Frag bloss nicht...

Mutter und Sohn sitzen auf dem Sofa und reden miteinander
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Als ich noch ein junges Ding war, hatte ich häufig mit einer Mehrfachmutter zu tun, die auf die Fragen ihrer Kinder genau zwei Antworten kannte: "Einfach" und "Weil ich es dir sage". Egal, ob die Mama gerade blendend gelaunt oder mies drauf war, ob sie alle Hände voll zu tun hatte oder friedlich am Zvieri-Tisch sass, ob die Kinder quengelten oder ganz lieb um eine Auskunft baten - die Frau blieb bei ihren zwei knappen Standardantworten. Sie war wohl der Meinung, Kinder würden ja doch nichts verstehen, also könne man sich die Mühe sparen, auf ihre Anliegen einzugehen. Ich fand das natürlich ganz furchtbar und schwor mir, nie zu werden wie sie, falls ich mal Kinder haben sollte. 

Ich wurde dann die Mama, die auch auf die Frage "Aber warum können wir denn nicht wenigstens testen, ob unser Auto fliegen könnte, wenn wir Heliumballone aufs Dach binden?" noch eine halbwegs vernünftige Antwort zu finden versucht...

So wie mir geht es vermutlich ganz vielen Eltern: Wir haben es als lieblos empfunden, wie manche Menschen in unserer Kindheits- und Jugendzeit mit ihrem Nachwuchs umgesprungen sind und wollen es deshalb besser machen. Viel besser. So viel besser, dass wir Gefahr laufen, auf der anderen Seite des Pferdes runterzufallen. 

Nehmen wir mal das Beispiel "Zimmer aufräumen":

Ein harsches "Zimmer aufräumen, sofort!", ohne jede Erklärung kommt heutigen Eltern wohl kaum mehr über die Lippen. Den Kasernenhofton haben wir - vollkommen zu Recht - aus der Kommunikation mit unserem Nachwuchs verbannt. Kinder sind schliesslich keine Soldaten, die parieren sollen.

"Du räumst jetzt sofort dein Zimmer auf!" hört man zwar gelegentlich noch, doch nur, wenn wir uns nicht mehr anders zu helfen wissen. Auch der Befehlston hat nämlich - ebenfalls vollkommen zu Recht - im Kinderzimmer nicht mehr viel zu melden. Wer will denn schon, dass die Knöpfe nur noch kuschen, weil Mama und Papa sonst laut werden? 

Wenn heute ein Kind sein Chaos beseitigen soll, wählen die meisten Eltern einen ganz und gar vernünftigen Weg: "Komm, wir räumen schnell dein Zimmer auf. Ich helfe dir, dann sind wir bestimmt bald fertig und können in den Wald gehen."  Perfekt, nicht wahr? Wir sagen dem Nachwuchs freundlich, was wir erwarten, bieten Hilfe an und stellen etwas Schönes in Aussicht. So muss es doch einfach klappen. Da werden die lieben Kleinen bestimmt gleich fröhlich ins Zimmer hüpfen, um sich an die Arbeit zu machen. Na ja, an guten Tagen vielleicht schon. An anderen Tagen jedoch...

Wir alle kennen wohl Situationen, in denen wir alles in unserer Macht stehende getan haben, um dem Erziehungsratgeber zu genügen und am Ende gibt es trotzdem ein Theater. Weil Aufräumen doof bleibt, egal wie gut wir Erwachsenen die Aufforderung in Watte verpacken. Weil das Kind nicht verstehen kann, warum aufgeräumt werden muss, bevor es ab in den Wald geht. Weil auch Kinder schlecht gelaunt sein können und keine Lust haben, zu tun, was wir von ihnen erwarten. Weil auch wir nicht immer die Nerven haben, die es braucht, um eine Sache wie geplant durchzuziehen. Weil...

Wundert sich jemand, dass manche von uns - ich eingeschlossen - darob zuweilen fast verzweifeln? Da geben wir uns alle erdenkliche Mühe, liebevoll auf unsere Knöpfe einzugehen und dann läuft es trotzdem nicht, wie es sollte. Was bleibt einem da noch anderes als die totale Verzweiflung? Eine Verzweiflung, die in vielen Fällen so klingt: "Wollen wir vielleicht dein Zimmer aufräumen, Liebes?" Wir glauben doch tatsächlich, das Theater, das uns so sehr zusetzt, liesse sich vermeiden, wenn wir unseren lieben Kleinen vorgaukeln, sie hätten eine Wahl. Aber Kinder sind nicht dumm, die wissen ganz genau, dass sich hinter der zuckersüss formulierten Frage eine Aufforderung verbirgt und darum kennen viele darauf nur eine Antwort: "Nein, ich will nicht aufräumen. Aufräumen ist doof."

Tja, und schon haben wir den Salat. Das Zimmer sollte dringend aufgeräumt werden, das Kind weigert sich und wir wollen nicht auf die fragwürdigen Erziehungsmethoden früherer Zeiten zurückgreifen. Also versuchen wir, mit weiteren Fragen doch noch irgendwie ein "Okay, ich mach's" zu bekommen: 

"Hast du denn nicht viel lieber ein hübsches, aufgeräumtes Zimmer?"

"Möchtest du mit mir zusammen dafür sorgen, dass es der Teddy wieder schön gemütlich hat in seinem Reich?"

"Wollen wir ein kleines Aufräumspiel spielen? Das macht dir bestimmt viel Spass, nicht wahr?"

Doch alles, was zurückkommt, ist ein immer deutlicheres: "Nein! Will nicht!" Denn wir haben ja gefragt, und man wird doch wohl noch nein sagen dürfen, wenn man etwas gefragt wird. Wenn die Sache ganz aus dem Ruder läuft, baut sich der Nachwuchs irgendwann vor den Eltern auf und schreit: "Ich WILL nicht aufräumen! Ich will IN DEN WALD! Und zwar JETZT SOFORT!" Und schon ist der Befehlston zurück im Kinderzimmer. Diesmal ist einfach der Befehlshaber deutlich kleiner als früher. 

Wie? Sie möchten wissen, ob ich einen Ausweg kenne aus dieser vertrackten Situation? An guten Tagen schon. Dann erteile ich meinen Kindern gut überschaubare Aufträge, sage klar und deutlich, was ich erwarte und bleibe dran, bis alles erledigt ist. Und an schlechten Tagen? Nun ja, zu welchen pädagogischen Höhenflügen wir Eltern an schlechten Tagen fähig sind, habe ich oben bereits zur Genüge beschrieben...

Letzte Aktualisierung: 06.03.2018, TV

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