Ers­ter, Zwei­ter, Drit­ter...

Drei Geschwister auf einer Couch
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Wel­che Chan­cen und Her­aus­for­de­run­gen brin­gen die ein­zel­nen Po­si­tio­nen in der Ge­schwis­ter­fol­ge mit sich?

"Erst­ge­bo­re­ne sind per­fek­tio­nis­tisch, ge­wis­sen­haft und kon­ser­va­tiv."

"Zweit­ge­bo­re­ne sind ent­spannt, ein­fühl­sam und kon­kur­rie­ren mit dem Erst­ge­bo­re­nen."

"Sand­wich­kin­der sind in sich ge­kehrt, di­plo­ma­tisch und ag­gres­siv."

"Nest­häk­chen sind char­mant, ver­wöhnt und un­selb­stän­dig."

Ist an die­sen Vor­ur­tei­len et­was dran?


Wenn sol­che Sät­ze fal­len, ist meist von der Ge­schwis­ter­kon­stel­la­ti­on die Rede, also von der Po­si­ti­on, die ein Kind in­ner­halb der Ge­schwis­ter­rei­he ein­nimmt. Doch ist es wirk­lich so ent­schei­dend, ob ein Kind als ers­tes oder als letz­tes in ei­ner Fa­mi­lie zur Welt kommt? In die­ser Fra­ge sind sich die For­scher un­eins. Wäh­rend die ei­nen der Ge­schwis­ter­fol­ge kei­ner­lei Be­deu­tung zu­schrei­ben, se­hen an­de­re dar­in ei­nen Schlüs­sel, um den Cha­rak­ter und das Ver­hal­ten ei­nes Kin­des bes­ser ver­ste­hen zu kön­nen. Wie so oft, wenn sich For­scher strei­ten, liegt die Wahr­heit wohl ir­gend­wo in der Mit­te.

Ge­schwis­ter sind wich­tig...


Ge­schwis­ter ver­brin­gen die ers­ten, prä­gen­den Le­bens­jah­re mit­ein­an­der, sie leh­ren ein­an­der, wie Be­zie­hun­gen funk­tio­nie­ren, sie ha­ben ei­nen Ein­fluss auf wich­ti­ge Le­bens­ent­schei­dun­gen und selbst dann, wenn sie spä­ter auf Di­stanz ge­hen, wird es im Le­ben im­mer wie­der Zei­ten ge­ben, in de­nen man sich zu­sam­men­rau­fen muss. Klar also, dass Ge­schwis­ter be­ein­flus­sen, wer wir sind und wie wir un­ser Le­ben meis­tern. So be­zwei­felt kaum je­mand, dass es ei­nen Un­ter­schied macht, ob ein Kind als Erst­ge­bo­re­nes sei­ne El­tern drei Jah­re lang ganz für sich hat, oder ob es als drit­tes von vier Kin­dern zur Welt kommt und im­mer ent­we­der zu klein ist, um mit "den Gros­sen" mit­zu­hal­ten, oder zu gross, um mit dem Nach­züg­ler spie­len zu kön­nen. Eben­so ein­leuch­tend ist es, dass er­fah­re­ne El­tern in vie­len Din­gen ge­las­se­ner sind als beim ers­ten Kind, wes­halb sie beim Jüngs­ten viel eher be­reit sind, fünf ge­ra­de sein zu las­sen. 

Aber sind des­we­gen wirk­lich alle Erst­ge­bo­re­nen gleich? Alle Sand­wich­kin­der? Alle Nest­häk­chen? Be­stimmt die Ge­schwis­ter­kon­stel­la­ti­on gar un­ser Schick­sal? Ge­wiss nicht, denn jede Fa­mi­lie ist ein ein­ma­li­ges Ge­fü­ge von ein­zig­ar­ti­gen Per­sön­lich­kei­ten mit ei­ner ei­ge­nen Ge­schich­te, die zu­dem von den ver­schie­de­nen Fa­mi­li­en­mit­glie­dern ganz un­ter­schied­lich er­lebt und in­ter­pre­tiert wird. So kann das glei­che Er­eig­nis am ei­nen Kind schein­bar spur­los vor­über­ge­hen, beim an­de­ren hin­ge­gen eine tie­fe Kri­se aus­lö­sen.

