Long Covid: das Wichtigste im Überblick

Long Covid wird oft als diffuse und schwer fassbare Krankheit beschrieben. Doch es gibt einiges, was inzwischen bekannt ist.

Erschöpfte Frau liegt auf dem Sofa
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Schon ganz früh in der Pandemie berichteten Betroffene von bleibenden Krankheitssymptomen nach einer Covid-Infektion. Bald einmal prägten sie für ihren Zustand den Begriff "Long Covid". Zwar sind allzu viele Fragen im Zusammenhang mit dieser einschneidenden Krankheit noch unbeantwortet. Inzwischen gibt es aber immerhin einige Erklärungsansätze. 

Long Covid oder Post Covid - was ist der Unterschied?


Während Betroffene ihre Krankheit in der Regel als Long Covid bezeichnen, verwenden Fachleute meistens den Begriff Post-Covid-Erkrankung. Diese kann gemäss Definition der WHO diagnostiziert werden, wenn: 

  • drei Monate nach einer bestätigten oder wahrscheinlichen Ansteckung mit dem Coronavirus Symptome bestehen bleiben.

  • diese Symptome seit mindestens zwei Monaten andauern.

  • die Beschwerden nicht durch eine andere Diagnose erklärt werden können. 

Die Begriffe "Long Covid" und "Post Covid" werden jedoch umgangssprachlich und in den Medien nicht einheitlich verwendet. Oft werden sämtliche Langzeitfolgen, die nach einer Covid-Infektion auftreten können, als "Post Covid" bezeichnet. Also zum Beispiel Organschäden, eine verzögerte Genesung, wie sie auch von anderen Viren bekannt ist, Nachwirkungen einer Intensivbehandlung etc. Die Bezeichnung "Long Covid" bezieht sich dann konkret auf das Krankheitsbild, das mit einer chronischen Fatigue, Belastungsintoleranz, Konzentrationsstörungen ("Brain Fog") etc. einhergeht. Da dies auch von vielen Betroffenen so gehandhabt wird, verwenden wir den Begriff "Long Covid" in unseren Artikeln in diesem Sinne. 

Wer ist gefährdet, an Long Covid zu erkranken?


Grundsätzlich besteht bei jeder Covid-Infektion das Risiko, an Long Covid zu erkranken. Langzeitfolgen können auch erst nach einer zweiten oder dritten Ansteckung auftreten. Frauen erkranken deutlich öfter als Männer und die Altersgruppe der 30- bis 50-Jährigen ist besonders stark betroffen. Long Covid trifft nicht in erster Linie diejenigen, die einen schweren Akutverlauf hatten und hospitalisiert werden mussten. Sehr oft leiden junge, aktive Menschen, die vergleichsweise leicht erkrankt waren, an Langzeitfolgen. 

Können auch Kinder erkranken?


Kinder können ebenfalls betroffen sein und manche von ihnen erkranken schwer. Verlässliche Zahlen, wie viele Minderjährige an Long Covid leiden, wie schwerwiegend ihre Symptome sind und wie lange sie krank bleiben, sind kaum vorhanden. Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass zumindest Teenager und Jugendliche in einem ähnlichen Mass betroffen sind wie Erwachsene.

Schützt die Impfung vor Long Covid?


Gemäss mehreren Studien senkt die Impfung das Long-Covid-Risiko. Es liegt jedoch nicht bei Null und Geimpfte müssen sich bewusst sein, dass sie ebenfalls erkranken können

Wie kann man sich vor Long Covid schützen?


Der einzige sichere Schutz vor Long Covid ist, sich nicht (erneut) mit dem Coronavirus anzustecken. Insbesondere bei steigenden Infektionszahlen ist es deshalb sehr zu empfehlen, in Innenräumen, in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Menschenmengen eine gut sitzende Maske zu tragen (FFP2 oder FFP3). Zu Hause helfen Luftreiniger mit HEPA-Filtern sowie regelmässiges Lüften, das Risiko einer Ansteckung zu senken. Auch das Testen bei Krankheitssymptomen und die Selbstisolation von erkrankten Familienmitgliedern sind weiterhin empfehlenswert. 

Besonders wichtig ist der Infektionsschutz, wenn Sie bereits an Long Covid erkrankt sind. Eine Reinfektion birgt das Risiko einer Zustandsverschlechterung. Darum wird Long Covid-Betroffenen auch zu regelmässigen Auffrischimpfungen geraten. Falls sich Ihre Symptome über die Zeit etwas gebessert haben, kann eine erneute Infektion diese Fortschritte wieder zunichtemachen.  

