegenübers zu testen. Je ausgereifter und kreativer die Sprache wird, desto vielfältiger ist sie einsetzbar und umso mächtiger wird sie. Dies machen sich die Kinder zunutze und verwenden sie deshalb auch so gerne. Fluchen macht Spass. Es gibt kaum Wörter, die so heftige Reaktionen verursachen, wie Schimpf- oder Fluchwörter. Also sind sie für Kinder spannend und faszinierend. 

Kinder fluchen, schimpfen und beleidigen aber auch, weil sie in vielen Situationen noch nicht in der Lage sind, sinnvoll und sachlich zu argumentieren und zu diskutieren. Dann ist es einfacher und vor allem effektiver, gleich zum verbalen Angriff überzugehen. Dieses Verhalten ist auch in der Erwachsenenwelt nicht ganz unbekannt. Fluchen wir doch nicht selten vor uns hin, wenn wir mit einer Situation überfordert sind oder ihr ohnmächtig gegenüber stehen. Oder wenn wir einfach Frust ablassen müssen.

Fluchen ist nicht gleich Fluchen


Nicht alle Schimpfwörter sind gleich schlimm. Und nicht alle Kraftausdrücke erfordern eine aktive erzieherische Reaktion. Je nach dem, was der Grund oder der Ursprung des Fluchens ist, sollte man unterschiedlich darauf reagieren. Hören Sie also genau hin, was für eine Art Wort Ihr Kind verwendet und in welchem Zusammenhang.

  • Verwendet ein kleines Kind ohne böse Absichten ein aufgeschnapptes Wort, nur um zu testen, welche Reaktionen es für dessen Gebrauch erhält, sollten Sie es möglichst ignorieren. Wenn es dafür keine zusätzliche Aufmerksamkeit erhält, wird die Sache bald langweilig und uninteressant.

  • Geht es beim Fluchen darum, negative Gefühle zu kanalisieren und Dampf abzulassen, macht das in gewissen Fällen Sinn und verhindert womöglich, dass das Kind seinen Frust und Ärger mit körperlichem Einsatz abreagiert, indem es beispielsweise um sich schlägt.

  • Schimpfen die Kinder aber dauernd vor sich hin und fluchen bei jedem Missgeschick, sollten Sie darauf definitiv reagieren und Alternativen aufzeigen.

  • Auch ganz klar: Beleidigt oder verspottet Ihr Kind absichtlich bestimmte Personen oder Personengruppen, z.B. Menschen mit Behinderungen, sollten Sie klar und unmissverständlich, jedoch ruhig reagieren. Schimpfen Sie nicht, sondern erklären Sie, warum diese Beschimpfung nicht angebracht war und was sie beim Betreffenden auslösen könnte.

Schimpfwörter und Beleidigungen werden von Kindern übrigens längst nicht so schlimm und negativ angesehen, wie von uns Erwachsenen. Ein Streit mit richtig heftigen Kraftausdrücken ist bald wieder vergessen. Während wir Erwachsenen in Gedanken immer noch über die bösen Worte und Beleidigungen nachdenken, spielen die Kinder schon lange wieder friedlich miteinander.

10 Tipps und Regeln für den Umgang mit Fluchwörtern


Da die meisten Eltern trotz bester Absichten vor den Schimpf- und Fluchtiraden ihrer Sprösslinge nicht verschont bleiben, hier einige hilfreiche Anregungen.

1. Seien Sie ein gutes Vorbild!


GANZ WICHTIG: Ihr Kind ahmt die Umgangssprache in Ihrer Familie nach. Achten Sie also vermehrt darauf, was Sie selber sagen und welche Ausdrücke Sie gebrauchen. Wenn Sie selber im Auto immer fluchen, weil der “Idiot da vorne nicht Auto fahren kann“, dann dürfen Sie nicht erwarten, dass Ihr Kind Ihnen das nicht nachmacht. Stehen Sie zu Ihrem Fehler, wenn trotzdem mal was rausrutscht. 


2. Verbieten Sie nicht grundsätzlich jedes Fluchwort!


Lassen Sie dem Kind einen gewissen Spielraum und verbieten Sie nicht grundsätzlich und vom erstmaligen Gebrauch an jedes wüste Wort, sondern versuchen Sie, Ihrem Kind den richtigen Umgang damit näher zu bringen.


