Mamalltag - Mein Kind mag mich nicht – oder eben doch!

Gastbeitrag von Fiorina Springhetti

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Fiorina Springhetti ist das Gesicht hinter Mamalltag. Sie ist ganzheitliche Ernährungsberaterin und führt den Blog www.mamalltag.ch - einfach ist auch gut!

Mein Kind mag mich nicht. Es findet mich doof, findet mich zu streng. Findet mich einen Spassverderber und Neinsager. So zumindest fühlt es sich an. Für mich. Für mich als Mama. Als ihre Mama. Mama von Fräulein Flunker, die sich soeben entschieden hat, mit knapp über vier in die erste Pubertät abzudriften. Fräulein Flunker mag mich nicht – oder eben doch? Oder eben doch!

Ich muss ehrlich gestehen, die Reserven meiner Energie sind ausgeschöpft. Ich bin müde, ausgelaugt. Ich stehe vor Grenzen, die sich als die meinen erweisen. Grenzen, an welchen ich in Tränen ausbrechen möchte und im selben Moment weiss, dass dies genau das Falsche ist. Und wenn es nicht die Tränen sind, dann steht da ein Schild, auf dem steht: „Du wirst in acht Sekunden anfangen deine Kinder zusammen zu stauchen, wirst sie ankeifen und dich danach für mindestens zwei Stunden in Schuldgefühlen suhlen“. Ich sehe das Schild und die Warnung aber prompt beginne ich zu schimpfen, ich kann nicht anders. Denn schon wieder muss ich die Kinder korrigieren, muss ermahnen, muss die Polizistin spielen. Und zu allem Übel schaut mich mein grosses Fräulein Flunker an und kehrt mir dann schmollend den Rücken zu mit den unausgesprochenen Worten: „Du schon wieder – immer schreist du rum!“

Und dann ist es wieder da, dieser Gefühl. Quasi mitten ins Gesicht: „Mein Kind mag mich nicht!“ Das ist neu für mich. Komplett neu. Fräulein Flunker war bis vor Kurzem eine normale Vierjährige ohne Teenager-Ambitionen. Sie konnte zwar hier und da mal trotzen, nicht ganz meiner Meinung sein und mir das auch sagen, aber nicht in diesem Ausmass wie jetzt. Gehört das auch zu einer normalen Vierjährigen? Ist das so? Ich kann nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Kann keine Vergleiche anstellen. Denn Fräulein Flunker ist meine erste grosse Vierjährige. Warum wehrt sie sich nur so gewaltig gegen mich? Warum bin ich ihre Gegenspielerin anstelle der lieben Mama? Wann fing das an? Was gab den Anstoss?

Wenn ich das so lese, hört es sich komplett dämlich an. Ich klinge wie eine frustrierte Mutter, die sich ihr Prinzesschen zurück wünscht. Aber das ist es nicht. Ich will weder ein Prinzesschen noch ein Püppchen noch sonst was. Ich will nur verstehen, warum aus dem Nichts diese zornerfüllte Abgrenzung kommt. Warum sie sich so sehr wehren muss. Ich tue doch gar nichts.

Oder tue ich eben doch was? Ich brauche Hilfe, brauche guten Rat. So greife ich zum Hörer (was ich nur im äussersten Notfall mache, denn ich hasse telefonieren. HASSE TELEFONIEREN!) und bitte um Rat. Die Worte, die mir dieser liebe Mensch entgegenbringt, helfen mir. Sie beruhigen mich, geben mir ein bisschen Sicherheit zurück. Es ist wohl normal, dieses Verhalten, oder? Kinder müssen sich abgrenzen. Das weiss ich. Ich weiss es, aber ich kann diesen ersten Kontakt mit dem Abgrenzen noch nicht richtig behandeln. Ich weiss, dass Kinder ihre Eigenständigkeit mit Losstrampeln und Weglaufen, mit wütend sein und Konfrontationen fordern. Aber es macht es mir nicht einfacher, dass ich es weiss. Ich kann es trotz alledem gerade schlecht ausstehen.

Fräulein Flunker mag mich immer noch – sie liebt mich ganz gewiss, das weiss ich. Nur muss sie mir jetzt zum ersten Mal in unserem gemeinsamen Dasein zeigen, dass sie auch ohne mich dastehen kann. Es braucht keine Mama für das Leben. Auch nicht für das Leben einer Vierjährigen. Diese Erfahrung ist wichtig – für sie, für mich. Meine Aufgabe ist es, mit meiner Erfahrung und meiner Rolle als Mama ihr diese Abgrenzung zu erlauben und sie zu unterstützen. Nur ist das nicht immer einfach.

Wer lässt sich schon gerne zig mal am Tag anschmollen? Wer lässt sich gerne anmotzen? Wer hält dieses Zicken-Getue ohne Wenn und Aber aus? Ich momentan nicht. Also muss ich lernen. Lerne, die Gelassenheit zu haben, weil ich weiss, was sie durchmacht. Weil ich weiss, dass sie ihr Verhalten selber nicht ganz begreift und keine Mama gebrauchen kann, die darauf noch rumreitet. Ich muss lernen, ruhig zu bleiben. Darf mich nicht aufregen, darf mich nicht in diese Emotionen reinsteigern, die sie mir „aufzwingt“. Nein, mein Kind mag mich nicht nicht mehr. Mein Kind mag mich sehr. Auch wenn es gerade alles andere zeigt, als das.

So zu schreiben, darüber zu berichten – die Lösung scheint einfach. Stoische Ruhe bewahren. Nur klappt das irgendwie noch nicht ganz. Diese Schilder mit dem „Achtung, Schrei-Alarm“ stehen da, und ich weiss, sie zu beachten wäre sinnvoll, und prompt keife ich bereits wieder rum. So genervt bin ich von all diesem pubertären Gehabe. Da kommen mir meine Auseinandersetzungen mit klein Napoleon gleich lächerlich vor. Das war ja Pipifax – nichts im Vergleich zu dem hier.

Aber auch die Pubertät mit einer Vierjährigen wird sich zum Pipifax abändern, sobald ich vor der nächsten Herausforderung stehe. Ich werde dann wieder schreiben, oder jemanden anrufen, oder beides, oder gleich sofort zum Therapeuten gehen. Und ich werde Rotz und Wasser heulen, weil ich nicht mehr weiter weiss und mir selber so unendlich leid tue. So wie jetzt gerade – ich arme kleine Mama. Nichts aber auch gar nichts scheine ich richtig zu machen!

So, und jetzt fertig mit dem selbstbemitleidenden Quark. Rücken durchstrecken, Gurkenscheiben auf die verquollenen Augen, Nase schnäuzen und das Mantra gaaaaaaanz laut und langsam wiederholen: „Mein Kind mag mich. Und ich mich auch! Wird schon werden!“

Letzte Aktualisierung: 25.03.2020, swissmom-Redaktion