Nachdem Sie eine Covid-Infektion durchgemacht haben, sollten Sie Ihrem Körper mehrere Wochen Schonung gönnen. Es gibt Hinweise darauf, dass das Risiko für Langzeitfolgen steigt, wenn Sie sich zu bald nach der Krankheit überanstrengen und unter Stress stehen. 

Werden Betroffene wieder gesund?


Während viele Ärzte zu Beginn davon ausgingen, dass die Krankheitssymptome nach einiger Zeit von selbst wieder verschwinden, zeigen neuere Untersuchungen ein anderes Bild. Zwar erleben einige Patientinnen tatsächlich eine langsame Besserung, viele leiden jedoch auch noch zwei oder drei Jahre nach der Infektion an bleibenden Symptomen. Ein Teil der Langzeitbetroffenen erfüllt zudem die Diagnosekriterien für ME/CFS.

Gibt es eine Therapie?


Eine Therapie, welche die Krankheitsursachen bekämpft, existiert zurzeit nicht. Es gibt jedoch Therapieansätze, mit denen sich Symptome lindern lassen. Dadurch wird die Lebensqualität zumindest etwas verbessert. Daneben ist es wichtig, dass die Betroffenen Strategien erlernen, wie sie mit ihren verminderten Energiereserven und den belastenden Krankheitssymptomen umgehen können.

Die Medikamente, die zurzeit zur Symptomlinderung eingesetzt werden, sind noch nicht spezifisch für Long Covid zugelassen und werden deshalb Off-Label, also ausserhalb ihrer vorgesehenen Anwendung, verschrieben.

Wichtig

Unsere Artikelserie zum Thema Long Covid bietet einen groben Überblick zu einem äusserst komplexen Krankheitsbild, zu dem laufend neue Forschungsergebnisse veröffentlicht werden. Weiterführende Informationen, die mehr ins Detail gehen, finden Sie beispielsweise bei der Patientenorganisation Long Covid Schweiz.

Wie viele Long-Covid-Betroffene gibt es?


Die Angaben, wie viele Menschen an Long Covid erkrankt sind, schwanken erheblich. Die Differenzen lassen sich auf unterschiedliche Definitionen und Untersuchungsmethoden zurückführen. So wird z. B. nicht immer unterschieden, ob es sich um eine verzögerte Genesung handelt, die man auch von anderen Viruserkrankungen kennt, ob die Langzeitfolgen im Zusammenhang mit einem schweren Akutverlauf stehen oder ob chronische Beschwerden nach einer relativ milden Infektion aufgetreten sind. In manchen Untersuchungen werden sämtliche Folgen einer Covid-Infektion berücksichtigt, in anderen nur bestimmte Symptome oder Symptomgruppen.

Diverse neuere Untersuchungen haben ergeben, dass zwischen 3 und 5 Prozent der Gesamtbevölkerung betroffen sind. In der Schweiz wären das ca. 300'000 bis 450'000 Erkrankte. Genaue Zahlen werden jedoch bislang nicht erhoben. Gemäss Angaben der WHO war im Juni 2023 in Europa eine von 30 Personen an Long Covid erkrankt. 

Welche Ursachen liegen der Krankheit zugrunde?


Es ist noch längst nicht abschliessend geklärt, welche Ursachen Long Covid zugrunde liegen. Vieles deutet auch darauf hin, dass mehrere gleichzeitig für die Vielfalt der Symptome zuständig sein können. Es gibt inzwischen jedoch verschiedene Hypothesen, was alles eine Rolle spielen könnte:

  • Der Verbleib von Sars-CoV-2-Viren oder von Virusbestandteilen in verschiedenen Körpergeweben. 

  • Die Reaktivierung von im Körper vorhandenen Viren wie zum Beispiel dem Epstein-Barr-Virus oder Herpesviren 

  • Regulationsstörungen des Immunsystems. 

  • Auswirkungen des Coronavirus auf das Mikrobiom, also auf die Mikroorganismen, die den menschlichen Körper besiedeln.

  • Autoimmunität: Das Immunsystem erkennt körpereigene Stoffe nicht und bildet Antikörper dagegen. 

  • Schädigungen von Blutgefässen und des Endothels (der Zellschicht, die das Innere von Blutgefässen auskleidet).

Diese - und möglicherweise noch weitere - Ursachen führen vermutlich zu verschiedensten Schäden und Funktionsstörungen in Organen und Körpersystemen: verstärkte Blutgerinnung, verminderte Durchblutung (auch des Gehirns), reduzierter Sauerstofftransport bis in kleinste Gefässe, Fehlfunktionen der Mitochondrien, also der Zellbestandteile, die für die Energieproduktion zuständig sind, anhaltende Entzündungen, Fehlregulation des Kreislaufs, Schädigung des peripheren Nervensystems, Verdauungsstörungen, Zyklusbeschwerden etc. 

