Ein zweites Baby – mit Verstand und Bauchgefühl
Mein Herz möchte ein zweites Kind. Gerne jetzt und einfach so.
Mein Kopf möchte an manchen Tagen auch ein zweites Kind.
An den anderen Tagen hätte er lieber eine einsame Insel, eine Hängematte und sonst absolut nichts.
Also muss mit Bedacht an diese grosse Entscheidung herangegangen werden.
Pro und Kontra
In regelmässigen Abständen klagt meine Gebärmutter, sie wünsche sich mehr Sinn im Leben.
Beim Sprint zum Bahnhof meldet sich mein Beckenboden mit berechtigten Zweifeln.
Bei meiner Slipeinlage - you know!
Hat sich mein Körper in zwei Jahren schon ausreichend von der Schwangerschaft und der Geburt unseres ersten Sohnes erholen können?
Apropos Erholung, wo soll das zweite Baby schlafen?
Werden wir überhaupt jemals wieder schlafen können?
Während mein Gehirn um ein paar ruhige Nächte bettelt, erklären mir die Grosseltern mit strahlenden Augen, sie könnten gerne auch mehr Kinderbetreuung übernehmen.
Bald schon ein Geschwister an der Seite zu haben, würde bestimmt auch den grossen Bruder freuen. Oder ist es für ihn noch zu früh, unsere Aufmerksamkeit teilen zu müssen?
Ist Sicherheit nur eine Geldfrage?
Der Papa hingegen mag unsere Familienplanung lieber berechnen. Ganz dem Schweizer Bünzlitum entsprechend wird zuerst die Steuerrechnung abgewartet, bevor auch nur an ein zweites Kind gedacht werden darf.
„Ich setzte nur so viele Kinder in die Welt, wie ich auch gut und sicher versorgen kann“, verkündet er immer wieder und kommt sich dabei ganz besonders erwachsen vor. Das bisschen Egopush sei ihm gegönnt - wobei ich mir sicher bin, dass wir auch einem zweiten Kind ein Aufwachsen in Sicherheit ermöglichen können.
Meine Zuversicht verblüfft mich hin und wieder selbst, denn weder sind unsere Gehälter sonderlich beeindruckend, noch wurden wir mit dem goldenen Löffel im Mund geboren.
Im Gegenteil.
Bei den Schleckwaren an der Kasse höre ich meine Mutter noch heute fragen, womit ich die zu zahlen gedenke. „Mit Hosechnöpf oder was?“.
Ich erinnere mich, wie meine Eltern abends in der Küche sassen und Sparmöglichkeiten durchsprachen. Könnte der Vermieter um eine Mietreduktion gebeten werden?
Wen könnte man um Geld anpumpen? Was könnte noch verkauft werden?
Gegen Ende des Monats assen wir dann für ein paar Tage nur noch Haferflocken oder Teigwaren. Urlaubsreisen kannten wir lediglich aus dem TV und Spielzeugkataloge waren „was für Konsumopfer“.
Das mag traurig klingen. So, als hätte ich Not leiden oder zumindest in grosser Unsicherheit aufwachsen müssen.
Musste ich nicht. Überhaupt ganz und gar nicht.
In Geborgenheit aufwachsen
Natürlich wusste ich um die Geldsorgen meiner Eltern, doch ich wusste auch, dass sie sich gut darum kümmern werden. Sie suchten und fanden Lösungen. Immer.
Mich begleitete die Sicherheit, dass wir nie reich würden, genauso sehr wie diejenige, dass meine Eltern verantwortungsvoll für uns sorgen und Engpässe überbrücken werden.
Deshalb bin ich überzeugt, dass wir auch unser zweites Kind gut und sicher versorgen können. Weil das Vertrauen eines Kindes nicht proportional zum Kontostand der Eltern wächst. Es entspringt dem Verantwortungsbewusstsein von uns Erwachsenen, der Gewissheit, dass wir das Ding schon schaukeln werden.
„Also los Schatz, lass und ein Sparkonto eröffnen und dann Liebe machen!“.