Links­hän­dig­keit: So un­ter­stüt­zen Sie Ihr Kind

In ei­ner Welt, die auf Rechts­hän­dig­keit aus­ge­rich­tet ist, ha­ben es links­hän­di­ge Kin­der zu­wei­len schwer. Doch mit gu­ter Un­ter­stüt­zung geht vie­les leich­ter.

Mädchen malt mit links, Mutter mit rechts
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Dass Kin­der mit links zeich­nen, bas­teln und schrei­ben, gilt heu­te zum Glück als ganz nor­mal. Da­bei geht leicht ver­ges­sen, dass Links­hän­de­rin­nen und Links­hän­der im All­tag trotz­dem noch ei­ni­ge Hür­den zu über­win­den ha­ben.

Die Hän­dig­keit ist an­ge­bo­ren und wird vom Ge­hirn aus be­stimmt. Links­hän­dig­keit wird durch die Do­mi­nanz der rech­ten Hirn­hälf­te fest­ge­legt - Rechts­hän­dig­keit durch die Do­mi­nanz der lin­ken Hirn­hälf­te. Die do­mi­nan­te Hand ist mo­to­risch ge­schick­ter und stär­ker; die nicht-do­mi­nan­te Hand hat die Rol­le der "Zu­ar­bei­te­rin", die beim Aus­füh­ren von Be­we­gun­gen und Hand­lun­gen hilft. Die For­schung geht da­von aus, dass die Hän­dig­keit ver­erbt ist. Um­welt­ein­flüs­se und Er­zie­hung kön­nen je­doch ei­nen star­ken Ein­fluss dar­auf ha­ben, ob ein Kind tat­säch­lich für die meis­ten Tä­tig­kei­ten sei­ne do­mi­nan­te Hand ein­setzt.


Bei man­chen Ba­bys zeigt sich schon sehr früh eine kla­re Be­vor­zu­gung der lin­ken oder der rech­ten Hand. Wenn El­tern ihr Kind gut be­ob­ach­ten, wer­den sie mög­li­cher­wei­se be­mer­ken, dass es be­reits im Krab­bel­al­ter ab etwa 6 Mo­na­ten eher mit rechts oder mit links greift. Ab dem Al­ter von 12 bis 24 Mo­na­ten zeigt sich schon viel­fach eine kla­re Do­mi­nanz der lin­ken oder der rech­ten Hand. Es kann aber auch län­ger dau­ern, bis eine ein­deu­ti­ge Ten­denz er­kenn­bar ist. Spä­tes­tens bis zum Al­ter von vier Jah­ren zeigt sich dann bei ei­nem Gross­teil der Kin­der deut­lich, ob sie links- oder rechts­hän­dig sind. 

Das Kind soll­te im Ge­brauch sei­ner Hän­de nicht be­ein­flusst wer­den. So­lan­ge die Hän­dig­keit nicht fest­steht, ist es dar­um wich­tig, dass Ge­gen­stän­de im­mer in die Mit­te ge­reicht wer­den. Beim Es­sen, Ma­len und Bas­teln soll­ten Be­steck, Werk­zeu­ge und Stif­te mit­tig plat­ziert wer­den. So kann das Kind mit der Hand grei­fen, die ihm ent­spricht. Ge­ben Sie ihm zum Es­sen­ler­nen kei­nen spe­zi­el­len schrä­gen Ba­by­l­öf­fel. Die­se sind für Rechts­hän­der ge­macht und links­hän­di­ge Ba­bys wer­den sich da­mit schwer­tun.

Sich ein­zig dar­auf zu ach­ten, mit wel­cher Hand das Kind den Stift hält, ist üb­ri­gens kein si­che­rer In­di­ka­tor für die Hän­dig­keit, denn Schrei­ben und Zeich­nen sind ge­lern­te Tä­tig­kei­ten. Da Kin­der sich stark an Vor­bil­dern ori­en­tie­ren, kann es durch­aus sein, dass ein ei­gent­lich links­hän­di­ges Kind den Stift in die rech­te Hand nimmt, weil Mama, Papa und der gros­se Bru­der das auch so ma­chen. Wenn Sie her­aus­fin­den möch­ten, wel­che Hand bei Ih­rem Kind do­mi­nant ist, soll­ten Sie sich des­halb be­son­ders auf spon­ta­ne und un­ge­lern­te Hand­grif­fe ach­ten

Ist un­ser Kind beid­hän­dig?


