Wachstum braucht Süsses

Aus der Forschung

Kinder und Süssigkeiten
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Kinder lieben Süssigkeiten, weil sie wachsen und Süsses ihr biologisches Bedürfnis nach einer Energiequelle erfüllt. Das behaupten US-amerikanische Wissenschaftler in einem Beitrag der Fachzeitschrift Physiology & Behaviour. "Die Verbindung zwischen der Vorliebe für Schleckereien und dem Wachstum macht Sinn. Denn in der Zeit, in der Kinder schnell wachsen, braucht ihr Körper auch mehr Kalorien", sagt die Studienautorin Danielle Reed, Genetikerin am Monell Center in Philadelphia/USA. Die Tatsache, dass Kinder in allen Kulturen einen höheren Zuckergehalt im Essen bevorzugen als Erwachsene, könne somit biologische Ursachen haben.

Die Bestätigung ihrer These fand die Forscherin in Untersuchungen von 143 Teilnehmern im Alter zwischen elf und 15 Jahren. Sie unterzog die Kinder einem Geschmackstest, der sie nach Stärke ihrer Vorliebe für Süssigkeiten klassifizierte. Daneben wurden auch Blut und Urin der Kinder auf mehrere Hormone und Wachstumsmarker getestet. Bei den Kindern, die am wenigsten positiv auf Zuckerhältiges reagierten, stellte die Forscherin geringere Werte des Biomarkers NTx fest als bei den anderen Versuchspersonen. Dieser Biomarker spielt eine Rolle im Knochenwachstum von Kindern und Jugendlichen. Zusammenhänge mit anderen biologischen Faktoren wie etwa mit der Konzentration von Pubertäts- oder Sexualhormonen wurden hingegen nicht gefunden.

"Das zeigt erstmals eine Verbindung zwischen Hang zu Süssem und der biologischen Notwendigkeit", so Reed. Während der Jugendzeit werde diese Vorliebe allmählich geringer, besonders wenn das Wachstum abgeschlossen ist.

Dass Kinder ein anderes Geschmacksempfinden haben als Erwachsene, zeigte auch eine Studie im Rahmen des EU-Projektes IDEFICS am ttz in Bremerhaven. Über 400 Kinder zwischen drei und acht Jahren haben an sensorischen Schwellentests teilgenommen, die am ttz speziell zur Messung der Geschmackswahrnehmung von Kindern eingesetzt wurden.

Das Ergebnis: Die Empfindung "süss" stellt sich erst bei einer relativ hohen Zuckerkonzentrationen von 8,6 Gramm / Liter ein - das entspricht der Süsse einer Limonade. Aber: Je älter des Kind/der Jugendliche, desto geringer fällt die Konzentration aus, bei der eine Lösung gerade noch als nicht geschmacksneutral empfunden wird. Diese so genannte Reizschwelle sank besonders zwischen dem achten Lebensjahr und dem Erwachsenenalter stark ab. Neurophysiologische Gründe können dafür keine Erklärung liefern, da die Geschmacksorgane sowie ihre nervliche Vernetzung in diesem Alter bereits voll ausgebildet sind. Vielleicht gibt die oben genannte Studie aus den USA dazu neue Erkenntnisse.

Eins scheint jedoch klar zu sein: Will man Programme entwickeln, die eine ausgewogene Ernährung von Kindern und Jugendlichen fördern, ist das Verständnis der geschmacklichen Wahrnehmung in diesen Altersstufen eine wichtige Voraussetzung. Bisher gilt jedoch offiziell die gleiche DIN-Norm als Grundlage für Geschmackstests bei Erwachsenen und Kindern.

Letzte Aktualisierung: 06.04.2021, BH