...an­de­re Ein­flüs­se spie­len aber auch eine Rol­le


Aus­ser­dem spie­len vie­le wei­te­re Fak­to­ren mit, zum Bei­spiel das Ge­schlecht oder der Al­ters­ab­stand. Ein ein­zi­ges Mäd­chen mit ei­nem äl­te­ren und ei­nem jün­ge­ren Bru­der nimmt eine be­son­de­re Po­si­ti­on in der Fa­mi­lie ein, wo­hin­ge­gen ei­nem Mäd­chen mit ei­ner äl­te­ren und ei­ner jün­ge­ren Schwes­ter ver­mut­lich eher die klas­si­sche Rol­le des Sand­wich­kin­des zu­teil wird. Je nä­her die Kin­der sich al­ters­mäs­sig sind, umso hef­ti­ger ist meist die Ri­va­li­tät. Auch die Über­zeu­gun­gen der El­tern ha­ben ei­nen Ein­fluss. Er­zie­hen sie zum Bei­spiel nach tra­di­tio­nel­len Rol­len­mus­tern, wird der erst­ge­bo­re­ne Sohn be­vor­zugt be­han­delt, er wird aber auch be­son­ders viel Ver­ant­wor­tung tra­gen müs­sen. Kommt hin­zu, dass vie­le El­tern ihre ei­ge­nen Er­fah­run­gen mit Ge­schwis­tern ge­macht ha­ben. Eine Mut­ter, die in ih­rer Her­kunfts­fa­mi­lie die Äl­tes­te ist, so­li­da­ri­siert sich häu­fig un­be­wusst mit ih­rem äl­tes­ten Kind; ein Va­ter, der als Sand­wich­kind auf­ge­wach­sen ist, stellt sich, ohne es zu wol­len, am ehes­ten hin­ter das mitt­le­re Kind, wenn es zu Streit un­ter den Ge­schwis­tern kommt. 

Wer sich mit der Ge­schwis­ter­kon­stel­la­ti­on aus­ein­an­der­setzt und da­nach sei­ne Fa­mi­lie nur noch durch die­se Bril­le be­trach­tet,  läuft Ge­fahr, sei­ne Kin­der in ein star­res Sche­ma zu pres­sen. An­statt so auf das Kind ein­zu­ge­hen, wie es die Si­tua­ti­on er­for­der­te, wird das Kind nur noch in der ihm zu­ge­schrie­be­nen Rol­le als ers­tes, zwei­tes oder drit­tes Kind ge­se­hen, wo­durch man ihm na­tür­lich nicht ge­recht wer­den kann. Hilf­reich kann es aber sein, sich mit der Fra­ge zu be­fas­sen, wel­che be­son­de­ren Her­aus­for­de­run­gen und Chan­cen eine be­stimm­te Po­si­ti­on in­ner­halb der Fa­mi­lie mit sich bringt und wie man dem Kind hel­fen kann, im Fa­mi­li­en­gefü­ge sei­ne ei­ge­ne Per­sön­lich­keit zu ent­wi­ckeln. Viel­leicht wird den El­tern da­bei be­wusst, dass sie tat­säch­lich vom Erst­ge­bo­re­nen mehr er­war­ten als von den an­de­ren oder dass das mitt­le­re Kind im Tru­bel oft un­ter­zu­ge­hen droht. Führt die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem The­ma dazu, dass die El­tern zum Bei­spiel das mitt­le­re Kind dar­in be­stär­ken, auch mal die Füh­rung zu über­neh­men, hört man spä­ter viel­leicht we­ni­ger "Ist halt ein ty­pi­sches Sand­wich­kind."

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2/25/2018
Geschwister

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Letzte Aktualisierung: 18.03.2020, TV