Na­tür­li­che Ge­burt nach Kai­ser­schnitt

Aus der For­schung

Schwangere mit ihrem Partner bei der Ultraschalluntersuchung
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Ein Kai­ser­schnitt er­höht das Ri­si­ko für die Frau, dass bei der Ge­burt ei­nes wei­te­ren Kin­des die Ge­bär­mut­ter reisst. Vie­le Ge­burts­hel­fer ra­ten des­halb bei ei­ner er­neu­ten Schwan­ger­schaft wie­der zu ei­nem Kai­ser­schnitt. Wünscht sich eine Frau den­noch eine na­tür­li­che Ge­burt, kann eine Ul­tra­schall­un­ter­su­chung bei der Ent­schei­dung hel­fen. Dar­auf deu­tet eine wis­sen­schaft­li­che Stu­die hin. In­dem der Arzt die Kai­ser­schnitt­nar­be per Va­gi­nal-Ul­tra­schall un­ter­sucht, kann er ge­nau­er ein­schät­zen, ob eine Frau na­tür­lich ent­bin­den könn­te oder nicht. Dies teilt die Deut­sche Ge­sell­schaft für Ul­tra­schall in der Me­di­zin (DE­GUM) mit.

„Ein Riss der Ge­bär­mut­ter ist zwar ins­ge­samt sel­ten, al­ler­dings ist die­se so­ge­nann­te Ute­rus­rup­tur eine zu Recht ge­fürch­te­te Kom­pli­ka­ti­on, die die Ge­sund­heit von Mut­ter und Kind be­droht“, er­klärt DE­GUM-Ex­per­te Pro­fes­sor Dr. Ul­rich Ge­mbruch, Lei­ter der Ab­tei­lung für Ge­burts­hil­fe und Prä­na­tal­me­di­zin am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Bonn. Ohne Vor­ope­ra­ti­on und Nar­be reisst die Ge­bär­mut­ter wäh­rend der Ge­burt ex­trem sel­ten: Dies kommt bei 0,5 bis 2 von 10 000 Ge­bur­ten vor. Ein vor­her­ge­hen­der Kai­ser­schnitt stei­gert die Häu­fig­keit auf 75 von 10 000 Ge­bur­ten. „Wenn die Ge­burt ein­ge­lei­tet wer­den muss und We­hen ver­stär­ken­de Me­di­ka­men­te zum Ein­satz kom­men, steigt das Ri­si­ko noch­mals auf 1 bis 4 Pro­zent“, so Ge­mbruch.

„Auf­ga­be des Arz­tes ist es, eine Mut­ter, die sich eine na­tür­li­che Ge­burt wünscht, über die Ri­si­ken zu in­for­mie­ren“, er­klärt der Ex­per­te. „Die Ent­schei­dung liegt bei den El­tern“. Eine bis­her sel­ten ge­nutz­te Mög­lich­keit, das in­di­vi­du­el­le Ri­si­ko ab­zu­schät­zen, ist die Va­gi­nal-So­no­gra­fie. Bei die­ser Un­ter­su­chung, die auch im Rah­men der Schwan­ger­schafts­vor­sor­ge er­folgt, wird ein klei­ner Schall­kopf vor­sich­tig in die Schei­de ein­ge­führt. Durch die Nähe zur Ge­bär­mut­ter kann der un­ter­su­chen­de Arzt bei den meis­ten Schwan­ge­ren die vom Kai­ser­schnitt her­rüh­ren­de Nar­be se­hen.

Wis­sen­schaft­ler aus Eng­land und Bel­gi­en be­rich­ten nun in ei­ner On­line-Vor­ab­ver­öf­fent­li­chung im Fach­ma­ga­zin „Ul­tra­sound in Obstetrics & Gy­ne­co­lo­gy“, dass der Arzt an der Stär­ke der Mus­kel­schicht im Be­reich der Nar­be be­reits zwi­schen der 19­ten und 22s­ten Schwan­ger­schafts­wo­che er­ken­nen kann, ob die Ge­bär­mut­ter den Be­las­tun­gen ei­ner na­tür­li­chen Ge­burt stand­hal­ten kann. „Da­mit wird eine recht gute Ri­si­ko­ab­schät­zung mög­lich“, er­klärt Ge­mbruch. „Wenn die Mus­kel­wand stark ge­nug ist und im Ver­lauf der Schwan­ger­schaft nicht we­sent­lich ab­nimmt, kann selbst bei ei­ner grös­se­ren Nar­be eine va­gi­na­le Ent­bin­dung ver­sucht wer­den“, so der Ex­per­te.

Für ihre Ar­beit zo­gen die Wis­sen­schaft­ler Da­ten von 131 Frau­en her­an, die im Vor­feld ein Mal per Kai­ser­schnitt ent­bun­den hat­ten. Von ih­nen konn­ten 74 er­folg­reich va­gi­nal ent­bin­den. Die üb­ri­gen Frau­en be­ka­men ihr Kind letzt­lich per Kai­ser­schnitt: Die Grün­de hier­für wa­ren in über 80 Pro­zent der Fäl­le ent­we­der ein Ge­burts­still­stand, eine Ge­burt, die sich zu lan­ge – über 18 Stun­den – hin­zog, oder eine be­droh­li­che Si­tua­ti­on für das Kind. Bei zwei der Frau­en riss wäh­rend der Ent­bin­dung die Ge­bär­mut­ter. „Bei­den Frau­en wäre heu­te auf­grund der Be­fun­de in der Va­gi­nal-So­no­gra­fie von ei­ner va­gi­na­len Ent­bin­dung ab­ge­ra­ten wor­den“, sagt Pro­fes­sor Ge­mbruch.

Na­tür­lich gel­te es, bei der Be­ra­tung auch an­de­re in­di­vi­du­el­le Be­ge­ben­hei­ten zu be­rück­sich­ti­gen. „Frü­he­re Stu­di­en ha­ben ge­zeigt, dass ne­ben ei­ner be­reits er­folg­ten va­gi­na­len Ge­burt die Grün­de für den Kai­ser­schnitt und der zeit­li­che Ab­stand zu die­sem die wich­tigs­ten Fak­to­ren sind, an­hand de­rer die Chan­cen für das Ge­lin­gen ei­ner va­gi­na­len Ge­burt be­mes­sen wer­den kön­nen“, er­klärt Ge­mbruch. Nach ei­nem ge­plan­ten Kai­ser­schnitt, etwa auf­grund ei­ner Be­cken­end­la­ge des Kin­des, ste­hen die Chan­cen dem­nach deut­lich bes­ser, als wenn der Kai­ser­schnitt nach ei­nem Ge­burts­still­stand vor­ge­nom­men wur­de. Au­ßer­dem sinkt das Ri­si­ko mit der Zeit, die seit dem Kai­ser­schnitt ver­gan­gen ist. Meh­re­re Kai­ser­schnit­te wie­der­um er­hö­hen es.

Frau­en­ärz­te kön­nen die Ul­tra­schall­un­ter­su­chung der Kai­ser­schnitt­nar­be un­ter an­de­rem im Rah­men der Schwan­ger­schafts­vor­sor­ge zwi­schen der 19­ten und 22s­ten Schwan­ger­schafts­wo­che durch­füh­ren.

Aus der For­schung: http://www.de­gum.de ; Naji O. et al.:  Ul­tra­sound in Obstetrics & Gy­ne­co­lo­gy 2013, Feb 1. doi: 10.1002/uog.12423.

Letzte Aktualisierung: 18.02.2021, BH

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