Frühgeborene
Babys, die vor Ende der 37. Schwangerschaftswoche (vom ersten Tag der letzten Periode an gerechnet) geboren werden, sind Frühgeburten. 5-10% aller Kinder kommen so früh auf die Welt.
Welche Chancen hat ein Frühchen?
Die ermutigenden Fortschritte im Bereich der intensivmedizinischen Betreuung von Frühgeborenen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sehr unreife Frühgeborene immer noch eine Herausforderung an die Neugeborenenmedizin (Neonatologie) darstellen. Je früher ein Baby geboren wird und je leichter es ist, umso schlechter sind seine Chancen, ohne medizinische Hilfe zu überleben. Dabei zählt jeder Tag, der noch im Mutterleib gewonnen werden kann! Ob ein Baby in der 25. oder in der 28. Schwangerschaftswoche geboren wird, macht einen gewaltigen Unterschied aus.
Bericht zur SRF-Sendung Kontext "Frühgeburten: Wie klein ist zu klein?" vom 16.4.2014.
Experten-Interview mit Renate Hlauschek: "Stillen von Frühgeborenen"
Und die Risiken bei einer Frühgeburt?
Die meisten Organsysteme von Frühgeborenen sind nicht voll ausgereift und daher noch nicht in vollem Umfang funktionsfähig. Frühgeborene können zum Beispiel ihre Körpertemperatur nicht selbstständig regulieren. Eine Neugeborenen-Gelbsucht tritt bei Frühgeborenen häufiger auf, da ihre Leber noch sehr unausgereift ist und die normalen Bilirubinmengen nicht bewältigen kann. Ihr Immunsystem ist zudem noch zu schwach, um Infektionen erfolgreich zu bekämpfen. Die wertvollen Antikörper, welche die Mutter über die Plazenta an das ungeborene Kind weitergibt, sind noch nicht ausreichend vorhanden. Durch hygienische Massnahmen und wenn möglich Muttermilchernährung, kann man die Gefahr von Infektionen einschränken. Der noch unreife Verdauungstrakt des Frühgeborenen kommt mit dieser Form der Ernährung (evtl. mit Anreicherungen) ohnehin meist am besten zurecht.
Das Gehirn ist noch sehr unreif und seine Blutgefässe noch so zart, dass durch Einblutung oder Minderdurchblutung bestimmte Hirnregionen leicht geschädigt werden können. Als Folge zeigt sich beim Kind dann häufiger eine Cerebralparese, früher oft als spastische Kinderlähmung (zerebrale Kinderlähmung) bezeichnet. Diese schwere körperliche Behinderung ist oft erst nach drei Monaten eindeutig zu diagnostizieren. Während die Cerebralparese bei vollständig ausgetragenen Neugeborenen nur einmal unter 1000 Kindern auftritt, ist sie bei 1500g schweren Frühgeborenen 50 mal und bei 1000 g schweren Frühgeborenen sogar 100 mal so häufig. Bei Kindern, die mit etwa 500 g und nach 25 Wochen Schwangerschaft geboren werden, muss bei einem Viertel der Überlebenden mit einer Cerebralparese gerechnet werden.
Sehr unreife Frühgeborene sind besonders durch eine Schädigung der Netzhaut gefährdet, denn in diesem frühen Stadium ist die Entwicklung der Netzhaut noch nicht abgeschlossen. Eine veränderte Konzentration von Sauerstoff in der Atemluft kann während dieser Phase das Wachstum der Blutgefässe im Auge anregen. Die Adern beginnen dann, unkontrolliert zu wuchern. Tritt aus den Gefässen Flüssigkeit aus, droht den Neugeborenen eine Netzhautablösung (Frühgeborenen-Retinopathie).
Warum Frühgeborene noch nicht gleich nach Hause dürfen
Atmung und Herz-Kreislauf Funktion müssen bei Frühgeborenen gut überwacht werden, damit keine gefährlichen Pausen eintreten. Auch kommt es bei Frühgeborenen durch ihre Lungenunreife und einen Mangel an Surfactant-Faktor häufig zu einem Atemnotsyndrom.
Die intensivmedizinische Betreuung in einem Brutkasten (Inkubator) gibt dem Frühgeborenen Schutz und Zeit. Es kann so in Ruhe die Entwicklung, die eigentlich noch im Mutterleib hätte stattfinden sollen, nachholen. Die Eltern werden auf der Intensivstation so viel wie möglich in die Pflege des Kindes mit einbezogen. Eine ganz wichtige Methode ist dabei das sogenannte "Känguruhen".
Und die langfristige Entwicklung nach einer Frühgeburt?
Babys, die zwischen der 34. und 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, haben in spezialisierten Zentren (sogenannten Perinatalzentren) inzwischen kaum noch Probleme. Insofern ist Frühgeburtlichkeit heutzutage nicht mehr gleichbedeutend mit Entwicklungsstörung. Allerdings kommen auf die Eltern doch meist schwere erste Jahre zu, in denen ihr Kind oft noch spezielle Betreuung braucht.
Die meisten Frühgeborenen können nach Hause entlassen werden, wenn sie ein Gewicht von mindestens 2000 g erreicht haben. Das ist in der Regel nicht vor dem ursprünglich errechneten Geburtstermin der Fall.
Video
"Unsere Frühchen wurden in der 26 SSW mit einem Gewicht von 380 g und 880 g und einer Grösse von 26 cm und 32 cm geboren."