Nicht bei al­len Kin­dern zeigt sich die Hän­dig­keit je­doch deut­lich. Man­che set­zen bis ins Kin­der­gar­ten­al­ter bei­de Hän­de fast gleich­wer­tig ein. Die­se Kin­der wer­den dann oft für beid­hän­dig ge­hal­ten. Ech­te Beid­hän­dig­keit (Am­bi­dex­trie) ist je­doch sehr sel­ten. Fach­leu­te be­to­nen, dass die Hän­dig­keit ei­nes Kin­des spä­tes­tens vor Schul­ein­tritt ge­klärt wer­den soll­te. Dies, weil sich das Schrei­ben mit der nicht-do­mi­nan­ten Hand ne­ga­tiv aus­wir­ken kann. 

Nicht sel­ten stellt es sich in Hän­dig­keits­un­ter­su­chun­gen her­aus, dass ein Kind, das beid­hän­dig schein­bar gleich ge­schickt han­tiert, in Wirk­lich­keit links­hän­dig ist. Die Grün­de, war­um es ge­lernt hat, auch sei­ne rech­te Hand häu­fig ein­zu­set­zen, kön­nen un­ter­schied­lich sein. So schnei­det es bei­spiels­wei­se mit rechts, weil ihm kei­ne Links­hän­der­sche­re zur Ver­fü­gung steht. Viel­leicht war auch die ei­gent­lich do­mi­nan­te Hand auf­grund ei­ner Ver­let­zung wäh­ren län­ge­rer Zeit aus­ser Ge­fecht ge­setzt, so­dass es ge­lernt hat, die nicht-do­mi­nan­te Hand ver­mehrt ein­zu­set­zen. Oder aber es passt sich ganz ein­fach in vie­len Si­tua­tio­nen an sei­ne rechts­hän­di­ge Um­welt an.

Ein stark wech­seln­der Hand­ge­brauch kann je­doch auch ein Hin­weis auf eine Teil­leis­tungs- oder Ent­wick­lungs­stö­rung sein. Be­ob­ach­ten Sie Ihr Kind auf­merk­sam, wenn Ih­nen auf­fällt, dass es in­ner­halb der glei­chen Tä­tig­keit im­mer wie­der die Hand wech­selt und die Mit­tel­li­nie nie über­kreuzt; dass es also bei­spiels­wei­se beim Ma­len die lin­ke Hälf­te des Blat­tes im­mer mit links und die rech­te Hälf­te des Blat­tes im­mer mit rechts aus­malt. Spre­chen Sie Ihre Be­ob­ach­tun­gen bei der nächs­ten kin­der­ärzt­li­chen Kon­troll­un­ter­su­chung an, da­mit der Hand­ge­brauch ge­nau­er un­ter­sucht und das Kind bei Be­darf früh­zei­tig ge­för­dert wer­den kann.

Was er­leich­tert ei­nem links­hän­di­gen Kind den All­tag?


Wenn Sie sel­ber rechts­hän­dig sind, fällt Ih­nen ver­mut­lich gar nicht auf, wie vie­le Hür­den Ihr links­hän­di­ges Kind im All­tag zu be­wäl­ti­gen hat: Der Dreh­ver­schluss, den es in die "fal­sche" Rich­tung dre­hen muss, um die Fla­sche zu öff­nen. Der Trink­be­cher, der rechts ober­halb des Tel­lers steht, so­dass es im­mer wie­der Was­ser ver­schüt­tet, wenn es ihn zum Mund führt. Das Brot­mes­ser, mit dem es beim bes­ten Wil­len kei­ne gleich­mäs­sig di­cke Schei­be ab­schnei­den kann. Die Er­mah­nun­gen, es sol­le doch bit­te die "rich­ti­ge" Hand ge­ben, wenn es je­man­dem die Lin­ke zum Grüs­sen hin­streckt.

Viel­fach ha­ben Links­hän­de­rin­nen gar kei­ne Wahl, ob sie sich an­pas­sen wol­len oder nicht - sie müs­sen es ein­fach, weil die Welt nun mal auf Rechts­hän­dig­keit aus­ge­rich­tet ist. Umso wich­ti­ger ist es, dass Sie Ih­rem Kind den All­tag dort er­leich­tern, wo es mög­lich ist

  • Set­zen Sie sich Ih­rem Kind ge­gen­über, wenn Sie ihm vor­zei­gen, wie man Schlei­fen bin­det oder wie Bas­tel­ar­bei­ten aus­zu­füh­ren sind. Es kann sich so die Hand­lungs­ab­läu­fe viel leich­ter ab­schau­en. 

