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                              Intersexualität (Störungen der Geschlechtsentwicklung)

                              Spielfiguren
                              ©
                              Shutterstock

                              Beim menschlichen Embryo kann bis zur sechsten Schwangerschaftswoche nicht zwischen männlichen und weiblichen Keimdrüsen unterschieden werden, im Lauf der siebten Woche bilden sich die Hoden aus, die Eierstöcke folgen etwas später. Es kommt dann ein Mädchen oder ein Knabe zur Welt.

                              Ein bis zwei von 1000 Kindern werden jedoch intersexuell geboren. Ihre Geschlechtsentwicklung vor der Geburt war gestört, die Geschlechtsmerkmale sind nicht eindeutig männlich oder weiblich. Dabei gibt es unterschiedliche Grade eines intersexuellen Genitale, mit mehr weiblicher oder mehr männlicher Ausprägung. Das kann sich nicht nur in den Sexualorganen, sondern auch im Haarwuchs oder der Fettverteilung zeigen. Während das Geschlecht früher (oft ungefragt) operativ "angeglichen" wurde, wartet man heute damit, bis die Kinder alt genug sind und selbst entscheiden können.

                              Die Ursachen für ein nicht eindeutig zuzuordnendes Geschlecht sind unterschiedlich. Echte Zwitter (Hermaphroditismus verus), also Menschen mit gleichzeitig männlichen und weiblichen Zellen, mit Eierstöcken UND Hoden, gibt es extrem selten.

                              Im Vergleich dazu relativ häufig  kann wegen eines Enzymdefekts der Serumspiegel der Geschlechtshormone verändert sein. Am häufigsten ist das Adrenogenitale Syndrom (AGS), auf das routinemässig im Neugeborenenscreening untersucht wird. Die betroffenen Babys haben zwar einen weiblichen Chromosomensatz, sie produzieren aber mehr männliche Sexualhormone (Androgene wie Testosteron). Wird das AGS nicht behandelt - zum Beispiel mit einer schon vor der Geburt einsetzenden Kortisonersatztherapie - vermännlichen die äusseren Geschlechtsorgane (Klitorishypertrophie). Ausserdem ist die Tätigkeit der Nebennierenrinde gestört, was zu einem lebensgefährlichen Salzverlust führen kann und behandelt werden muss.

                              Beim Androgenresistenz-Syndrom (AIS) wird das Kind zwar mit einem männlichen Chromsomensatz (XY) geboren und besitzt auch Hoden, die Testosteron produzieren. Die Hormone haben aber keine Wirkung, weil die Rezeptoren defekt sind oder fehlen. Die Hoden liegen von aussen nicht erkennbar im Bauchraum und sind nicht wie üblich kurz vor der Geburt nach aussen gewandert. Die äusseren Geschlechtsorgane können komplett weiblich erscheinen,  Gebärmutter und Eileiter sind jedoch nicht vorhanden. Diese Störung wird oft erst entdeckt, wenn bei diesen scheinbaren Mädchen in der Pubertät die Menstruation und die Geschlechtsbehaarung ausbleibt (testikuläre Feminisierung oder "hairless women"). Bei der partiellen AIS entwickeln sich die Betroffenen meist männlich, die Geschlechtsorgane sind allerdings unterentwickelt.

                              Beim Agonadismus bilden sich wegen einer Mutation die Hoden und/oder die Eierstöcke gar nicht oder nur teilweise aus.

                              Durch eine Fehlverteilung der Geschlechtschromosomen kommt es ebenfalls zu einer Veränderung der Geschlechtsmerkmale: Beim Turner-Syndrom (XO) gibt es nur ein X-Chromosom, aber nicht das zweite Geschlechtschromosom X oder Y. Der Embryo entwickelt sich zu einem Mädchen, das aber (normalerweise) nicht geschlechtsreif wird und kleinwüchsig bleibt. Beim Klinefelter-SYndrom gibt es ein Geschlechtschromosom zuviel (XXY). Der Embryo entwickelt sich zu einem Knaben und später Mann mit kleinen Hoden und wenig Körperbehaarung, der nicht zeugungsfähig ist.

                              Die Anlage der inneren Geschlechtsorgane lässt sich sehr schnell mit dem Ultraschall überprüfen. Die endgültige Diagnose wird nach einer Chromosomenanalyse und hormonellen bzw. biochemischen Untersuchungen gestellt. Das sollte möglichst bald nach der Geburt geschehen, damit das Kind einen dem Geschlecht zuordnungsfähigen Namen bekommt. Leider dauert das meist länger, als von den Behörden vorgesehen, die die gesetzliche Festlegung des Geschlechtes und Namens in der ersten Woche nach der Geburt verlangen. In der Schweiz herrscht Meldepflicht innerhalb von drei Tagen nach der Geburt. Dabei muss auch ein Geschlecht festgelegt werden. Den Status der Geschlechtslosigkeit gibt es nicht. In Deutschland dagegen haben Eltern neuerdings drei Möglichkeiten: Sie können ihr Kind entweder als "männlich" oder "weiblich" eintragen lassen, oder - wenn eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist - "inter" (drittes Geschlecht) ankreuzen.

                              Als Eltern brauchen Sie für alle weiteren Informationen, Überlegungen und Entscheidungen die Beratung durch ein interdisziplinäres Behandlungsteam. Dazu gehören Kinderendokrinologen, Kinderurologen, Kinderchirurgen, Psychologen, Psychotherapeuten, Sexualwissenschaftler, aber auch Juristen, Pädagogen oder Sozialwissenschaftler. Sinnvoll ist eigentlich immer eine Verlegung in ein Spezialzentrum (Universitätsspital).

                              Die Behandlung einer nicht eindeutigen Geschlechtsentwicklung ist so unterschiedlich wie ihre Ursachen. Eine Hormontherapie bietet sich an, möglicherweise aber auch eine Operation. Häufig werden beide Therapien kombiniert. Die kosmetischen Eingriffe sollten auf jeden Fall nur von Operateuren gemacht werden, die über eine ausreichende Erfahrung und regelmässige Operationstätigkeit bei Intersexuellen verfügen. Und dies so spät wie möglich, damit die Betroffenen selbst entscheiden können, welche Geschlechterrolle sie annehmen wollen.

                              Letzte Aktualisierung: 15.09.2021, BH