All dies macht sich nicht nur in einzelnen Krankheitssymptomen bemerkbar. Viele Long-Covid-Betroffene sind nach einiger Zeit bestens vertraut mit Krankheitsbildern, die sich in einer Vielzahl von verschiedenen Beschwerden äussern: Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS), Posturales Orthostatisches Tachykardie-Syndrom (POTS), Small Fiber Neuropathie (eine Erkrankung des peripheren Nervensystems) und ME / CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatiguesyndrom). 

Warum haben nicht alle Betroffenen die gleichen Symptome?


Bei der Vielfalt von möglichen Krankheitsursachen, die diverse Systeme im Körper schädigen können, verwundert es nicht, dass sich das Krankheitsbild in verschiedensten Facetten zeigt. Auf manchen Listen werden bis zu 200 Symptome aufgeführt.

Da bestimmte Kombinationen von Symptomen häufiger auftreten, wird vermehrt versucht, das Krankheitsbild in verschiedene Subtypen einzuteilen. So leiden zum Beispiel manche Betroffene vorwiegend unter Belastungsintoleranz, Fatigue und kognitiver Erschöpfung ("Brain Fog"). Andere wiederum haben stärker mit Allergien, anhaltenden Kopfschmerzen und Verdauungsstörungen zu kämpfen. Diese Subtypen sind jedoch zurzeit noch nicht klar definiert. Die Abgrenzung ist auch nicht ganz einfach. Denn eine Person, die z. B. eine deutliche Belastungsintoleranz hat, kann zugleich von Durchfall und allergischen Reaktionen geplagt sein. 

Eine Unterscheidung scheint besonders wichtig zu sein: Die Langzeitfolgen nach einem schweren Akutverlauf mit Aufenthalt auf der Intensivstation sind nicht gleich wie nach einer vergleichsweise milden Infektion. Dies hat Auswirkungen auf die Behandlung. Eine Rehabilitation mit Aufbautraining kann nach einem schweren Krankheitsverlauf sinnvoll und hilfreich sein. Bei Long Covid mit Belastungsintoleranz jedoch kann diese zu einer Zustandsverschlechterung führen. Diese ist unter Umständen dauerhaft. Dieses Beispiel zeigt auf, wie problematisch es ist, sämtliche Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion unter dem Sammelbegriff "Post Covid" zusammenzufassen. 

Kann man Long Covid überhaupt nachweisen?


Den einen Test, mit dem sich Long Covid z. B. anhand von Blutproben nachweisen lässt, gibt es bislang nicht. Es ist aber trotzdem nicht korrekt, wenn oftmals behauptet wird, es handle sich bei den beschriebenen Beschwerden ausschliesslich um Selbstauskünfte der Betroffenen, die nicht belegt werden könnten.

Zwar sind die Resultate von Standarduntersuchungen wie Blutbild, EKG, MRI, Lungenfunktionstests etc. meist unauffällig. Dadurch lässt sich jedoch keineswegs ableiten, dass die Patientinnen körperlich gesund sind und ihre Beschwerden psychosomatische Ursachen haben. Zahlreiche Studien haben inzwischen Auffälligkeiten festgestellt, die allerdings noch nicht standardmässig untersucht werden. So zeigte zum Beispiel eine aktuelle Studie einen Zusammenhang zwischen einer Verringerung des Neurotransmitters Serotonin und neurokognitiven Symptomen wie "Brain Fog". 

Einiges lässt sich aber bereits jetzt nachweisen. Mit einem einfachen neurologischen Test (Schellong Test / Kipptisch-Test) kann z. B. überprüft werden, ob es beim Wechsel vom Liegen zum Stehen innerhalb von 10 Minuten zu einem Anstieg der Herzfrequenz um mehr als 30 Schläge pro Minute und / oder einem Abfall des Blutdrucks kommt. Ist dies der Fall, deutet dies auf POTS hin. Diese Fehlregulation des Kreislaufs tritt unter anderem im Zusammenhang mit Long Covid häufig auf. Bei Belastungstests wie z. B. einem Gehtest mit Pulsoximeter ist die Sauerstoffsättigung zwar oft unauffällig, doch die Patientinnen schaffen es nicht, die gleiche Strecke zurückzulegen wie gesunde Erwachsene.

Es besteht auch die Möglichkeit, das Blutserum auf Autoantikörper zu untersuchen, die vermutlich bei Long Covid eine Rolle spielen. Diese Blutuntersuchungen werden aktuell jedoch noch nicht von der Krankenkasse bezahlt

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