3. Berücksichtigen Sie das Alter des Kindes!


Im Alter bis zu drei Jahren plappern Kinder gerne alles nach und freuen sich darüber, wenn sie damit eine Reaktion erzeugen können. Sie tun dies nicht aus bösem Willen oder um jemanden damit absichtlich zu verletzten. Es ist deshalb noch wenig sinnvoll, dem Kind zu erklären, weshalb es diese Wörter nicht gebrauchen darf. Es wäre auch rein von der kognitiven Entwicklung her noch nicht in der Lage, dies zu verstehen. Ab 3 Jahren jedoch versteht ein Kind den Unterschied zwischen gut und böse, richtig oder falsch. Nun macht es Sinn, dem Kind die Bedeutung des Wortes zu erklären und ihm verständlich zu machen, weshalb es dieses Wort nicht verwenden soll.


4. Schenken Sie harmlosen Fluchworten keine Aufmerksamkeit! 


Verziehen Sie keine Miene, wenn Ihr kleines Kind etwas Unanständiges sagt. Werden Sie nicht ärgerlich und ignorieren Sie es einfach. Wenn es für seine Wortwahl keine Reaktion und keine zusätzliche Aufmerksamkeit erhält, verliert es schnell das Interesse daran.


5. Benennen Sie die Gefühlslage des Kindes!


Statt dem frustrierten oder wütenden Kind die Schimpfworte zu verbieten, mit dem es seinen Ärger loswerden möchte, benennen Sie das Gefühl des Kindes. Sagen Sie ihm: „Du bist wütend, das verstehe ich". Das hilft dem Kind, die vielen diffusen Gefühle einzuordnen und ihnen Namen zu geben. 


6. Setzen Sie klare Grenzen
!

Viele Kraftausdrücke darf man getrost ignorieren. Doch sagen Sie klar und unmissverständlich, welche Wörter absolut nicht tolerierbar sind. Wenn damit Menschen beleidigt werden oder Ausdrücke aus der untersten Schublade der Vulgärsprache gebraucht werden, ist dies nicht akzeptabel. Bleiben Sie aber ruhig und erklären Sie Ihrem Kind, dass es damit Menschen beleidigen oder vor den Kopf stossen kann. 


7. Erklären Sie die Bedeutung von Schimpfworten!


Versuchen Sie, Ihrem Kind gewisse Wörter altersgerecht zu erklären, sofern dies überhaupt schon möglich ist. Oder erklären Sie dem Kind, welche Gefühle es mit diesem Ausdruck bei anderen Menschen auslösen kann.


8. Lassen Sie Konsequenzen folgen!


Falls ihr Kind wiederholt und bewusst gewisse Schimpfworte einsetzt, sollte das für das Kind nachvollziehbare und logische Konsequenzen haben. Werden Sie nicht böse, sondern bleiben Sie gelassen. Sagen Sie dem Kind ruhig, dass Sie so nicht mit ihm reden und schicken Sie es aus der Küche. Oder verlassen Sie den Spielplatz, wenn es andere Kinder beleidigt. Sagen Sie ihm aber klar, warum Sie das machen.  


9. Belohnen Sie keine Beschimpfungen!

Wenn Ihr Kind wütend wird, weil es seinen Willen nicht durchsetzen kann, und Sie deshalb beschimpft, sollten Sie auf keinen Fall nachgeben. Belohnen Sie es auch nicht mit einem Lächeln, weil die wüsten Wörter aus dem Kindermund irgendwie lustig klingen. 


Bleiben Sie gelassen!
 Lassen Sie sich nicht von den Schimpfwörtern Ihres Kindes provozieren. Bleiben Sie ruhig und nehmen Sie es nicht persönlich. Vermeiden Sie auf jeden Fall, den Spiess umzudrehen und Ihrerseits das Kind zu beschimpfen.

10. Erfinden Sie lustige Alternativen!


Gewisse Wörter können bedenkenlos ignoriert werden. Andere können oder möchten Sie nicht akzeptieren. Eine Alternative zu diesen „verbotenen“ Ausdrücken sind Phantasieworte, welche anstatt dieser gebraucht werden dürfen. Oder lassen Sie jedes Familienmitglied ein Fluchwort, welches es nicht mehr sagen möchte, in einen Papiersack rufen, blasen Sie ihn auf und lassen Sie ihn mit einem Knall platzen. Falls das Wort den Eltern oder den Kindern dennoch herausrutscht, muss derjenige eine lustige Bestrafung über sich ergehen lassen. Die Person (ob Kind oder Eltern) muss sich z. B. auf den Boden setzen und ein Lied singen.

Letzte Aktualisierung: 03.02.2020, JL