Vaterschaft und Familienbeziehungen

Eltern zu werden ist nicht nur für Sie und Ihre Partnerin ein grosser Schritt. Auch Ihr familiäres Umfeld ist von den Veränderungen betroffen.

Mehrgenerationenfamilie posiert mit einem Baby unter einem Baum für ein Foto
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Schon erstaunlich, wie so ein zartes Neugeborenes das ganze Familiengefüge verändern kann. Nicht nur die Partnerschaft wandelt sich, sondern auch Geschwisterbeziehungen und das Verhältnis zur Herkunftsfamilie. 

In die Mutter- und Vaterrolle hineinwachsen


Ganz klar, für Sie und Ihre Partnerin sind die Veränderungen am einschneidendsten. Deshalb stellen sich viele Fragen, die Sie unbedingt schon während der Schwangerschaft besprechen sollten:

  • Wie stellen wir uns unsere Elternrolle vor?

  • Wie haben uns unsere eigenen Eltern geprägt? Was wollen wir ähnlich machen - und was ganz anders?

  • Wie schaffen wir es, nicht "nur" Eltern, sondern auch Liebespaar zu sein?

  • Wie teilen wir uns die Berufs- und Hausarbeit fair auf?

  • Wie viel Erwerbsarbeit ist nötig, damit wir die finanziellen Bedürfnisse unserer wachsenden Familie abdecken können?

  • Wie soll es nach dem Mutterschaftsurlaub weitergehen?

  • Wer betreut unser Kind während unserer Abwesenheit?

  • Wie ermöglichen wir es einander, auch eigene Hobbys und Interessen zu verfolgen? 

  • Etc. 

Ist Ihr Baby dann auf der Welt, schätzen Sie vieles von dem, was Sie besprochen haben, vielleicht ganz anders ein. Und weil eine Familie kein starres Gebilde ist, sondern die Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder sich im Laufe der Zeit wandeln, kann eine Lösung, die eben noch richtig war, auf einmal unpassend sein. Deshalb ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und immer wieder abzuwägen, ob die Art, wie Sie das Familienleben und die Partnerschaft gestalten, noch passt oder ob Veränderungen nötig sind.

Was sich ändert, wenn Ihr Baby bereits Geschwister hat


Bei einem zweiten oder dritten Kind ist die Veränderung natürlich nicht mehr ganz so gross wie damals, als Sie zum ersten Mal Eltern geworden sind. Immerhin haben Sie das alles schon mal durchgespielt, Sie haben viel Sicherheit gewonnen im Umgang mit einem Baby und der Familienalltag ist bereits organisiert. Was natürlich nicht heissen soll, dass Ihr Neugeborenes mit seinem ganz einzigartigen Wesen nicht dazu fähig wäre, das bis ins letzte Detail ausgeklügelte System gehörig durcheinanderzubringen ...

Trotz all Ihrer Erfahrung dürfen Sie nie vergessen: Für ältere Geschwister bedeutet die Ankunft eines Babys immer eine grosse Umstellung. Ihre Gefühle können dabei durchaus gemischt sein. Da ist einerseits die freudige Aufregung über das süsse Neugeborene  - andererseits aber auch die Eifersucht, weil dieses kleine, schreiende Menschlein so viel Aufmerksamkeit bekommt. Und schon bald einmal muss man nicht nur die Aufmerksamkeit mit ihm teilen, sondern die Spielsachen, die Bilderbücher und vielleicht sogar das Zimmer. 