  • De­cken Sie sei­nen Platz am Tisch so, dass es Be­cher und Be­steck mit der lin­ken Hand gut grei­fen kann. Man­che Kin­der wol­len aber auf gar kei­nen Fall an­ders sein als die an­de­ren. Dann kann es sinn­voll sein, Trink­be­cher und Be­steck für alle mit­tig zu plat­zie­ren an­statt links für die Links­hän­der und rechts für die Rechts­hän­der. 

  • Ach­ten Sie bei Kin­der­tas­sen mit Mo­ti­ven dar­auf, dass die­se beid­sei­tig be­druckt sind. Bei ein­sei­tig be­druck­ten Tas­sen ist das Su­jet nur sicht­bar, wenn der Hen­kel nach rechts zeigt. Links­hän­di­ge Kin­der sind dann oft­mals ent­täuscht und be­stehen dar­auf, die Tas­se mit der rech­ten Hand zu hal­ten. Da­durch ver­schüt­ten sie mehr, wes­halb sie sich sel­ber als un­ge­schickt wahr­neh­men.

  • Die fol­gen­den für Links­hän­der kon­zi­pier­ten Ge­gen­stän­de er­leich­tern Ih­rem Kind das Bas­teln und das Mit­hel­fen im Haus­halt: Links­hän­der-Sche­re und -Spit­zer, beid­hän­dig ver­wend­ba­re Spar­schä­ler, Do­sen­öff­ner und Sup­pen­kel­le so­wie Brot- und Rüst­mes­ser mit Wel­len­schliff für Links­hän­der. Falls Ihr Kind viel kocht und backt, kön­nen wei­te­re Hilfs­mit­tel nütz­lich sein, z. B. ein beid­sei­tig be­druck­ter Mess­be­cher, da­mit die Ska­la auch dann gut les­bar ist, wenn der Be­cher in der lin­ken Hand ge­hal­ten wird. 

  • Wäh­len Sie Spiel­sa­chen aus, die mit links eben­so gut be­dient wer­den kön­nen wie mit rechts. 

  • Bei Tä­tig­kei­ten am Com­pu­ter soll­te Ihr Kind die Maus links plat­zie­ren kön­nen. Op­ti­mal ist da­her eine ka­bel­lo­se Maus. Ach­ten Sie bei ei­nem ka­bel­ge­bun­de­nen Mo­dell auf ein aus­rei­chend lan­ges Ka­bel, da­mit die Maus auch auf der lin­ken Sei­te gut be­weg­lich ist. Eine er­go­no­misch ge­form­te Maus ist für Links­hän­de­rin­nen un­güns­tig - es sei denn, Sie kau­fen Ih­rem Kind ein Links­hän­der­mo­dell. 

  • Wer­ten Sie Links­hän­dig­keit nicht ab. Fein­füh­li­ge Kin­der kön­nen sehr schnell den Ein­druck be­kom­men, et­was mit links zu ma­chen, sei falsch und ver­su­chen dann un­ter Um­stän­den, sich selbst von links auf rechts um­zu­schu­len.

Wel­che Un­ter­stüt­zung brau­chen links­hän­di­ge Kin­der in der Schu­le?


Schrei­ben ler­nen

Zur Un­ter­stüt­zung des Drei­fin­ger­griffs sind Stift­auf­sät­ze mit Griff­mul­den hilf­reich; beim Ma­len und Zeich­nen be­wäh­ren sich für klei­ne­re Kin­der re­la­tiv di­cke, drei­ecki­ge Farb­stif­te.

Wich­tig ist, dass auch ein Kind, das mit links schreibt, ge­nü­gend Be­we­gungs­frei­heit hat. Am bes­ten sitzt es des­halb nicht ne­ben ei­ner Rechts­hän­de­rin, son­dern ne­ben ei­nem an­de­ren Links­hän­der oder am lin­ken Rand der Bank­rei­he. 

