Doula - Begleiterin der Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerin

Interview mit Kathrin Röösli-Vietense

Schwangere im Spitalbett
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swissmom: Was ist eine Doula?

Kathrin Röösli: Eine Doula ist eine geburtserfahrene Frau, welche durch ihre Ausbildung zusätzlich über fundiertes Wissen rund um die Geburt verfügt. Sie kennt und versteht die emotionalen Bedürfnisse der werdenden Eltern. Mit ihrer Arbeit spannt sie einen Bogen von der Schwangerschaft über die Stunden der Geburt bis hin ins Wochenbett und gewährleistet damit eine kontinuierliche Betreuung. Diese Kontinuität ist ein wichtiger Aspekt der Doula-Tätigkeit. Sie gibt den Eltern in diesem intensiven Lebensabschnitt zusätzliche emotionale Sicherheit. Das Wort Doula stammt aus dem Altgriechischen und kann übersetzt werden mit „Dienerin der Frau“. Das heisst, als Doula stellt man sich in den Dienst der Frau; die eigenen Gebär- und Geburtserfahrungen und alle damit verbundenen Vorstellungen stellt man in den Hintergrund und geht voll und ganz auf die Wünsche und Bedürfnisse der Frau ein, die man begleitet.

Zur Person

Kathrin Roeoesli

Kathrin Röösli-Vietense lebt mit Ehemann und zwei Kindern in Buchrain (LU). Seit 2012 ist sie Präsidentin des Berufsverbandes der Schweizer Doula-Geburtsbegleiterinnen "Doula CH". Nebst ihrer Tätigkeit als Doula arbeitet sie im Teilzeitpensum als Kaufmännische Angestellte.

swissmom: Was unterscheidet eine Doula von einer Hebamme?

Kathrin Röösli: Die Doula hat keine medizinische Funktion. Sie ersetzt weder Hebamme noch Arzt, sondern steht der Gebärenden und ihrem Partner unterstützend zur Seite. Die Leitung der Geburt und alle damit verbundenen Entscheidungen, Pflichten und Kompetenzen sind bei Hebamme und Arzt/Ärztin. Wir wollen der Frau und ihrem Partner in dieser spannenden, oft verunsichernden Zeit emotionale und physische Unterstützung geben. Wir kennen die physiologischen (normalen) Abläufe der Geburt und haben diese selber erlebt. Eine Doula darf während der Geburt die helfende Hand geben, den Vater entlasten oder auch mal zusammen mit der Frau Tränen vergiessen. Unser Ziel ist es, der Gebärenden durch unser „Dasein“ emotionale Sicherheit zu vermitteln sowie mit dem werdenden Vater, den Hebammen und den Ärzten Hand in Hand zu arbeiten.

swissmom: Wie sieht eine Geburtsbegleitung aus? 

Kathrin Röösli: Wir begleiten die Frauen/Paare bis zur Geburt und sind - wenn es gewünscht wird - bei der Geburt dabei. 14 Tage vor dem errechneten Geburtstermin beginnt für die Doula der Pikettdienst. Dabei ist sie Tag und Nacht telefonisch erreichbar und kann innert nützlicher Frist entweder nach Hause kommen oder im Spital zur Gebärenden stossen. Während der Geburt ist die Doula oftmals ganz praktisch für die Gebärende da: Sie atmet gemeinsam mit der Frau, massiert, tröstet und umsorgt sie. Oder sie bewirkt durch ihre unaufdringliche Präsenz, dass sich die Gebärende aufgehoben fühlt und sich damit für den Geburtsprozess öffnen kann. Aufgrund der eins-zu-eins-Betreuung kann die Doula individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse und Wünsche eingehen. Bei einer eingeleiteten Geburt können wir zum Beispiel die Begleitung der Gebärenden mit dem Partner oder einer Freundin absprechen, damit die Frau nie alleine ist. Auch bei einem geplanten oder ungeplanten Kaiserschnitt sind Doulas da: Sei es, um die Frau im Operationsraum zu unterstützen oder um mit dem Kind mitzugehen und somit den Eltern die Sicherheit zu geben, dass jemand Vertrautes beim Kind ist. Nach der Geburt zieht sich die Doula zurück. So können sich die frischgebackenen Eltern dem neuen Geschöpf widmen und dürfen zu dritt in Ruhe ankommen.

swissmom: Begleitet mich eine Doula auch im Geburtshaus? 

Kathrin Röösli: Wir Doulas begleiten hauptsächlich Frauen/Paare im Spital, es kann aber durchaus vorkommen, dass eine Begleitung in einem Geburtshaus oder bei einer Hausgeburt gewünscht wird.  

swissmom: Hilft eine Doula auch während oder nach der Schwangerschaft, z. B. im Wochenbett?

