Blinddarmentzündung
Jedes Kind hat irgendwann einmal Bauchschmerzen. Meist sind Blähungen, Verstopfung, eine Darminfektion oder verdorbene Lebensmittel die Ursache. Auch Kummer, Angst oder Aufregung lösen bei manchen Kindern Bauchweh aus, und selten auch gefährliche Situationen wie eine Blasenentzündung bzw. ein Harnstau (Harnverhalt), eine Hodentorsion oder ein verdrehter Eierstock - oder eben eine Blinddarmentzündung.
Eine Blinddarmentzündung (Appendizitis) tritt am häufigsten bei Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren auf. Dann schwillt der entzündete Darmabschnitt des winzigen Wurmfortsatzes (ein Anhängsel des Blinddarms, wie man den Darmabschnitt zwischen Dick- und Dünndarm bezeichnet) an und kann schlimmstenfalls innerhalb weniger Stunden platzen. Ursache ist nicht selten ein Obstkern oder ein verhärtetes Stückchen Stuhl, das in diesem blinden Ende hängen bleibt, so dass sich Bakterien festsetzen und eine eitrige Entzündung auslösen können.
Die starken Bauchschmerzen treten sehr plötzlich – häufig kolikartig – im Mittelbauch um den Nabel herum auf und wandern innerhalb von Stunden in den rechten Unterbauch. Sie sind begleitet von Übelkeit, Erbrechen oder Fieber, beim Umherlaufen oder Husten verschlechtern sie sich. Die Bauchdecke fühlt sich prall und gespannt an. Das Kind ist innerhalb von sehr wenigen Stunden wie ausgewechselt, mag nicht mehr spielen und essen, kann nur gekrümmt stehen, will auf den Arm oder liegt mit angezogenen Beinen im Bett. Es muss dringend einem Arzt vorgestellt werden!
Denn Kinder sind durch eine Appendizitis besonders gefährdet. Andererseits ist die Diagnose bei Kindern zunächst einmal nicht einfach zu stellen, weil sie ihre Beschwerden nicht genau beschreiben können. Auch sind die Symptome sehr unterschiedlich. Dies kann einerseits dazu führen, dass der Blinddarm unnötigerweise entfernt wird, oder es andererseits zu einem Durchbruch (Perforation) kommt.
Fachleute empfehlen deshalb, die kleinen Patienten nicht nur am Bauch abzutasten und eine Blutuntersuchung durchzuführen, sondern auch mittels Ultraschall untersuchen. Mit hochauflösenden Ultraschallgeräten können sogar leichte Schwellungen des zwei bis sechs Millimeter dünnen Wurmfortsatzes gesehen werden. Mit diesem schmerzfreien, schnellen und kostengünstigen Verfahren erreichen erfahrene Untersucher bei normalgewichtigen Kindern eine hohe Treffsicherheit.
Bestehen nach der Sonografie jedoch nach wie vor Zweifel, ob der Blinddarm entzündet ist, sollte der Kinderchirurg eher operieren als hinauszögern. Abwarten ist bei Heranwachsenden nicht besser, auch wenn das in der Erwachsenenmedizin immer häufiger praktiziert wird. Wenn der Blinddarm durchbricht, drohen Komplikationen wie eine Bauchhöhlenvereiterung. Dabei platzt das vereiterte Gewebe, Keime und Stuhl ergiessen sich in den Bauchraum, die Entzündung breitet sich dort aus. Das passiert oft bereits 24 bis 48 Stunden nach den ersten Symptomen. Beim Blinddarmdurchbruch (Perforation) lassen die Schmerzen eventuell zuerst nach, kehren aber einige Zeit später schlimmer als zuvor wieder zurück - und eine lebensbedrohliche Situation ist entstanden.
Dagegen ist das Risiko einer Blinddarmentfernung (Appendektomie) als Routineeingriff wesentlich geringer, vor allem weil sich die Operationsmethode stark geändert hat. Eine aktuelle Umfrage an 98 kinderchirurgischen Kliniken in Deutschland zeigte, dass über 70 Prozent den entzündeten Blinddarm minimalinvasiv operieren. Dabei entfernt der Chirurg den entzündeten Wurmfortsatz mit stabförmigen Instrumenten entweder über drei winzige Schnitte in die Bauchdecke oder über einen einzigen Zugang über den Bauchnabel, anstatt den Bauch wie bisher mit einem grösseren Schnitt zu eröffnen. Solch eine "Schlüsselloch-Operation" (Laparoskopie) des Blinddarms dauert eine halbe bis eine Stunde. Die Kinder leiden weniger unter Schmerzen, die Wunde entzündet sich seltener, Narben sind kaum sichtbar und die kleinen Patienten können schon nach drei bis fünf Tagen wieder nach Hause gehen, vorausgesetzt, sie haben kein Fieber, die Wunde verheilt gut und sie haben wieder Appetit und Stuhlgang.
Immer wieder wird diskutiert, ob man milde Fälle von Appendizitis auch mit einem Antibiotikum behandeln könne, um den Wurmfortsatz zu erhalten. Immerhin habe der eine wichtige Funktion für die Immunabwehr und sei ein Reservoir für nützliche Darmbakterien, mithilfe derer sich der Darm nach einem schweren Infekt leichter erholen kann. Doch Fachleute sind nach wie vor skeptisch. Bislang sei nicht sicher geklärt, bei welchen Patienten eine Antibiotikatherapie tatsächlich ausreichen könnte. Ausserdem hätte sich in Studien aus den USA gezeigt, dass die Entzündung zwar erst einmal abklinge, danach aber in etlichen Fällen wiederkäme.