So­bald mit Tin­te ge­schrie­ben wird, ge­wöh­nen sich vie­le Links­hän­der eine Ha­ken­hal­tung an, um das Ge­schrie­be­ne nicht zu ver­wi­schen. Da­durch ver­krampft sich die Hand schnell und es kön­nen Ver­span­nun­gen auf­tre­ten. Da­mit dies nicht ge­schieht, soll­te das Kind von An­fang an eine lo­cke­re Schreib­hal­tung er­ler­nen. Dies ge­lingt im am bes­ten, wenn es eine Schreib­un­ter­la­ge be­kommt, auf der die rich­ti­ge Po­si­ti­on des Blat­tes und der Hand auf­ge­druckt ist. Falls kei­ne sol­che Schreib­un­ter­la­ge ver­füg­bar ist, soll­te es sich an­ge­wöh­nen, das Blatt leicht nach rechts zu nei­gen (ca 30 °). Links­hän­der­be­ra­te­rin­nen emp­feh­len, das Kind schon früh ers­te Schreib­ver­su­che mit Tin­te ma­chen zu las­sen. So kann es se­hen, wie leicht die Tin­te bei ei­ner fal­schen Schreib­hal­tung ver­wischt wird und ist eher dazu mo­ti­vert, die rich­ti­ge Hal­tung zu trai­nie­ren. 

Beim Schrei­ben­ler­nen ha­ben links­hän­di­ge Kin­der ei­nen Nach­teil, der leicht über­se­hen wird: In Schreib­lehr­mit­teln ist die Vor­la­ge meis­tens am lin­ken Rand vor­ge­druckt. Das Kind ver­deckt da­her mit sei­ner Schreib­hand, was es ab­schrei­ben müss­te. Schreib­blät­ter mit Vor­la­ge am rech­ten Rand sind zwar er­hält­lich, in vie­len Schu­len je­doch noch nicht im Ein­satz. Falls Ihr Kind gros­se Mühe hat, die Wör­ter vom lin­ken Rand ab­zu­schrei­ben, schrei­ben Sie ihm die Vor­la­ge auf ein se­pa­ra­tes Blatt, da­mit es sich die Buch­sta­ben von dort ab­schau­en kann. 

Spie­gel­schrift und Schwie­rig­kei­ten beim Le­sen

Dass wir von links nach rechts schrei­ben und le­sen, läuft vie­len links­hän­di­gen Kin­dern zu­erst ein­mal ge­hö­rig ge­gen den Strich. Dar­um kommt es zu Be­ginn öf­ters mal vor, dass sie ein­zel­ne Buch­sta­ben oder gan­ze Wör­ter in Spie­gel­schrift schrei­ben, die Zei­len am rech­ten Blatt­rand an­fan­gen oder Zah­len ver­tau­schen. Auch beim Le­sen müs­sen sich man­che zu­erst ein­mal dar­an ge­wöh­nen, auf der Sei­te oben links zu be­gin­nen. Die­se klei­nen Auf­fäl­lig­kei­ten ha­ben nichts mit ei­ner Lese-Recht­schreib­schwä­che zu tun und tre­ten dar­um in der Re­gel nur zu Be­ginn der Schul­zeit auf. Falls sie über län­ge­re Zeit be­stehen blei­ben, ist aber selbst­ver­ständ­lich auch bei links­hän­di­gen Kin­dern eine ge­naue­re Ab­klä­rung wich­tig.

Werk­zeu­ge

Auch in der Schu­le soll­ten Links­hän­de­rin­nen eine Links­hän­der­sche­re und ei­nen Links­hän­der­spit­zer zur Ver­fü­gung ha­ben. Der Nut­zen von spe­zi­el­len Li­nea­len für Links­hän­der ist je­doch um­strit­ten. Zwar ge­lingt es dem Kind da­mit bes­ser, sei­ner Hän­dig­keit ent­spre­chend eine Stre­cke ab­zu­mes­sen und ein­zu­zeich­nen. Die Mar­kie­rung kann für klei­ne­re Kin­der al­ler­dings ver­wir­rend sein: Im Ma­the­buch sind die Zah­len auf dem Zah­len­strahl von links nach rechts auf­stei­gend - und auf dem Li­ne­al ist es ge­nau um­ge­kehrt. 

Tex­ti­les und tech­ni­sches Ge­stal­ten

Links­hän­dig­keit spielt na­tür­lich auch im Werk­un­ter­richt eine Rol­le. Man­che Kin­der ha­ben kei­ne Mühe, Tä­tig­kei­ten wie Stri­cken, Hä­keln und Nä­hen gleich zu er­ler­nen wie die Rechts­hän­der. An­de­re hin­ge­gen emp­fin­den dies als sehr schwie­rig und ver­lie­ren die Freu­de an Hand­ar­bei­ten. In die­sem Fall ist es wich­tig, dass die Lehr­per­son dem Kind ge­gen­über sitzt, um ihm die Hand­grif­fe zu vor­zu­ma­chen. Auch Vi­deo­an­lei­tun­gen sind hilf­reich, um ihm zu zei­gen, wie es die Ar­bei­ten ent­spre­chend sei­ner Hän­dig­keit aus­füh­ren kann.