Kathrin Röösli: Die Doula ist bereits während der Schwangerschaft in Kontakt mit dem Paar oder der werdenden Mutter. In der Regel treffen wir werdende Eltern vor der Geburt zweimal. Dabei lernen wir uns besser kennen und schaffen somit eine entspannte und vertrauensvolle Atmosphäre. Die Doula gibt Anregungen zur Vorbereitung auf die kommende Zeit, beantwortet Fragen zu Schwangerschaft, Geburtsverlauf und Wochenbettorganisation, bespricht eventuell vorhandene Ängste. Viele Doulas können auch einfache Körper- oder Atemübungen und Geburtspositionen anleiten. Hauptziel ist es, Ruhe und Zuversicht zu vermitteln, damit eine gute Basis für die restliche Schwangerschaft, Geburt und Wochenbettzeit gelegt werden kann. Die Eltern oder die Mutter bestimmen, wann sie die Doula nach der Geburt für die zwei Nachgespräche sehen möchten. Oftmals findet der erste Besuch kurz nach der Geburt, der zweite im Abstand von einigen Monaten danach statt. In den Nachgesprächen geht es vor allem darum, zu schauen, wie es der neuen Familie geht und ein offenes Ohr zu haben: Wie sieht der Alltag aus, möchte die Frau über die Geburt reden, welche offenen Fragen gibt es, etc. Viele Doulas bieten darüber hinaus eine spezifische Wochenbettbegleitung an, welche aber nicht im normalen „Standardpaket“ von zwei Vorgesprächen, Geburtsbegleitung und zwei Nachgesprächen inbegriffen ist. Die Begleitung im Wochenbett kann vieles beinhalten. Es gibt Frauen, die möchten einfach eine erfahrene Frau an ihrer Seite wissen, welche sie zum Beispiel bei der alltäglichen Handhabung mit dem Neugeborenen unterstützt. Andere sind froh, wenn sie mal in Ruhe duschen können oder jemand für sie mit dem Baby spazieren fährt, damit sie sich ausruhen können. Gerade Familien, welche im Wohnumfeld oder Familienkreis keine Entlastungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen können, schätzen dieses Angebot. Die Doula und das jeweilige Elternpaar sollten einfach im voraus klar absprechen, was eine Wochenbettbegleitung beinhalten soll. Und auch hier gilt wieder, dass die Doula alles, was in den medizinischen Bereich fällt, an die zuständigen Fachpersonen weitergibt.

swissmom: Wie reagieren werdende oder frischgebackene Väter auf die Doula? 

Kathrin Röösli: Viele Väter sind beim ersten Kontakt noch etwas skeptisch, fassen dann schnell Vertrauen und gehen durch eine Doula entspannter an die Geburt heran. Allerlei Fragen sind beantwortet oder geklärt worden. Der Vater hat durch das „Dasein“ der Doula auch mal die Möglichkeit, während der Geburt einen Kaffee trinken zu gehen, sich emotional zurücknehmen zu dürfen oder sich auch ein bisschen auszuruhen. Das wird sehr geschätzt. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass sich immer mehr Paare eine Doula als Geburtsbegleiterin wünschen – gerade auch zur Entlastung des Mannes

swissmom: Mit welchen Kosten muss man rechnen? Kann sich jede Frau eine Doula leisten? 

Kathrin Röösli: Die Kosten bewegen sich zwischen Fr. 800.- und Fr. 1100.- für eine ganze Begleitung inklusive Pikettdienst und Geburt. Zusätzliche Vorgespräche oder Wochenbettbesuche werden meist im Stundenansatz abgerechnet. Doulas in Ausbildung haben einen tieferen Tarif. Wenn eine Schwangere in finanziell schwierigen Verhältnissen steckt, wird eine Doula versuchen, mit ihr einen Weg zu finden. Es gibt einige Organisationen und Beratungsstellen, welche eine Doulabegleitung mitfinanzieren - anfragen lohnt sich. 

swissmom: An wen kann sich eine schwangere Frau wenden, um eine Doula zu finden? 

Kathrin Röösli: Oft hören Frauen von Kolleginnen oder Freundinnen, welche bereits mit einer Doula geboren haben, von unserem Angebot und so nimmt die Mund-Propaganda stetig zu. Auch werden wir je länger je mehr von Fach- und Beratungsstellen empfohlen, welche bei der Suche helfen und eine Liste mit Doulas der Region führen. Unser Berufsverband „Doula CH“ hat aber auch eine eigene Website (www.doula.ch). Unter „doula finden“ sind alle Verbandsmitglieder aufsteigend nach Postleitzahl aufgelistet. Wer sich nicht selbst auf die Suche machen möchte, kann sich gegen einen Unkostenbeitrag über die Infostelle eine Doula vermitteln lassen (siehe unten bei der Kontaktadresse).

swissmom: Können sich interessierte Frauen auch zur Doula ausbilden lassen? Wie lange dauert die Ausbildung? Was für Fähigkeiten und Voraussetzungen muss frau mitbringen? 

Kathrin Röösli: Die Ausbildung zur Doula-Geburtsbegleiterin richtet sich an Frauen, die grosses Interesse an den Themen Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett haben. Sie müssen mindestens ein Kind selber geboren haben (vaginal oder sectio) und kennen deshalb die emotionalen Höhen und Tiefen sowie die körperlichen Veränderungen, die Schwangerschaft und Geburt mit sich bringen. Weitere Voraussetzungen sind körperliche und seelische Belastbarkeit, Teamfähigkeit, Durchhaltevermögen für Pikettdienst und Freude an Pionierarbeit.  Die Ausbildung zur Doula-Geburtsbegleiterin des Verbandes Doula CH ist ein total 16-tägiger Kurs in einem Zeitraum von 10 Monaten mit vielen Selbstlernsequenzen. Wir gehen davon aus, dass unsere Lernenden ein grosses Mass an Eigenverantwortung und Selbständigkeit mitbringen und fähig sind, sich individuelle Lernziele zu setzen und zu verfolgen. Wir machen daher keine Abschlussprüfung sondern stellen den persönlichen Prozess und die Selbstreflexion ins Zentrum. Eine gute Doula braucht nicht Mengen von Wissen, aber eine reflektierte Haltung und viel Sorgfalt im zwischenmenschlichen KontaktEin bis zweimal pro Jahr findet ein Infoanlass im Raum Zürich statt. Aktuelle Daten und mehr Informationen zur Ausbildung finden Sie auf der Doula CH-Homepage unter „über uns“ und „Ausbildung“.

Kontaktadresse: Homepage: www.doula.ch, Email: info@doula.ch, Telefon 0844 789 123 

Letzte Aktualisierung: 05.11.2019, BH