Tier­lie­be be­deu­tet so­zia­le Kom­pe­tenz

Aus der For­schung

Kinder holen ein Kaninchen aus dem Käfig
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Der Um­gang ei­nes Men­schen mit Tie­ren kann dar­über Aus­kunft ge­ben, wie er sei­ne Be­zie­hun­gen er zu an­de­ren Men­schen führt. Zu die­sem Schluss kom­men Ver­hal­tens­bio­lo­gen der Uni­ver­si­tät Wien. "Für­sorg­li­ches Ver­hal­ten ge­gen­über ei­nem Tier ist kein Er­satz für man­geln­de Fä­hig­kei­ten zur In­ter­ak­ti­on, wie oft an­ge­nom­men wird. Aus­nah­men gibt es frei­lich", be­rich­tet Stu­di­en­au­tor Kurt Ko­trschal.

Die For­scher funk­tio­nier­ten ei­nen Kin­der­gar­ten mit 28 Mäd­chen und 22 Bu­ben zum Ver­suchs­la­bor um. Kä­fi­ge wur­den auf­ge­stellt und sechs Ka­nin­chen zo­gen vor­über­ge­hend ein. "Wir ent­schie­den uns für ei­nen Kin­der­gar­ten, da in die­sem Al­ter noch we­nig kul­tu­rel­ler Über­bau be­steht. Je jün­ger Men­schen sind, des­to stär­ker be­zie­hen sie sich in der Re­gel auf Tie­re", so Ko­trschal. Vi­deo­ka­me­ras be­ob­ach­te­ten die Kin­der, wie sie den Neu­zu­gang be­han­del­ten als auch wie sie sich beim Spie­len ver­hiel­ten. Dar­über hin­aus be­ant­wor­te­ten die El­tern und Päd­ago­gen Fra­gen zu Per­sön­lich­keits­struk­tur und Fa­mi­li­en­hin­ter­grund der Kin­der.

Die Kin­der re­agier­ten auf die Ka­nin­chen höchst un­ter­schied­lich. So­zi­al Iso­lier­te blie­ben teils völ­lig auf Di­stanz, zu­dem strei­chel­ten Mäd­chen die Tie­re häu­fi­ger als Bu­ben, die sich wie­der­um eher dem Stal­l­aus­mis­ten und Fut­ter­be­sor­gen wid­me­ten. "Dass Mäd­chen em­pa­thi­scher und so­zi­al in­ter­es­sier­ter sind, ist we­ni­ger kul­tu­rell, son­dern eher bio­lo­gisch grund­ge­legt. Es zeig­te sich je­doch, dass auch so­zi­al star­ke Bu­ben, die sich im Spiel als Mei­nungs­füh­rer und Streit­schlich­ter er­wie­sen, die Tie­re pro­blem­los aus den Kä­fi­gen nah­men und strei­chel­ten. Die an­de­ren Bu­ben emp­fan­den das als 'un­cool' und trau­ten sich nicht."

Die Er­geb­nis­se be­zeich­net Ko­trschal als höchst re­le­vant an­ge­sichts des Phä­no­mens der im­mer häu­fi­ge­ren un­si­cher ge­bun­de­nen Men­schen. "Der An­teil der­je­ni­gen, die kei­ne ver­trau­ens­vol­le Be­zie­hung mehr zu Men­schen auf­bau­en kön­nen, stieg in Deutsch­land von 30 Pro­zent in den 70er-Jah­ren auf heu­te schät­zungs­wei­se 40 bis 50 Pro­zent. Zu­dem weiss man, dass un­si­cher ge­bun­de­ne El­tern die­se Ei­gen­schaft mit 95-pro­zen­ti­ger Wahr­schein­lich­keit an die Kin­der wei­ter­ge­ben", so der Ver­hal­tens­bio­lo­ge.

Wich­tig sei die Er­kennt­nis da­her be­son­ders für the­ra­peu­ti­sche Zwe­cke. "Auch wenn das Ver­hält­nis etwa zu ei­nem Hund nicht eins zu eins auf mensch­li­che Be­zie­hun­gen über­tra­gen wer­den darf, kann das Tier Ver­mitt­ler und Tür­öff­ner zum Auf­bau von Ver­trau­ens­be­zie­hun­gen sein", be­tont Ko­trschal. Ak­tu­el­le Stu­di­en hät­ten ge­zeigt, dass un­si­cher ge­bun­de­ne Kin­der, die Stress­si­tua­tio­nen wie dem Vor­le­sen vor An­we­sen­den aus­ge­setzt wer­den, we­ni­ger Stress­hor­mo­ne frei­set­zen, wenn sie gleich­zei­tig ei­nen Hund strei­cheln. Die net­te Zu­wen­dung ei­nes Er­wach­se­nen oder ein Stoff­tier hat­ten dies nicht be­wirkt.

Quel­le: press­te­text.at, www.an­thro­zoo­lo­gy.org, www.be­ha­viour.uni­vie.ac.at

Letzte Aktualisierung: 18.03.2021, BH