Beim tech­ni­schen Ge­stal­ten in hö­he­ren Klas­sen kommt eine wei­te­re Her­aus­for­de­rung hin­zu: Die meis­ten Ma­schi­nen sind auf Rechts­hän­dig­keit aus­ge­rich­tet. Da­durch ist nicht nur die Be­die­nung für Links­hän­der er­schwert - es be­steht auch ein Si­cher­heits­ri­si­ko, weil sich Si­cher­heits­vor­keh­run­gen zum schnel­len Aus­schal­ten oft rechts be­fin­den. Lehr­per­so­nen soll­ten dies bei der Ein­füh­rung un­be­dingt be­rück­sich­ti­gen und mit links­hän­di­gen Kin­dern ge­nau an­schau­en, wie sie die Ma­schi­nen mög­lichst si­cher be­die­nen kön­nen

Um­schu­lung von Links­hän­dern - auch heu­te noch?


Äl­te­re Men­schen er­zäh­len mit Schau­dern da­von, mit welch bru­ta­len Me­tho­den ih­nen oder ih­ren Mit­schü­le­rin­nen das Schrei­ben mit der lin­ken Hand aus­ge­trie­ben wur­de. Dies ist heu­te zum Glück nicht mehr der Fall. Um­schu­lung kann je­doch noch im­mer vor­kom­men - ein­fach mit sehr viel sub­ti­le­ren Mit­teln oder so­gar un­be­ab­sich­tigt

Er­wach­se­ne kön­nen stark be­ein­flus­sen, mit wel­cher Hand das Kind mehr­heit­lich han­tiert. Zum Bei­spiel, in­dem sie ihm Ge­gen­stän­de im­mer in die rech­te Hand rei­chen und ihm Tä­tig­kei­ten nicht sei­ner Hän­dig­keit ent­spre­chend vor­zei­gen. Oder in­dem sie es dazu auf­for­dern, den Stift doch auch mal in die an­de­re Hand zu neh­men, wenn es mit links zeich­net. Die­se Be­ein­flus­sung kann be­wusst ge­sche­hen, weil El­tern oder Gross­el­tern der Mei­nung sind, Links­hän­dig­keit sei ein Nach­teil. Sie kann aber auch un­be­wusst sein, weil El­tern und Lehr­per­so­nen sich nie gross mit dem The­ma Hän­dig­keit aus­ein­an­der­ge­setzt ha­ben und die Din­ge so wei­ter­ge­ben, wie sie ih­nen sel­ber am leich­tes­ten von der Hand ge­hen. 

Er­wach­se­nen fehlt zu­wei­len lei­der auch das Ver­ständ­nis da­für, wie müh­sam und an­stren­gend es für links­hän­di­ge Kin­der ist, wenn sie sich an­ge­wöh­nen müs­sen, vie­les mit rechts zu er­le­di­gen, weil es an Un­ter­stüt­zung und pas­sen­den Werk­zeu­gen fehlt. Sie den­ken viel­leicht gar, es sei ein Vor­teil für das Kind, wenn es beid­hän­dig han­tie­re. In Wirk­lich­keit aber ge­lin­gen ihm vie­le Tä­tig­kei­ten dann nicht so recht und so muss es sich an­hö­ren, es hät­te wohl "zwei lin­ke Hän­de". Zu­wei­len fal­len auch un­be­dach­te Be­mer­kun­gen, es müs­se die Din­ge halt in die "rich­ti­ge" Hand neh­men, dann gin­ge es bes­ser.

Die­se sprach­li­che Ab­wer­tung der lin­ken Hand kann bei ei­nem fein­füh­li­gen Kind dazu füh­ren, dass es sich selbst auf Rechts­hän­dig­keit um­schult. Aus Er­mah­nun­gen und kor­ri­gie­ren­den Be­mer­kun­gen zieht es den Schluss, sei­ne Links­hän­dig­keit sei "nicht nor­mal" und es ge­wöhnt sich dar­an, sich nach der Mehr­heit zu rich­ten. Für man­che Kin­der reicht es aber schon, dass fast alle an­de­ren Men­schen in sei­nem Um­feld be­vor­zugt mit der rech­ten Hand han­tie­ren, um sich an­zu­pas­sen. 

