Eskalationsfallen in der Erziehung

Kind sitzt auf dem Boden und weint
©
iStock

Der 3-jährige Tom ist mit seiner Mutter beim Einkaufen. An der Kasse bittet er sie um Süssigkeiten. Sie antwortet ihm, so kurz vor dem Mittagessen gebe es keine Süssigkeiten. Er bettelt weiter. „Bitte bitte, warum nicht?“ Sie bleibt bei ihrem „Nein“ und erklärt ihm wiederholt, weshalb sie ihm nichts Süsses kauft. Tom wirft sich daraufhin frustriert auf den Boden und schreit, was das Zeug hält. Um die peinliche Situation schnell zu beenden, gibt die Mutter dem Wunsch nach und kauft ihm die Süssigkeit. Für Tom hat sich diese Szene gelohnt, denn er hat genau das bekommen, was er wollte. Toms Mutter ist hier in eine Falle geraten, indem sie ihrem Sohn gegen ihren Willen die Süssigkeit gekauft hat, nur um das Geschrei möglichst rasch zu beenden.

Wenn Eltern ihren Kindern Süssigkeiten oder Spielzeug geben, um eine peinliche Szene zu beenden oder sie von einem Fehlverhalten abzubringen, wird damit das Verhalten des Kindes belohnt. Es kann sich somit festigen und tritt wahrscheinlich häufiger auf als zuvor. Das Kind war mit seiner Strategie erfolgreich. Auch Schimpfen oder langes Diskutieren schenken dem Kind Aufmerksamkeit und verstärken eher das Verhalten, als es zu verhindern.

Kinder lernen sehr schnell, dass sie nur hartnäckiger und lauter werden müssen, um ihren Willen durchzusetzen oder ihren Wunsch erfüllt zu bekommen. „Wenn Betteln nicht hilft, dann werfe ich mich eben auf den Boden und schreie“.

Auch die Eltern werden vordergründig belohnt, weil das Kind (zumindest für eine kurze Zeit) aufhört zu schreien. Da sowohl das Kind wie auch die Eltern daraus einen Nutzen ziehen, ist es sehr wahrscheinlich, dass eine solche eskalierende Situation erneut entstehen wird.

Auf ganz ähnliche Weise können sich Mutter und Vater auch angewöhnen, lauter zu werden und heftiger zu reagieren, wenn sie sich dadurch schneller Gehör verschaffen und sich besser durchsetzen können.

Zum Beispiel sagt die Mutter zum Kind mehrmals erfolglos, dass es sein Zimmer aufräumen soll. Dabei wird sie immer lauter. Schliesslich ist die Mutter verärgert und verlangt laut, dass das Kind tut, wozu sie es auffordert, bevor sie bis drei gezählt hat, sonst...

Aus diesem Verhalten lernt das Kind, dass die Eltern es erst ernst meinen, wenn sie laut werden, schreien oder anfangen zu drohen. Folglich wird es erst auf diese Anzeichen warten, bevor es reagiert und tut, worum es anfänglich gebeten wurde.

Auch in einer solchen Situation profitieren vordergündig beide Seiten. Die Eltern ziehen ihren Vorteil aus ihrer Reaktion, weil das Kind schliesslich tut, worum es gebeten wurde, und das Kind wird belohnt, weil die Eltern aufhören zu schreien.

Die Frage "Muss ich denn alles dreimal sagen?" kennen alle Eltern. Doch weshalb muss diese wiederholte und schliesslich laute Aufforderung sein,  bevor die Kinder reagieren? Schon zu oft sind Mutter und Vater  in diese Falle getappt und es hat sich daraus ein Muster entwickelt.

Eltern sollten sich deshalb diese vermeintlichen Eskalationsfallen bewusst machen und ihre eigenen Reaktionen überdenken. Mit klaren Anweisungen und logischen Konsequenzen sind viele dieser Erziehungsfallen zu vermeiden.

Letzte Aktualisierung: 02.03.2020, JL

Mehr zum Thema

Aktuelles

kurz&bündig
12/9/2024
Mädchen bekommt eine Impfung

Weniger Gebärmutterhalskrebs-Todesfälle bei jungen Frauen dank HPV-Impfung

Die Zahl der Todesfälle durch Gebärmutterhalskrebs bei Frauen unter 25 Jahren ist in den USA seit der Einführung der …

Neueste Artikel

Unsere Partner