Als Vater können Sie viel dazu beitragen, dass Ihre grösseren Kindern mit dem Familienzuwachs besser klarkommen. Zum einen, indem Sie sich jetzt viel Zeit nehmen für sie, vielleicht etwas mit ihnen unternehmen, was sie sich schon lange gewünscht hatten und gemeinsam eine Überraschung planen für den Tag, an dem Ihre Partnerin mit dem Baby nach Hause kommt. Zum anderen, indem Sie sich um das Neugeborene kümmern, damit die Grossen die Mama auch wieder einmal ein paar Momente ganz für sich haben

War Ihr erstes Kind bislang stark auf die Mama fixiert, tut es sich zu Beginn möglicherweise schwer damit, wenn Sie sich nun mehr um seine Bedürfnisse kümmern. Es kann ziemlich schmerzhaft sein, wenn es jedes Mal laut brüllt, weil Sie ihm die Gummistiefel angezogen haben und nicht Ihre Partnerin. Versuchen Sie trotzdem dranzubleiben und Ihrem Kind geduldig und liebevoll zu zeigen, wie gut Sie zu ihm schauen. So lernt es mit der Zeit, wie toll es eigentlich ist, einen Papa zu haben, der für einen da ist und mit dem man Dinge unternehmen kann, die das kleine Baby noch nicht kann.  

Die Beziehung zu Ihren Eltern


Wenn Sie zum ersten Mal Vater werden, bedeutet dies auch für Ihre Eltern eine grosse Umstellung. Der kleine Junge, den sie eben noch gewickelt hatten, wickelt jetzt sein eigenes Baby. Für manche Eltern ist dies eine wunderbare Vorstellung; andere hingegen haben erst einmal Mühe damit, ihren längst erwachsenen Sohn in dieser Rolle zu sehen. Gut möglich also, dass sie denken, sie müssten ihrem "armen Jungen" alles abnehmen, damit er nicht selber kochen, putzen und waschen muss. In der Wochenbettzeit ist eine solche Unterstützung natürlich grossartig. Später aber müssen Sie Ihre Eltern (und Schwiegereltern) vielleicht darauf hinweisen, dass Hilfe nicht nur willkommen ist, wenn Ihre Partnerin ausser Hause ist

Jetzt, wo Sie wissen, wie es sich anfühlt, Vater zu werden, machen Sie sich möglicherweise intensive Gedanken über die Beziehung zu Ihren eigenen Eltern. Manche ihrer Verhaltensweisen und Erziehungsgrundsätze können Sie nun vielleicht plötzlich nachvollziehen. Und manchmal, wenn Sie sich selbst zuhören, wie Sie mit Ihrem Kind sprechen, hören Sie auf einmal Ihren Vater oder Ihre Mutter und Sie spüren, wie sehr die beiden Sie geprägt haben.

Vater zu werden, kann aber auch schmerzhafte Gefühle wecken, beispielsweise, weil Sie eine schwierige Kindheit oder eine spannungsgeladene Beziehung zu Ihren Eltern hatten. Möglicherweise fragen Sie sich, warum sie Ihnen nicht mehr Zuneigung gezeigt haben, wo doch das Neugeborene bei Ihnen diese überwältigende Liebe auslöst. Falls Sie inzwischen ein intaktes Verhältnis haben, gelingt es vielleicht, mit Ihren Eltern über diese schmerzhaften Gefühle zu reden und Antworten zu bekommen. Nicht immer sind solche Gespräche jedoch möglich und es ist besser, sich einem Therapeuten anzuvertrauen. 

Grosseltern: Unterstützung oder unerwünschte Einmischung?


Manche Eltern haben sich nichts sehnlicher gewünscht, als endlich Grosseltern zu werden. Und jetzt, wo das Baby da ist, freuen sie sich riesig, ihr Enkelkind in guten Händen aufwachsen zu sehen. Sie fragen nach, wie sie den frischgebackenen Eltern eine Hilfe sein können, bieten grosszügige Unterstützung an, lassen der nächsten Generation aber auch die Freiheit, eigene Wege zu gehen. 

Andere Grosseltern hingegen können sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass die "Jungen" in der Lage sind, das kleine Menschlein ohne ihre "guten" Ratschläge grosszuziehen. Sie mischen sich ein und geben Ihnen und Ihrer Partnerin das Gefühl, es nicht gut genug zu machen. Je nachdem, ob diese Einmischung von Ihren Eltern oder von Ihren Schwiegereltern kommt, ist es an Ihnen oder an Ihrer Partnerin, sich abzugrenzen. 