Wel­che Aus­wir­kun­gen hat eine Um­schu­lung der Hän­dig­keit?


Ob ein Kind durch sub­ti­len Druck um­ge­schult wird oder ob es dies aus ir­gend­ei­nem Grund sel­ber tut - op­ti­mal ist dies auf kei­nen Fall. Die Um­schu­lung der Hän­dig­keit stellt im­mer ei­nen Ein­griff in die fest­ge­leg­ten Hirn­funk­tio­nen dar. Sa­lopp for­mu­liert: Das Kind bleibt im Kopf ein Links­hän­der, auch wenn es ge­lernt hat, mit der rech­ten Hand zu schrei­ben. Da Schrei­ben eine hoch­kom­ple­xe Tä­tig­keit ist, bei der die Fein­mo­to­rik, die Gram­ma­tik, die Recht­schrei­bung und der Zu­sam­men­hang von Sät­zen eine Rol­le spie­len, ist die Her­aus­for­de­rung be­son­ders gross. Die nicht-do­mi­nan­te lin­ke Hirn­hälf­te wird da­bei über­be­las­tet und die do­mi­nan­te rech­te Hirn­hälf­te kann nicht rich­tig zum Zug kom­men.

Auf­fäl­lig­kei­ten, die bei um­ge­schul­ter Hän­dig­keit auf­tre­ten kön­nen, sind:

  • Fein­mo­to­ri­sche Pro­ble­me, die sich ins­be­son­de­re in ei­ner schwer le­ser­li­chen Schrift zei­gen.

  • Links-Rechts-Un­si­cher­heit: Die­se ist im All­tag nicht nur müh­sam, son­dern bei­spiels­wei­se im Stras­sen­ver­kehr rich­tig ge­fähr­lich.

  • Schnel­les Er­mü­den und Nach­las­sen der Kon­zen­tra­ti­on im Schul­un­ter­richt und beim Ler­nen

  • Ge­dächt­nis­schwie­rig­kei­ten: Das Kind be­herrscht z. B. zu Hau­se den Lern­stoff ta­del­los und kann dann in der Prü­fung auf ein­mal nichts mehr da­von ab­ru­fen.

  • Schwie­rig­kei­ten bei der Wort­fin­dung und mög­li­cher­wei­se Stot­tern

Ein um­ge­schul­tes Kind muss sich trotz nor­ma­ler In­tel­li­genz viel stär­ker an­stren­gen, um gute Leis­tun­gen zu er­brin­gen. Sei­ne Schwie­rig­kei­ten kön­nen es ver­un­si­chern und Min­der­wer­tig­keits­ge­füh­le aus­lö­sen. Dies kann sich bei­spiels­wei­se auch in Ver­hal­tens­auf­fäl­lig­kei­ten und emo­tio­na­len Pro­ble­men be­merk­bar ma­chen.

Wie vie­le Links­hän­der gibt es?

Die Angaben, bei wie vielen Menschen die linke Hand dominiert, schwanken enorm. Während die einen Untersuchungen auf einen niedrigen einstelligen Prozentsatz kommen, gehen andere Forscher davon aus, dass die Hälfte der Menschheit eigentlich linkshändig wäre. Diese grossen Differenzen gehen auf unterschiedliche Untersuchungsmethoden zurück.

Der Linkshänderanteil, der anhand von Befragungen ermittelt wird, liegt wohl eher zu tief. Unter den älteren angeblichen Rechtshänderinnen dürfte sich noch so manche umgeschulte Linkshänderin befinden. Zudem fokussieren manche sich ausschliesslich auf die Schreibhand – obschon sich die Händigkeit nicht darauf beschränkt. Doch auch Untersuchungen, die mit Händigkeitsdiagnostik arbeiten, führen zu ganz unterschiedlichen Resultaten. Dies liegt daran, dass nicht alle mit dem gleichen Testverfahren arbeiten.

Während sich die Forschung also noch längst nicht einig ist, wie hoch der Linkshänderanteil tatsächlich ist, steht eines fest: Seitdem Kinder nicht mehr umgeschult werden, hat die Zahl der aktiven Linkshänderinnen und Linkshänder zugenommen. Diverse Linkshänder-Ratgeber nennen Zahlen zwischen 10 und 30 %.

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