In beiden Fällen sollten Sie als Paar sich vorher darüber einigen, wie Sie sich die Beziehung zu den Grosseltern vorstellen, in welchen Bereichen Sie um Unterstützung froh sind und welche Art von Einmischung für Sie beide nicht in Ordnung ist. Solche Gespräche sind nicht immer einfach, denn während man selber die Fehler der eigenen Eltern durchaus kritisieren darf, tut es weh, wenn jemand anders darauf hinweist. Falls die Gefühle jedes Mal hochgehen, wenn Sie über das Thema reden wollen, kann es deshalb hilfreich sein, das Ganze in einer Paarberatung zu besprechen

Wenn die Grosseltern die Enkelkinder betreuen


Kinderbetreuung ist teuer und je nach Arbeitszeiten kann es schwierig sein, ein Angebot zu finden, das genügend Flexibilität bietet. Viele Paare sind deshalb auf die Unterstützung der Grosseltern angewiesen. Dies ist einerseits sehr schön, denn eine enge Beziehung zwischen Enkelkindern und Grosseltern ist etwas Wunderbares. Und Ihre Eltern- oder Schwiegereltern haben ja bereits über Jahre bewiesen, dass sie wissen, wie man Kinder grosszieht. Sie und Ihre Partnerin sind der lebende Beweis dafür. 

Diese Betreuungsform kann jedoch auch zu Spannungen führen. Denn Grosseltern richten sich nicht nach einem pädagogischen Konzept, sondern nehmen sich manchmal die Freiheit heraus, ihre Enkelkinder zu verwöhnen. Sofern Ihre Eltern oder Schwiegereltern sich dabei nicht über Erziehungsgrundsätze hinwegsetzen, die für Sie und Ihre Partnerin zentral sind, ist dies auch in Ordnung. Kinder kommen gut damit klar, dass zu Hause andere Regeln gelten als bei Oma und Opa. Respektieren die Grosseltern Grenzen, die Ihnen wichtig sind, jedoch grundsätzlich nicht, sollten Sie das Gespräch suchen.

Zu Differenzen kann es auch kommen, wenn Sie die Betreuung durch die Grosseltern als selbstverständlich ansehen. Ihre Eltern und Schwiegereltern sollten sich aus freien Stücken für die Kinderbetreuung entscheiden dürfen. Immerhin haben sie bereits viele Jahre in die Familie und den Beruf investiert und wünschen sich vielleicht jetzt etwas mehr Freiheit. Versuchen Sie deshalb, sich an die vereinbarten Betreuungszeiten zu halten und die Grosseltern daneben wirklich nur im äussersten Notfall einzuspannen. 

Und denken Sie daran: Selbst Grosseltern, die darauf bestehen, die Enkelkinder gratis zu betreuen, freuen sich darüber, hin und wieder eine kleine Anerkennung für ihre wichtige Unterstützung zu bekommen. 

Beziehungen zur erweiterten Familie


Je nachdem, wie gross Ihre Verwandtschaft ist, gibt es noch eine Menge anderer Menschen im Leben Ihres Kindes, die eine Rolle spielen. Beziehungen zu Tanten, Onkeln, Urgrosseltern, Cousinen, Cousins etc. können eine enorme Bereicherung sein. Sie können aber auch zu Stress führen, wenn man einander ungefragt dreinredet oder Sie immer wieder für Babysitter-Dienste eingespannt werden, weil Sie ja jetzt ebenfalls ein Baby haben und ohnehin zu Hause sind. 

Da jede Familie ein wenig anders funktioniert, gibt es keine Einheitslösung für alle möglichen Spannungen und Konflikte. Einen Punkt sollten Sie sich jedoch immer wieder in Erinnerung rufen: Sie und Ihre Partnerin haben sich dazu entschieden, gemeinsam durchs Leben zu gehen und eine Familie zu gründen. In allererster Linie sind Sie deshalb für das Wohlergehen Ihrer Partnerschaft und Ihrer Kinder verantwortlich. Ihrer eigenen Familie zuliebe müssen Sie deshalb zuweilen gewisse Grenzen ziehen.

Letzte Aktualisierung: 19.04.2024, TV